Amazons Kindle Touch speichert bis zu 3000 Bücher und wiegt gerade einmal 200 Gramm. Das Abendblatt hat das neue Lesegerät getestet.

Hamburg. Der Geruch bedruckter Seiten, das mal raue, mal glatte Papier, das Rascheln beim Umblättern - passionierte Leser können sich schwer vorstellen, auf all das zu verzichten. In der Buchbranche findet sich allerdings kaum noch jemand, der am langfristigen Erfolg elektronischer Bücher, sogenannter E-Books, zweifelt. Zu verführerisch ist die Aussicht, überall und jederzeit Zugriff auf ganze Bibliotheken zu haben und neue Titel mit wenigen Klicks aus dem Internet zu laden.

Ein Jahr nach dem Deutschlandstart seines Lesegeräts Kindle und dem dazugehörigen Shop bringt der Online-Händler Amazon nun den Kindle Touch auf den Markt. Die wichtigste Neuerung ist der berührungsempfindliche Bildschirm, der die Bedienung intuitiver machen soll. Die Auswahl an deutschsprachigen Büchern hat sich mittlerweile vervierfacht. Von den 1,2 Millionen E-Books, die Amazon anbietet, sind nach Auskunft des Unternehmens 103 000 in deutscher Sprache.

Der Kindle Touch wiegt gerade einmal 200 Gramm und liegt deshalb leicht in der Hand. Mit seinen Maßen von 172 x 120 x 10,1 Millimetern passt er wohl auch in die meisten Jackentaschen. Die Darstellung lässt sich manuell auf horizontal oder vertikal umstellen - automatisch erkennt der Kindle die Position des Bildschirms nicht. Auf den internen Speicher passen rund 3000 Bücher. Ein Buch kommt innerhalb von Sekunden über WLAN oder das mobile Internet aufs Gerät, in der Regel zehn bis 20 Prozent billiger als die gedruckten Ausgaben. Mehrere Tausend deutsche Klassiker gibt es nach Angaben von Amazon kostenlos zum Download.

Die WLAN-Variante kostet 129 Euro; 60 Euro Aufpreis muss man für die Mobilfunk-Version bezahlen, mit der man unterwegs auch ohne Hotspot ins Netz gehen kann. Dazu ist kein Vertrag nötig, die Datenübertragung geht auf Amazons Kosten. Der integrierte Akku hält bis zu 30 Stunden ohne Aufladen durch - genug für einige Leseabende. Wem Lesen nicht genügt, der kann sich per Kopfhörer mit MP3-Musik berieseln lassen. Diese lädt man per USB-Kabel vom PC in den Speicher des Geräts. Eigene Manuskripte kann man in einem von Amazon bereitgestellten Online-Speicher ablegen, der dem persönlichen Kindle-Konto zugeordnet ist.

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Die Steuerung per Touchscreen wirkt im Vergleich zur aktuellen Tablet-PC-Generation etwas träge. Mit einem Fingertipp auf eine Seite blättert man vor, mit einer Berührung des linken Displayrandes eine Seite zurück. Die Schriftgröße lässt sich ebenfalls manuell anpassen. Einzelne Worte oder ganze Absätze können mit dem Finger markiert werden. Lässt man diesen etwas verweilen, öffnet sich ein Menü, über das man Begriffe in einem der integrierten Wörterbücher nachschlagen oder eigene Notizen eingeben kann.

Das Lesen mit dem Kindle Touch ist erheblich angenehmer als mit LCD-Monitoren, wie sie bei Tablet-PC und Notebooks zum Einsatz kommen. Den Unterschied macht die elektronische Tinte, E-Ink genannt. Dabei handelt es sich um Mikrokapseln, die positiv geladene weiße und negativ geladene schwarze Partikel enthalten. Ihre Ausrichtung lässt sich durch Anlegen einer elektronischen Spannung verändern. Die so aufgebauten Seiten sind matt und reflektieren Licht wie Papier; eine Hintergrundbeleuchtung ist nicht nötig.

Texte lassen sich damit sogar in der Sonne mühelos lesen. Auch wenn eine Seite auf dem Kindle-Display im Vergleich zu konventionellen Buchseiten etwas grau wirkt, ist die Schrift gestochen scharf, und sie kann aus jedem Blickwinkel gelesen werden. Die E-Ink-Technik ist allerdings nicht allein beim Kindle Touch verbaut, auch Konkurrent Thalia bietet ein solches Gerät an. Gewöhnungsbedürftig ist der Schriftaufbau beim Umblättern. Das Umschalten der Mikrokapseln dauert zwar nur Sekundenbruchteile, wird vom iPad-verwöhnten Auge aber als leichtes Flackern wahrgenommen.

Der Gesellschaft für Konsumforschung zufolge haben die Deutschen im vergangenen Jahr 4,7 Millionen Bücher kostenpflichtig aus dem Internet heruntergeladen. Insgesamt liegt der Marktanteil jedoch nur bei etwas über einem Prozent. Die Lust der Deutschen auf frisch Gedrucktes ist ungebrochen. 84 351 Neuerscheinungen kamen laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels 2010 gedruckt in deutscher Erstauflage auf den Markt, der Umsatz erreichte mit 9,73 Milliarden Euro eine neue Höchstmarke. Von einem Rückgang der Buchproduktion könne keine Rede sein, sagt Börsenverein-Sprecherin Claudia Paul. "E-Books sind eine Weiterentwicklung. Es gibt Bücher jetzt eben nicht nur gedruckt, sondern auch in elektronischer Form."