Überflutungsschäden ließen sich um bis zu 40 Prozent verringern, haben Forscher der HafenCity-Universität am Beispiel der Wandse errechnet.

Hamburg. Autos blieben stecken, die U-Bahn fiel aus, Gullydeckel schwammen weg - das Unwetter, das am 6. Juni 2011 über Hamburg zog, versetzte weite Teile der Stadt ins Chaos. Teilweise regnete es 80 Liter pro Quadratmeter; manche Straßen standen knietief unter Wasser, Keller, Wohnungen und Bürogebäude liefen voll. Ein Schauer dieser Art war bisher die Ausnahme, doch das könnte sich infolge des Klimawandels ändern, prophezeiten Forscher vor wenigen Wochen auf dem Extremwetterwetterkongress: Künftig wird wohl häufiger Starkregen auf die Stadt niedergehen, die - siehe 2011 - bisher nur bedingt vorbereitet ist.

Forscher der HafenCity-Universität haben in einer neuen Studie am Beispiel der Wandse, eines städtischen Flusses, untersucht, wie sich Überflutungsschäden verhindern ließen. Das Ergebnis: Durch ein Bündel von Maßnahmen, die mit "verhältnismäßigem Aufwand" innerhalb von 50 bis 100 Jahren umsetzbar wären, ließen sich Überschwemmungen durch Hochwasser um mindestens zehn bis 20 Prozent verringern; je nach Abschnitt des Flusses wäre sogar eine Verringerung um bis zu 40 Prozent möglich. "Es gibt wirksame Instrumente, die wir nun auch einsetzen sollten", sagt der Leiter der Studie, Prof. Wolfgang Dickhaut.

Hintergrund ist eine Richtlinie der EU, die alle Mitgliedsländer dazu verpflichtet, ihren Hochwasserschutz im Sieben-Jahres-Turnus zu überprüfen. Weil die EU wissen möchte, welche Maßnahmen am besten geeignet sind, fördert sie Forschungsprojekte, die das untersuchen sollen. Zu diesen gehört das sogenannte SAWA-Projekt, in dem sich neben der HafenCity-Universität die Technische Universität Harburg und der Landesbetrieb für Straßen, Brücken und Gewässer engagieren. Im Fokus steht zunächst die Wandse. Die Erkenntnisse könnten zur Blaupause werden für den Hochwasserschutz an vielen Stellen Hamburgs.

Der Fluss entspringt nordöstlich von Hamburg nahe der Ortschaft Siek im Kreis Stormarn, fließt von dort etwa 20 Kilometer durch das Naturschutzgebiet Höltigbaum, durch die Bezirke Wandsbek und Hamburg-Mitte bis in die Alster. All seine Nebenflüsse sowie die Berner Au eingerechnet, erstreckt sich das Gewässernetz der Wandse über 80 Kilometer. Das Landschaftsbild variiert: An einigen Nebenflüssen dominieren Wälder, Wiesen und Felder; je näher es auf Hamburgs Stadtzentrum zugeht, desto dichter wird die Bebauung. Man könnte vermuten, dass Hochwasserschutz vor allem in den weniger besiedelten Streckenabschnitten leicht umsetzbar wäre. Tatsächlich gibt es offenbar auch im Stadtzentrum großes Potenzial. "Wir waren überrascht, dass Schutzmaßnahmen im dicht besiedelten Hamburg auf insgesamt einem Viertel des Gewässernetzes möglich wären", sagt Tobias Ernst, wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem Projekt.

Neubauten entsprechend zu planen sei vergleichsweise leicht, sagt Studienleiter Wolfgang Dickhaut. "Die Kunst wird in den nächsten Jahren sein, bereits bestehende Areale umzubauen." Welche Maßnahmen könnten entlang der Wandse künftig vor Überschwemmungen schützen?

Erstens lässt sich der Fluss den Forschern zufolge an vielen Stellen umweltschonend breiter machen. Dadurch würde sich das Wasservolumen, das die Wandse mit sich führen kann, ohne über die Ufer zu treten, erhöhen.

Zweitens könnte man in den vorhandenen Staubereichen - dazu zählen Parkteiche, ehemalige Mühlenteiche und Hochwasserrückhaltebecken - den Wasserpegel dauerhaft senken und dadurch ebenfalls mehr Volumen schaffen, um Regenwasser aufzunehmen. Das wäre relativ einfach zu bewerkstelligen, indem Auslaufbauwerke, die den Übergang zwischen Teichen und Wandse bilden, abgesenkt werden. Vielerorts ist geplant, an diesen Stellen Umgehungsrinnen einzurichten, um Fischen ihre Wanderungen zu erleichtern. Im Rahmen solcher Umbauten sollte der Hochwasserschutz gleich mitverbessert werden, raten die Forscher.

Drittens könnte man aufgefangenes Regenwasser in Mulden leiten. Sofern es sich um sandigen Boden handelt, würde das Wasser in solchen Mulden ohne Weiteres schnell versickern; bei stark lehmhaltigem Böden, in denen Wasser nur langsam versickert, müsste man in die Mulden spezielle Versickerungskästen einbauen. Die Mulden wäre Wolfgang Dickhaut zufolge auf öffentlichen und privaten Flächen sinnvoll, allerdings müssten Eigentümer ihre Erlaubnis geben. Offen ist, wer die Kosten tragen würde.

An welchen Stellen die empfohlenen Maßnahmen umgesetzt werden könnten, klären derzeit Mitarbeiter des RISA-Projekts, das von der Hamburger Umweltbehörde und den Hamburger Wasserwerken betrieben wird.