Jeder zweite deutsche Mann wird mindestens 80 Jahre alt, jede zweite Frau sogar 85. Die Lebenserwartung erreicht bisher höchsten Stand

Wiesbaden. Die Lebenserwartung der Bundesbürger hat einen historischen Höchststand erreicht: Statistisch gesehen erreicht heute jeder Zweite das 80. Lebensjahr. Dabei stieg die Lebenserwartung nicht nur für Neugeborene weiter an, auch die für ältere Menschen hat zugenommen, wie das Statistische Bundesamt gestern in Wiesbaden mitteilte.

"Der anhaltende Anstieg der Lebenserwartung ist vor allem auf den Rückgang der Alterssterblichkeit zurückzuführen", sagt Prof. Wolfgang von Renteln-Kruse, Altersforscher und Chefarzt im Zentrum für Geriatrie und Gerontologie im Albertinen-Haus. Das bedeute, dass die Sterblichkeit an chronischen Krankheiten gesunken sei, sodass die Zahl der Menschen, die ein hohes Alter erreichen, zunimmt. Die steigende Lebenserwartung sei Ausdruck der guten Lebensbedingungen in der westlichen Welt und der guten sozialen und medizinischen Versorgung.

Frauen leben immer noch deutlich länger als Männer, ganz langsam allerdings verringern sich die Unterschiede. Der Statistik zufolge werden neugeborene Jungen 77 Jahre und vier Monate alt, neugeborene Mädchen 82,5 Jahre. "Dies ist der höchste Stand seit Berechnung der ersten Sterbetafel 1871/1881 für das Deutsche Reich", teilte die Wiesbadener Behörde mit. Die Zahlen beruhen auf der sogenannten Sterbetafel 2007/2009, für die die Daten über die Verstorbenen und die Durchschnittsbevölkerung der vergangenen drei Jahre ausgewertet wurden.

Im Vergleich zur Sterbetafel 2006/2008 nahm die Lebenserwartung für neugeborene Jungen um zwei Monate und für Mädchen um einen Monat zu. Jungen holen also ganz langsam auf. Dies wird noch deutlicher im Vergleich der aktuellen Zahlen mit denen der Sterbetafel 2003/2005: Danach steigt die Lebenserwartung von Jungen um 13, die von Mädchen um neun Monate.

Auch für ältere Menschen steigt die Lebenserwartung um einen weiteren Monat: Demnach liegt die noch verbleibende Lebenserwartung von 60-jährigen Männern bei weiteren 21 Jahren. 60-jährige Frauen können, statistisch gesehen, noch 24 Jahre und zehn Monate leben. Jeder zweite Mann kann der Statistik zufolge mindestens 80 Jahre alt werden, jede zweite Frau erlebt demnach sogar ihren 85. Geburtstag. Zumindest ihren 60. Geburtstag feiern 89,2 Prozent der Männer und 94,1 Prozent der Frauen.

Dafür, dass die Unterschiede zwischen Männern und Frauen langsam geringer werden, hat von Renteln-Kruse folgende Erklärung: "Der Trend ist darauf zurückzuführen, dass die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Männern stärker sinkt als bei Frauen, weil Männer langsam gesünder leben. Hinzu kommt, dass immer mehr Frauen rauchen und damit einen biologischen Vorteil einbüßen. Denn Rauchen gehört zu den Hauptrisikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen."

Den Unterschied zwischen der Lebenserwartung der Neugeborenen und der heute 60-Jährigen erklärt die Statistikbehörde mit den Lebensrisiken, die auf die Jüngeren warten und die ihre Lebenserwartung verringern können. Dazu gehören zum Beispiel Verkehrsunfälle.

Seit dem 19. Jahrhundert hat sich die Lebenserwartung mehr als verdoppelt. Damals betrug den Angaben zufolge die durchschnittliche Lebenserwartung eines neugeborenen Jungen in der Berichtsperiode 1871/1881 nur 35 Jahre und sieben Monate. Bei neugeborenen Mädchen waren es durchschnittlich 38 Jahre und 5 Monate. Demnach hat sich die Lebenserwartung der Neugeborenen in den vergangenen etwa 130 Jahren mehr als verdoppelt. Dazu trug zunächst vor allem der Rückgang der Kindersterblichkeit bei. In den vergangenen Jahrzehnten ist auch die Sterblichkeit Älterer stark gesunken.

Die aktuellen Periodensterbetafeln der amtlichen Statistik basieren auf den Daten über die Gestorbenen und die Durchschnittsbevölkerung der vergangenen drei Jahre. Es handelt sich hierbei um eine Momentaufnahme der Sterblichkeitsverhältnisse der gesamten Bevölkerung für diesen Zeitraum.

Die fernere Lebenserwartung gibt an, wie viele weitere Lebensjahre Menschen eines bestimmten Alters nach den in der aktuellen Berichtsperiode - zum Beispiel 2007/2009 - geltenden Sterblichkeitsverhältnissen im Durchschnitt noch leben könnten. Eine Abschätzung der Entwicklung der Lebenserwartung in der Zukunft ist damit also nicht eingeschlossen.