Niedersachsen will den Torfabbau forcieren. Doch das schadet nicht nur der Natur sondern erhöht gleichzeitig auch den CO2-Ausstoß.

Hannover. 99 Prozent seiner ehemaligen Moorlebensräume hat Deutschland verloren. Viele Moorflächen werden heute landwirtschaftlich genutzt, mit Schwerpunkt Niedersachsen. Nun plant das Land, den Torfabbau auszuweiten. Dagegen protestieren Naturschützer, denn Nieder- und vor allem Hochmoore sind wertvolle Lebensräume und leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.

Die Freigabe weiterer Moorflächen zum industriellen Torfabbau steht im Entwurf einer Novelle des Landesraumordnungsprogramms. Er wird gegenwärtig mit den Landesbehörden und Verbänden erörtert und soll nach der Sommerpause in die parlamentarische Abstimmung gehen. "Die Novelle hat uns sehr überrascht", sagt Dr. Reinhard Löhmer, der stellvertretende Vorsitzender des BUND Niedersachsen. "Schließlich sah schon das Moorschutzprogramm von 1981 vor, dass der Torfabbau auslaufen soll. Bislang hieß es, dass spätestens 2040 Schluss sein sollte. Nun wird die Abtorfung wohl darüber hinaus weitergehen."

Torf entsteht aus Torfmoosen, die in nährstoffarmen Hochmooren wachsen. Diese Moore werden allein mit Regenwasser gespeist. Sie besitzen eine artenarme Vegetation, denn nur pflanzliche Hungerkünstler können hier überleben. Diese hoch spezialisierten Moorbewohner sind ebenso bedroht wie ihr Lebensraum. Niedermoore entstehen dagegen durch steigende Grundwasserspiegel, sind verlandete Seen oder Überschwemmungsbereiche von Gewässerläufen. Sie sind nährstoffreich und ebenfalls wertvolle Feuchtgebiete, aber weniger einzigartig.

Für die Torfgewinnung sind fast ausschließlich Hochmoore interessant. Sie erstrecken sich in Niedersachsen noch über 2500 Quadratkilometer (km²), aber nur 120 km² sind weitgehend unberührt oder zumindest naturnah. Knapp 300 km² nutzt die Torfindustrie. Die mehrere Meter dicken Torflagen (jeder Meter steht für 1000 Jahre Mooswachstum) werden schichtweise abgebaut. Nach jedem Durchgang wird das geschröpfte Moor ein paar Jahre liegen gelassen, bevor die nächste Schicht abgetragen wird. "Die Entwässerung bleibt über den gesamten Nutzungszeitraum aktiv", sagt Biologe Löhmer, der seit Jahrzehnten im Raum Hannover Moorschutz betreibt. "Zudem sorgen die wiederkehrenden Störungen dafür, dass sich die Natur auf den Flächen nicht erholen kann."

Zwei Drittel der niedersächsischen Hochmoor-Böden werden landwirtschaftlich genutzt. "Hier wurde ehemals die oberste Torfschicht entwässert, sodass die Landmaschinen darauf fahren können", erklärt Löhmer, "heute werden die ehemaligen Moore als Äcker oder Weideland genutzt." Etwa 90 km² dieses Weidelands solle nun für den Torfabbau freigegeben werden, so Löhmer. Dies sei weniger ein Naturschutzproblem (die Flächen sind ohnehin keine Moor-Lebensräume mehr) als vielmehr ein Problem für das Klima.

"Moore gelten als die effektivsten Ökosysteme in der Speicherung von Kohlenstoff", betont der Naturschutzbund (Nabu) und appelliert ebenfalls, die verbleibenden Moorflächen zu schützen und degenerierte Flächen wieder zu vernässen. Denn solange die abgestorbenen Torfmoose unter Wasser stehen, bleibt der eingelagerte Kohlenstoff weitgehend im Boden. Doch das ändert sich, wenn der Torf entwässert oder abgebaut wird. Dann kommt Luft an die Moosreste, und der Kohlenstoff oxidiert zu Kohlendioxid (CO2).

Zwar entweiche auch aus als Weideland genutzten Moorböden CO2, da allein durch die Entwässerung Luft an die Torfschicht dringt. Grünland sackt deshalb um etwa 1,5 Zentimeter pro Jahr ab, Ackerboden um etwa zwei Zentimeter - Ausdruck des Zersetzungsprozesses. Doch der Torfabbau leert den natürlichen Kohlenstoffspeicher viel schneller, denn große Torfmassen gelangen dabei an die Luft, sowohl auf der Fläche als auch später im Blumentopf oder in der Gartenerde. "Der CO2-Ausstoß aus degenerierten Mooren trägt schon jetzt zu sechs bis sieben Prozent zu den niedersächsischen CO2-Emissionen bei", betont Löhmer.

Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium bestreitet die vom BUND genannten Zahlen: Es sei geplant, die Vorranggebiete für Torf um 33 km² zu erweitern, nicht um 90 km². Zum Klimaschutzaspekt mochte er sich nicht äußern: "Das ist Sache des Umweltministeriums, wir werden uns im Rahmen des jetzt laufenden Abstimmungsverfahrens mit der Einwendung auseinandersetzen."

Die geplante Vorgabe des Landes, dass beim Abbau 50 bis 70 Zentimeter der Torfschicht stehen gelassen werden muss, damit auf dieser Basis ein neues Hochmoor wachsen kann, überzeugt Naturschützer Löhmer nicht: "Die übrigen fünf, sechs Meter Torf über wenige Jahrzehnte zu entnehmen, bedeutet, dass wir unser Klima zusätzlich belasten. Degenerierte Moore wieder zu vernässen wäre dagegen ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Dies ist schon lange bei der Hannoverschen Moorgeest geplant, aber das Projekt liegt seit 2006 auf Eis."