Mit modernster Technik erforschen Wissenschaftler die Gene der Mumie - und streiten über die Schlussfolgerungen

Hamburg. Was macht es so schwierig, die Todesursache von Tutanchamun festzustellen? Mit modernsten Methoden der Gentechnik und Radiologie erforschen Wissenschaftler seit Jahren die mumifizierten Überreste des berühmten ägyptischen Königs - und kommen doch zu keinem eindeutigen Ergebnis. Dafür ist jetzt ein Streit entbrannt, wie die jüngsten Forschungsergebnisse zu deuten seien.

Der Auseinandersetzung ging eine sensationelle Nachricht voraus: Im Februar hatte Dr. Zahi Hawass, Ägyptologe und Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung, verkündet, dass sein Team aus dem Mumiengewebe Genabschnitte isoliert und aus der DNA die Verwandtschaftsverhältnisse bestimmt habe. Demnach war Tutanchamuns Vater der fast ebenso berühmte Pharao Echnaton. Doch woran ist Tutanchamun gestorben? Die Forscher um Hawass wiesen auch spezifische Genabschnitte des Malariaparasiten Plasmodium falciparum nach. Aufnahmen einer Computertomografie zeigten außerdem Knochendefekte und zwei verkürzte Mittelfußknochen am linken Fuß. Er vermute deshalb eine Malaria in Kombination mit der Köhlerschen Knochenkrankheit als Todesursache, sagte Hawass.

Forscher des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNI) stellten diese These kürzlich infrage. Todesfälle durch Malaria träten meist im Kindesalter auf, Tutanchamun sei jedoch vermutlich erst mit 19 Jahren gestorben. Die Knochendefekte seien zwar mit der Köhlerschen Erkrankung vereinbar, jedoch ebenfalls typisch für die Sichelzellkrankheit. Bei der Sichelzellkrankheit nehmen die roten Blutzellen unter bestimmten Bedingungen eine Sichelform an und verschließen Blutgefäße. Dadurch können sie Organe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgen. Auch Knochen könne die Krankheit schädigen. Die Anlagen für diese Erbkrankheit seien in der Vergangenheit häufig in Malaria-Regionen aufgetreten - auch im alten Ägypten - und würden noch heute dort gefunden. Allerdings könne die Krankheit erst ausbrechen, wenn sie der Nachkomme von beiden Elternteilen geerbt habe. Eben dies ließen die Ergebnisse von Hawass vermuten. Die Hamburger Forscher schlagen deshalb weitere Tests vor: "Die Sichelzellkrankheit kann man mit dem vorhandenen DNA-Material vermutlich innerhalb eines Tages bestätigen oder ausschließen", sagt Dr. Christian Timman vom BNI.

Widerspruch kommt von dem Tübinger Molekulargenetiker Dr. Carsten Pusch, der am kommenden Sonntag einen Vortrag im Museum für Völkerkunde halten wird. Pusch war an den Forschungen von Zahi Hawass in den vergangenen drei Jahren maßgeblich beteiligt; er baute in Kairo zwei Labors auf - eines davon im Untergeschoss des Ägyptischen Museums -, in denen er Teile der Pharaonen-Mumie untersuchte. Die Analyse des Gewebes hätte keinerlei Hinweise auf eine Sichelzellanämie ergeben. Deshalb habe sein Team bei der Genanalyse gezielt nach anderen Krankheiten wie etwa Malaria gesucht. "Es könnte zwar durchaus sein, dass Tutanchamun auch an der Sichelzellkrankheit gelitten hat und vielleicht durch sie gestorben ist", sagte Pusch, aber: "Der gentechnische Nachweis ist sehr schwierig und würde viele Monate dauern."

Eine eintägige Diagnose, wie von BNI-Forscher Timmann behauptet, sei nur mit frischer, vollständig intakter DNA möglich. Die über 3000 Jahre alten DNA-Stränge aus der Pharaonenmumie hingegen lägen nur zerstückelt vor; die Basenpaare seien außerdem im Laufe der Jahrhunderte chemisch teilweise verändert worden. Christian Timmann vom BNI bleibt dabei: "Schon bei kurzen DNA-Strängen mit 300 Basenpaaren ist die Krankheit normalerweise nachweisbar."

Die Analyse der DNA ist längst nicht die einzige Schwierigkeit, um mögliche Todesursachen zu bestimmen. "Die Mumie von Tutanchamun ist relativ schlecht erhalten; außerdem fehlen die inneren Organe, die für eine Krankheitsbestimmung so wichtig wären", sagt Dr. Frank Rühli, Mediziner und Paläopathologe am Anatomischen Institut der Universität Zürich, der die Mumie 2005 per Computertomografie untersuchte. Erschwerend komme hinzu, dass es keinerlei wissenschaftliche Daten darüber gebe, in welchem Zustand das Gewebe der Mumie war, als der britische Archäologe Howard Carter sie 1922 im Tal der Könige entdeckte. Beispielsweise sei unklar, ob der Knochenbruch am linken Knie zu Lebzeiten des Pharaos entstand, später durch Grabräuber oder erst durch Carter und sein Team verursacht wurde. "Eine Röntgenaufnahme von 1922 würde uns sehr helfen." Die gibt es aber nicht. Zwar könnte man heute mithilfe von Computertomografie und Molekulargenetik "mit hoher Wahrscheinlichkeit" sagen, ob eine bestimmte Krankheit vorlag oder nicht, sagt Rühli. "Aber ob das die Todesursache war, werden wir wohl nie eindeutig klären."

Zum Thema "Tutanchamun und Familie - Leben und Leiden in der späten 18. Dynastie" hält Dr. Carsten Pusch am 4. Juli, 11 Uhr, einen Vortrag im Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64. Tickets unter: www.tut-ausstellung.com/vortraege.html