Eine unbekannte Mikrobenart reinigt den Golf von Mexiko effektiver als gedacht, erfasst jedoch nicht alle Substanzen

Berkeley. Wenn eine Situation ausweglos erscheint, kommt eine gute Fee, und alles wird wieder gut. So etwas kommt gemeinhin nur im Märchen vor - aber im ölverschmutzten Golf von Mexiko scheint es eine solche Fee jetzt tatsächlich zu geben. Sie ist winzig klein: Eine bislang unbekannte Mikrobenart hat große Teile der Ölwolke abgebaut, die an der Leckage des BP-Bohrlochs ausgetreten war. Das berichten Wissenschaftler des Lawrence Berkeley National Laboratory (LBL) der Universität von Kalifornien.

"Die Anreicherung von Öl abbauenden Bakterien, die auch bei den kalten Tiefsee-Temperaturen arbeiten, ist offenbar ein wichtiger Mechanismus, der die starke Abnahme der Ölwolke erklärt", berichtet Terry Hazen, Leiter der Untersuchung, die das Wissenschaftsmagazin "Science" veröffentlicht hat. Im Rahmen ihres von BP finanzierten Projekts analysierten die Wissenschaftler mehr als 200 Proben, die sie bereits Ende Mai und Anfang Juni in gut 1000 Meter Tiefe der dort wabernden Ölwolke entnommen hatten. Sie fanden die winzigen Katastrophenhelfer in doppelter Anzahl als üblich. Dass die passenden Mikroben überhaupt vor Ort waren und sich aufgrund des guten Futterangebots deutlich vermehren konnten, liegt daran, dass es am Meeresboden im Golf von Mexiko natürliche Ölaustritte gibt und sich über Jahrtausende eine entsprechende Mikroben-Gemeinschaft entwickelt hat.

Die Mikroorganismen sind nicht nur zahlreich, sondern haben trotz kühler Temperaturen um fünf Grad Celsius durchaus Appetit - die idealen Temperaturen für den bakteriellen Ölabbau liegen bei 25 Grad. Weiterer Vorteil: Die LBL-Analysen zeigten, dass der Sauerstoffgehalt trotz des großen Fressens kaum abnahm. Generell brauchen Mikroben zum Ölabbau Sauerstoff. Deshalb entstehen infolge von Verschmutzungen leicht Sauerstofflöcher, die dann nicht nur die Mikroben ausbremsen, sondern auch ein Fischsterben auslösen können.

Die US-Forscher registrierten jedoch nur geringe Unterschiede: In der Ölwolke lag die Sauerstoffsättigung bei 59, außerhalb bei 67 Prozent. Eisenmangel könnte dazu geführt haben, dass sich die Mikroben nicht explosionsartig vermehren und folglich übermäßig viel Sauerstoff verbrauchen, lautet ihre These.

Offensichtlich dank dieser günstigen Bedingungen sei der Ölabbau weit unten im Meer schneller vonstatten gegangen als erwartet, betonen die Forscher. Ein weiterer Grund mag der Einsatz des Dispersionsmittels Corexit sein, das BP im Rahmen der Unfallbekämpfung in großen Mengen eingesetzt hat. Es zerlegte die Ölschwaden in kleinste Tröpfchen, die den Bakterien mehr Angriffsfläche bieten.

Zudem untersuchten die LBL-Wissenschaftler nur die Zersetzung der "leichten" Komponenten des Rohöls, der kurzkettigeren Kohlenwasserstoffe. Sie sind relativ ungiftig und von Natur aus gut abzubauen. Dr. Richard Seifert vom Institut für Biogeochemie und Meereschemie der Universität Hamburg vergleicht dies mit einem kalten Büfett: "Dort werden auch zunächst die besonders attraktiven Speisen gegessen. Die weniger interessanten bleiben länger liegen. Übertragen auf den bakteriellen Abbau sind dies die schwereren Bestandteile des Rohöls, speziell die aromatischen Verbindungen." Sie sind giftig und für die Mikroorganismen kaum verdaulich. Doch diese Substanzen wurden in der Studie gar nicht betrachtet.

Die große Frage bleibt also, was aus den aromatischen Verbindungen im Rohöl wird. Die natürlichen Ölaustritte im Golf von Mexiko enthalten sehr viele von ihnen, die Asphaltene. Und deren Schicksal verheißt nichts Gutes. Seifert: "Die Substanzen werden kaum abgebaut, sondern bilden dicke Asphaltschichten am Meeresboden."

Hier hat die US-Studie einen blinden Fleck. Vieles spricht dafür, dass auch die neuen Mikroben sich an die schwer abbaubaren Ölbestandteile kaum heranmachen werden. Gute Feen gibt es wahrscheinlich doch nur im Märchen.