Hamburger Forscher fahnden nach Anteilen von Tropenhölzern in Papier, um weltweit Betrüger überführen zu können.

Hamburg. Um die einzigartigen Merkmale einer Holzart zu entdecken, muss Stephanie Helmling ihre Proben auflösen. Dazu gibt sie ein fingernagelgroßes Stück Holz in eine Flüssigkeit aus Essigsäure und Wasserstoffperoxid. Stunden später ist aus dem Klötzchen eine milchige Lösung geworden, in der die einzelnen Zelltypen schwimmen. Einige davon färbt Helmling an und analysiert sie mit einem Elektronenmikroskop. Bei bis zu 8000-facher Vergrößerung sieht die 30-jährige Forscherin dann genau, wie sich etwa die Gefäße der Tropenholzart Meranti von jenen der Art Nyatho unterscheiden. Die Aufnahmen, die dabei entstehen, dienen als Referenzen. Sie werden einen Faser-Atlas füllen, der künftig weltweit Forschungsinstituten und Laboren dabei helfen soll, Tropenhölzer in Papier nachzuweisen.

Helmling arbeitet als Doktorandin am Institut für Holzbiologie in Bergedorf, das zum Von-Thünen-Institut gehört. Die Hamburger sind international bekannt für ihre Expertise; Helmlings Chef, der Holzbiologe Dr. Gerald Koch, ist ein gefragter Gutachter, den der Zoll und Unternehmen zu Rate ziehen, wenn ein Verdacht auf falsch deklariertes Holz besteht. Das neue Forschungsprojekt ist jedoch zu umfangreich, als dass es ein Institut alleine in kurzer Zeit bewältigen könnte, deshalb engagieren sich auch Wissenschaftler der Uni Hamburg, aus Darmstadt und Aschaffenburg bei den Untersuchungen, die von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt finanziert werden. Es wird höchste Zeit für derartige Nachweismethoden, denn weltweit schrumpfen die Tropenwälder. Zumindest die westlichen Industrieländer sind sich einig, auch legal geschlagene Tropenhölzer nicht zu importieren; die Einfuhr illegal geschlagener Hölzer ist ohnehin verboten.

Bei Produkten aus Massivholz und Furnierholz kann Gerald Koch schon seit Jahren bestimmen, ob darin Tropenholz enthalten ist. Soll er etwa einen Bilderrahmen überprüfen, entnimmt er eine Probe und schneidet sie im Labor in millimeterdünne Scheiben. Dann zieht er die Holzsammlung des Instituts zurate, Xylothek genannt: Sie umfasst 50 000 mikroskopische Präparate von etwa 10 000 Holzarten (insgesamt gibt es weltweit schätzungsweise 30 000 Holzarten). Die Präparate dienen Koch als Referenzmaterial, um sie mit der Probe abzugleichen. Auf diese Weise kann er zweifelsfrei bestimmen, ob er etwa echtes Mahagoni, Palisander oder Alerce-Holz in den Händen hält.

Damit ist aber nicht klar, woher das Holz stammt. Deshalb arbeitet ein anderes Forscherteam um Dr. Bernd Degen vom Institut für Forstgenetik daran, anhand von genetischen Merkmalen nachzuweisen, wo Tropenhölzer eingeschlagen wurden - und ob dies illegal geschah. Auf die Herkunft kommt es an, weil einige Tropenholzarten in bestimmten Regionen eingeschlagen werden dürfen, in anderen aber nicht.

Bei Papier hingegen, einem Rohstoff, von dem pro Jahr 400 Millionen Tonnen produziert werden, ist bisher nicht einmal nachweisbar, obes überhaupt Tropenholz enthält. Der Grund: Bei der Herstellung von Papier werden aus den Holzfasern die Lignine herausgekocht, Moleküle, die für die Verholzung sorgen. Dadurch wird das Zellgefüge zerstört. Die Fasern und die Gefäße bleiben allerdings weitgehend erhalten.

Bisher gab es aber für Tropenhölzer keine standardisierte Methode, um diese feinen Strukturen zu analysieren, und keine Datenbank, in der die einzigartigen Merkmale bestimmter Arten erfasst wurden. Das soll sich durch das neue Forschungsprojekt ändern. Dabei konzentrieren sich die Wissenschaftler auf die 25 wichtigsten Tropenholzarten aus Südostasien. "Denn dort liegen die größten Produktionsstätten für das global gehandelte Papier", erläutert Gerald Koch. Und wenn die Papierhersteller dort Tropenholz verarbeiteten, dann hauptsächlich Arten aus Südostasien.

Die einzigartigen Merkmale der 25 Tropenholzarten in einem Atlas aufzulisten ist der erste Schritt. Parallel stellen Forscher des Instituts für Holzchemie aus den Proben Papier her, wobei sie die Tropenholzfasern mit Fasern anderer Arten vermischen, wie es gängige Praxis ist. Das so produzierte Papier wird Stephanie Helmling auflösen und dann überprüfen, ob sie darin die spezifischen Merkmale der einzelnen Tropenholzarten wiederfindet.

Bis 2013 wollen die Hamburger die 25 Arten in Papier nachweisen können. Allerdings werden sie prinzipiell nicht zeigen können, ob enthaltenes Tropenholz illegal eingeschlagen wurde, denn dazu bräuchten sie genetische Informationen, die Rückschlüsse zulassen, wo der Baum gewachsen ist. Diese Informationen werden aber beim Kochen der Holzfaser zerstört. Dass illegales Tropenholz in Papier verarbeitet wird, zeigt folgender Fall: Auf einem Lagerplatz von Asiens größtem Papierproduzenten APP sammelten Greenpeace-Mitarbeiter Holzschnitzel, die sie Gerald Koch und seinem Team übergaben. Das Ergebnis: Die Proben enthielten Spuren von Ramin, einer Tropenholzart, die durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt ist.

Doch auch wenn sie künftig auf legal eingeschlagenes Tropenholz in Papier stießen, würde sich dadurch der Druck auf die Importeure erhöhen, hofft Gerald Koch. Diese wiederum würden Druck auf die Produzenten in Südostasien ausüben, kein Tropenholz mehr zu verwenden. Was die neuen Methoden tatsächlich bewirken werden, muss sich noch zeigen. Zwar besagt die EU-Holzhandelsverordnung, die ab März 2013 gelten wird, dass Unternehmen "alle gebotene Sorgfalt walten lassen" sollen, damit kein illegal geschlagenes Holz in den Handel gelangt. Ob sie das tatsächlich tun, wird die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung kontrollieren - aber nur anhand von Dokumenten. Erst bei Verdachtsfällen könnten Forscher wie Koch und Helmling aktiv werden - und wenn Unternehmen freiwillig an sie herantreten, um ihr Papier testen zu lassen.