Naturschützer sehen großen Rückschritt in der Umweltpolitik, Landwirte verteidigen die Novelle mit der Aussicht auf höhere Lebensmittelproduktion.

Porto Alegre. Nach einem Jahr hitziger Debatten hat Brasiliens Parlament am Mittwoch (Ortszeit) ein umstrittenes Waldgesetz beschlossen, das die Richtlinien für den Urwaldschutz lockert. Mit 274 gegen 189 Stimmen billigten die Abgeordneten die Novelle wie die Tageszeitung „Folha de São Paulo“ auf ihrer Internetseite berichtete. Damit musste die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff eine herbe Niederlage gegen die mächtige Agrarlobby einstecken. Ihr bleibt noch die Möglichkeit eines Vetos. Der Senat hatte das Gesetz bereits im Dezember gebilligt.

Die Großfarmer verteidigen die Novelle mit dem Hinweis auf eine höhere Lebensmittelproduktion. Naturschützer sehen darin jedoch einen herben Rückschritt in der Umweltpolitik. Das Gesetz regelt unter anderem, wie viel Wald Farmer auf ihren Ländereien erhalten oder wieder aufforsten müssen. Zudem sieht es Straffreiheit für jene Landbesitzer vor, die bis Juli 2008 die vorgeschriebenen Schutzgebiete zerstört haben. Größere Grundstücke müssten allerdings teilweise wieder aufgeforstet werden.

Im Amazonas-Bundesstaat Amapá, der an Französisch-Guayana grenzt, droht damit die ganz legale Vernichtung von 8.000 Quadratkilometern Urwald. Weil über 65 Prozent der Staatsfläche aus Parks und Indianergebieten bestehen, sollen auf Privatarealen nur noch 50 Prozent geschützt werden, im übrigen Amazonien sind es 80 Prozent.

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Die Aussicht auf das neue Waldgesetz hat die Vernichtung bereits in den vergangenen Monaten wieder beschleunigt. Von Januar bis März wurde nach Angaben des brasilianischen Instituts für Raumforschung drei Mal so viel abgeholzt worden wie im Vorjahr.

Greenpeace appellierte an Rousseff, ihr Veto einzulegen, wie der britische Sender BBC berichtete. „Es ist unglaublich, dass das Waldgesetz ausgehöhlt wird, nur Wochen bevor Brasilien den Rio-Gipfel zu nachhaltiger Entwicklung ausrichtet.“ Die weltweit größte Umweltkonferenz findet Anfang Juni statt. Nach dem Willen der Regierung sollte die Parlamentsabstimmung zunächst erst nach dem Gipfel stattfinden, doch die Agrarindustrie drängte zu einer baldigen Entscheidung.

Als Erfolg der Regierung gilt, dass das Gesetz den Schutz von Ufern kleiner Flüsse in einem Streifen von 15 Metern vorsieht. Dieser Passus war auf Druck der Agrarlobby zeitweise gestrichen worden.