Die Automaten nutzen fast perfekte Hände, helfen in Pflegeheimen und speichern ihr Wissen in Datenbanken

Oberpfaffenhofen. Sanft umschließt die rechte Hand eine Plastikdose, vorsichtig schrauben die Finger der linken den gelben Deckel ab. Dann tippt Justin mit dem Zeigefinger feinfühlig auf die gekippte Dose: Eistee-Granulat rieselt in ein Glas. Nun noch Wasser aufgießen, und fertig ist der Durstlöscher. Eine simple Handreichung, könnte man meinen. Doch Justin ist ein Roboter aus dem Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im bayerischen Oberpfaffenhofen. Seine Hände gehören zu den fortschrittlichsten Roboterhänden der Welt.

Sie können Wasser einschenken, zerbrechliche Gegenstände transportieren, aber auch zupacken und eine Obstkiste anheben. Entwickelt wurden die modernen Greifer von einem Team aus Elektronikern, Ingenieuren, Informatikern und Mechatronikern, die über Jahre aus einem ersten Prototypen eine kunstvolle Hand schufen. Dabei merkten die Forscher, wie komplex alltägliche Bewegungsabläufe sind.

"Die menschliche Hand ist für viele Aktivitäten in unserem Alltag einfach ideal", sagt Christoph Borst dem TÜV-Nord-Magazin "explore". Der Informatiker koordiniert das Roboterprojekt "Justin". "Weil der Daumen zu den anderen Fingern opponiert, kann man fest zugreifen. Gleichzeitig sind die Finger extrem beweglich." Eigenschaften, die auch ein Roboter braucht, wenn er Alltagsaufgaben übernehmen soll. Darum forschen Institute auf der ganzen Welt an Roboterhänden, die Kraft haben, aber auch sanft sein können.

Der erste Prototyp konnte noch keinen Hammer halten

1998 stellten die Entwickler vom DLR ihre erste Roboterhand vor. Sie hatte drei Finger mit jeweils drei Gliedern und einen zusätzlichen Daumen. Doch der Prototyp hatte Tücken: "Die Finger konnten noch nicht fest zugreifen, um etwa einen Hammer zu halten", sagt Borst. Der Daumen war nicht ausgereift, und autonom agieren konnte die Hand auch nicht. Also optimierten die Forscher ihr Modell. 2004 präsentierten sie die DLR-HIT-Hand. Auch dieses Modell hat drei Finger plus Daumen. Motoren und Elektronik sind in die Hand integriert, einzig aus dem Handgelenk ragen einige Kabel, die mit dem Roboter verbunden werden. Damit dieser weiß, was die Hand gerade tut, verfügt sie über Sensoren in jedem Gelenk. In den Fingerspitzen sind zudem Kontaktsensoren integriert. So kann der Roboter erkennen, mit welchem Druck er etwas festhalten muss. Auch optisch ähnelt das Modell einer menschlichen Hand: Am Handballen ist eine Lebenslinie eingezeichnet, die Finger schließen mit angedeuteten Fingernägeln ab.

Genau genommen ist jeder Finger ein eigenständiger Roboter

Für Christoph Borst ist eher die Technik entscheidend: "Im Grunde ist jeder Finger ein kleiner eigenständiger Roboter." 1000-mal in der Sekunde sendet jeder Finger Daten seiner Sensoren an einen Rechner, zeitgleich erhält er von diesem Informationen über die Umgebung, Gegenstände im Raum und die Distanz, welche die Arme schon zurückgelegt haben. So werden feinste Bewegungsnuancen möglich. Als Rechner reichen handelsübliche Computer. Das Modell wurde schon mehrmals an Forschungsinstitute aus dem In- und Ausland verkauft - für etwa 60 000 Euro pro Stück.

Inzwischen haben Borst und seine Kollegen eine Hand mit fünf Fingern entwickelt. Wie jedoch bringt man einem Roboter bei, eine Tasse zu greifen? "Eine Methode ist die gezielte Führung der Roboterhand", sagt Borst: Ein Mitarbeiter lenkt die Hand dorthin, wo sie etwas greifen soll, und formt die Finger in die gewünschte Position. Der Roboter speichert die Bewegung ab. Diese Methode eigne sich für die immer gleichen Arbeitsschritte in der Industrie, sei aber kaum alltagstauglich - eine Tasse, die nur ein wenig anders im Schrank steht als zuvor, würde den Automaten bereits große Probleme bereiten.

Der Roboter müsste selbstständig mit Kameras seine Umgebung wahrnehmen und erkennen, wie er die Tasse am besten greifen kann. Keine leichte Aufgabe. Aber auch daran forschen die Mitarbeiter des DLR bereits.

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Quelle: Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA