Die Nachfrage nach dem Rohstoff und Energieträger steigt. Hamburger Forscher mahnen zu einer effizienteren Nutzung

Hamburg. Deutschland ist auf dem Holzweg. Weil die heimische Ressource als Rohstoff und Energieträger immer begehrter wird, könnten bald mindestens 30 Millionen Kubikmeter mehr Holz nachgefragt werden, als der Markt hergebe, warnen Forscher des bundeseigenen Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts (vTI) in Hamburg. Hintergrund ist eine Befragung, der zufolge die Holzwirtschaft ihren Bedarf für 2020 auf 160 Millionen Kubikmeter schätzt. Dem stünde ein voraussichtliches Aufkommen von nur 130 Millionen Kubikmeter Holz gegenüber. Zusätzlich steigen könnte die Nachfrage, weil ab 2020 die Energie zu 20 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommen soll, zu denen etwa Biomasse zählt - und damit auch Holz. Um drohenden Engpässen entgegenzuwirken, seien eine kluge Nutzung des Waldes und ein effizienterer Einsatz des Holzes nötig, sagen Experten.

Dieses könnte zum Beispiel durch eine "Nutzungskaskade" erreicht werden, sagt Christoph Rullmann, Bundesgeschäftsführer der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald: Aus den Stämmen wird zunächst Bau- oder Möbelholz gewonnen, aus den Resten Spanplatten und was dort übrig bleibt, könnte etwa in Form von Pellets als Brennstoff dienen. "Dieses Modell ist zwar in der Holzwirtschaft bekannt, es hapert aber an der Umsetzung", sagt Rullmann. Teilweise werde etwa Holz noch im Wald gehäckselt, um daraus Brennstoff zu machen, was eine unsinnige Verschwendung darstelle.

Auch Prof. Matthias Dieter, Leiter des vTI-Instituts für Ökonomie der Forst- und Holzwirtschaft in Hamburg-Lohbrügge, rät zu einem sorgsameren Umgang mit der Ressource Holz. Dieser entstehe aber bereits durch den höheren Holzpreis. Matthias Dieter: "Die Papierindustrie hat in Deutschland eine Recyclingquote von 70 Prozent. Mehr ist technisch kaum möglich. Die Spanplattenhersteller verwenden einen hohen Anteil Altholz von Baustellen und Reststoffe der Sägewerke. Hier gibt es noch ein kleines Potenzial, weitere Reststoffe zu akquirieren."

Das größte Sparpotenzial sieht Dieter im Bau- und Möbelbereich. "Durch Innovationen, etwa Leichtbauplatten oder hohle Holzröhren statt Holzbalken, lassen sich mit weniger Material die gleichen Produkteigenschaften erreichen. Alternativ führen Methoden wie die Hitzebehandlung zu einer längeren Haltbarkeit und damit zu einem Rückgang des Holzverbrauchs."

Als weiteren Ausweg diskutiert die Fachwelt Kurzumtriebsplantagen (KUP). Dabei handelt es sich um schnell wachsende Bäume, die auf landwirtschaftlichen Flächen angepflanzt und schon früh - bis zu einem Alter von 20 Jahren - gefällt werden. Solche Holzäcker konkurrieren allerdings mit dem Anbau von Lebensmitteln. Sinnvoll könnten KUP auf Feldern sein, die wenig Ertrag abwerfen, sagt Dieter.

An einigen Stellen kann sich der Forscher auch schnell wachsende Bäume in Wäldern vorstellen, etwa Hybridlärchen, die nach 40 Jahren eingeschlagen werden können. Dies sei auch in Hinblick auf die Erderwärmung sinnvoll. "Viele Forstexperten raten in der Klimadiskussion dazu, Buchen zu pflanzen. Doch die werden erst nach 160 bis 200 Jahren geerntet. Pflanzen wir dagegen Bäume mit Umtriebszeiten von 40, 50 Jahren, können wir auf künftige Erkenntnisse der Klima- und Waldforschung flexibler reagieren."

Doch nicht nur das Klima, auch der Artenschutz muss bei der Waldnutzung bedacht werden. Hier geht es zum Beispiel um das Restholz. Dieses blieb vor wenigen Jahren noch im Wald liegen, weil es sich für Unternehmen nicht lohnte, etwa die Kronen der gefällten Bäume zu verwerten. Inzwischen werden die Kronen vermehrt durch leistungsfähige Häcksler gejagt und zu Brennstoff verarbeitet. Doch Holzreste, etwa von abgestorbenen Bäumen (sogenanntes Totholz), liefern dem Wald viele Nährstoffe; zudem dienen Holzreste zahlreichen Insekten, Vögeln, Pilzen und Flechten als Lebensraum. Deshalb wäre es falsch, Restholz komplett aus dem Wald zu schaffen, sagt Matthias Dieter. Stattdessen müsse die Menge so bemessen sein, dass dadurch die Nährstoffversorgung des Waldes nicht beeinträchtigt werde.

Zu den Auswirkungen auf die Artenvielfalt sagt er: "Wir müssen abwägen: Wollen wir vor allem eine klimaschonende, nachhaltige Energieversorgung zu günstigen Preisen oder ist uns die Artenvielfalt wichtiger? Eine verstärkte Holznutzung trägt dazu bei, Energiepreise niedrig zu halten. Aber sie darf natürlich nicht übertrieben werden, sodass Arten aussterben."

Statt nach dem Roden an vielen Stellen Baumkronen zurückzulassen, helfe es dem Wald und seinen Bewohnern mehr, wenn an wenigen Stellen Inseln aus Totholz geschaffen würden, sagt Christoph Rullmann. Damit meint er, dass pro Hektar eine Gruppe von Bäumen nicht gefällt werden sollte; etwa schlecht gewachsene Bäume, deren Holz nach ihrem Tod als Nährstoff und Lebensraum dient. Grundsätzlich "sollten aus Sicht des Naturschutzes einige Waldgebiete gar nicht bewirtschaftet werden", um die biologische Vielfalt zu erhalten. Die Strategie der Bundesregierung dazu sehe vor, dass fünf Prozent der Wälder nicht bewirtschaftet werden. "Das ist noch nicht erreicht."