Die Folgen der Ölkatastrophe in den USA sind schlimm. Experten fordern auf einer Tagung in Hamburg strengere Regeln für Offshore-Industrie.

Hamburg. "Schwarze Flecken auf weißen Traumständen" titelte das Abendblatt am 7. Juni 2010 zu den ölverschmierten Stränden am Golf von Mexiko. Die Schlagzeile stimmt noch jetzt, gut ein Jahr nach dem Untergang der Bohrplattform "Deepwater Horizon". Riesige Rechen ziehen ölverseuchtes Schilf aus den Sumpfgürteln des Mississippi, Schreckschüsse verscheuchen Vögel aus verschmutzten Gebieten, jede Flut spült Ölklümpchen an die Strände - so erlebte Greenpeace-Mitarbeiter Jörg Feddern die Aufräumarbeiten in diesem Frühjahr und erzählte davon auf dem 21. Meeressymposium des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH), zu dem sich gestern und heute 450 Meeressschutzexperten in Hamburg treffen.

Das erste Schwerpunktthema der Tagung lautete: "Offshore Öl- und Gasförderung - haben wir aus dem Golfdesaster gelernt?" Meeresbiologe Feddern kann dies nicht erkennen: "Greenpeace hat ein Moratorium für die Öl- und Gasförderung aus großen Tiefen in europäischen Gewässern gefordert, bis strengere Sicherheitsregeln etabliert sind. Doch das EU-Parlament hat einen entsprechenden Antrag abgelehnt. Der Einfluss der Ölwirtschaft in Großbritannien und Norwegen ist groß."

EU-Länder haben uneinheitliche Sicherheitsstandards

Seit dem Unglück habe es eine Reihe von Arbeitstreffen der Europäischen Kommission gegeben, an denen die Mittelmeer- und Nordseeanrainerstaaten beteiligt waren, sagte Kevin O'Carroll, Leiter des Komitees Offshore Industrie beim Umweltabkommen zum Nordatlantik (OSPAR). Bereits im Oktober hatte die EU-Kommission Defizite bei Sicherheitsfragen in der Erdöl- und Erdgasförderung benannt. Sie beanstandete "uneinheitliche Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltregelungen" in den Mitgliedsländern. "Derartig zersplitterte Bestimmungen stellen keine angemessene Antwort auf die Risiken dar, die sich aus der Entwicklung der industriellen Erdöl- und Erdgasaktivitäten im Offshore-Bereich ergeben", hieß es.

Die Erschließung neuer Gas- und Ölfelder wird technisch schwieriger

Derzeit arbeiten mehr als 1000 Offshore-Anlagen im Nordostatlantik inklusive Nordsee und gut 100 im Mittelmeer. Doch die leichter zugänglichen Öl- und Gasfelder gehen allmählich zur Neige. Die Erschließung neuer Vorkommen ist technisch schwieriger, denn sie liegen in größeren Tiefen, es herrschen höhere Drücke und Temperaturen, einige befinden sich in arktischen Regionen mit extremen Klimabedingungen. Die Kommission sieht ein zusätzliches Risiko: "Gleichzeitig veralten die Förderanlagen der ausgebeuteten Felder und werden oft von Spezialunternehmen mit geringer Kapitalausstattung übernommen."

Noch seien die Untersuchungen zur Ölkatastrophe im Golf von Mexiko nicht abgeschlossen, betonten gestern die Referenten des BSH-Symposiums. Erste Schlussfolgerungen zog Dierk-Steffen Wahrendorf von der Bundesanstalt für Gewässerkunde, Projektleiter der deutschen Expertengruppe "Deepwater Horizon": "Was wir heute schon lernen können: Eine effiziente Bekämpfung beginnt mit der Vorsorge und braucht klare Regeln von Verantwortlichkeiten." Letztere seien in Deutschland durch das Havarie-Kommando vorhanden - es wurde nach dem "Pallas"-Unfall im Jahr 1998 eingerichtet.

Die EU-Kommission will nun dafür sorgen, dass auch die EU abgestimmt auf große Ölunfälle reagieren kann und in diesem Sommer konkrete Rechtsvorschriften und/oder andere Maßnahmen zur Abstimmung unter den Mitgliedsländern vorlegen.

+++ Das Dossier zur Ölpest vor der US-Küste zum Nachlesen +++