Therapie von Pädophilen soll Übergriffe auf Kinder verhindern. An der Berliner Charité gibt es mit dem Projekt schon positive Erfahrungen.

Hamburg. "Kein Täter werden" - das ist das Ziel des gleichnamigen bundesweiten Netzwerks, das Männern mit pädophilen Neigungen eine Therapie anbietet, um sexuelle Übergriffe auf Kinder zu verhindern. In Hamburg wurde am Mittwoch das sechste Teilprojekt des Netzwerks mit dem Titel "Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs in Hamburg" eröffnet. Gestartet wurde das Netzwerk mit dem ersten Projekt 2005 an der Berliner Charité.

Um solche Taten verhindern zu können, brauche man Wissen über die Täter, sagte Prof. Klaus Beier, Sprecher des Netzwerks, bei der Vorstellung des neuen Projekts am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE).

Bei den Menschen, die solche Taten begehen, gibt es zwei Gruppen: 40 Prozent seien Menschen, die eine sogenannte Präferenzstörung wie die Pädophile aufweisen, sagte Beier. Die anderen 60 Prozent seien zum Beispiel Menschen mit Persönlichkeitsstörungen oder solche, die allgemein grenzverletzendes Verhalten zeigten.

Bei diesen Tätern ist die Rückfallgefahr erheblich niedriger als bei denen mit einer Präferenzstörung. "Letztere Gruppe müssen wir präventiv erreichen", sagte Beier. Das sei auch deswegen möglich, weil es bei ihnen oft einen langen Vorlauf von Fantasien gebe, bevor es zu Taten komme. "Pädophilie zieht sich durch alle sozialen Schichten, vom Arzt bis zum Schichtarbeiter", sagte der Experte. Die Zahl der Männer mit einer pädophilen Neigung wird in Deutschland auf 250 000 geschätzt.

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In Berlin dauert die Behandlung ein Jahr und besteht aus Gruppen- oder Einzelgesprächen. Ein Fünftel der Männer nimmt Medikamente, um ihre sexuellen Impulse zu unterdrücken. "Wir haben zeigen können, dass wir mit unserer Therapie die Risikofaktoren beeinflussen können", so Beier. So orientieren sich die therapeutischen Ansätze an Bereichen, die in der Forschung als entscheidend für die Verhinderung von Sexualstraftaten erkannt wurden. Dazu zählen zum Beispiel "die Übernahme von Verantwortung für das eigene Verhalten, die Erhöhung der Fähigkeit zur Kontrolle der sexuellen Impulse über die Bewältigung von Gefühlen und Problemen, die Verbesserungsfähigkeit der Beziehungsfähigkeit sowie das Erkennen und Bewältigen von Risikosituationen". Die große Zahl der Anfragen in Berlin aus dem gesamten Bundesgebiet habe den enormen Bedarf an solchen Einrichtungen gezeigt. "Ich würde mir diese Einrichtungen für jedes Bundesland wünschen", sagte Beier.

Auch in Hamburg gibt es bereits die ersten Anfragen: "Wir können sofort mit der Diagnostik starten", sagte Prof. Peer Briken, Leiter des Projekts und Direktor des Instituts für Sexualforschung und forensische Psychiatrie am UKE. Dabei unterscheiden die Mediziner genau genommen zwischen zwei Formen. Als Pädophilie bezeichnen sie eine sexuelle Erregbarkeit durch Kinder, die sich noch nicht in der Pubertät befinden. Von einer Hebephilie sprechen Experten, wenn diese Erregbarkeit durch Kinder und Jugendliche ausgelöst wird, die bereits erste Merkmale der Pubertät zeigen. Die Diagnose einer solchen Störung wird nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Betroffenen gestellt, das durch Fragebögen und Tests ergänzt wird. Die Kriterien für die Diagnose sind in international anerkannten Leitlinien festgelegt. Als Ursache für die Pädophilie werden mehrere Möglichkeiten diskutiert. Dazu zählen hormonelle Störungen, Beziehungsstörungen in der frühen Kindheit und eigene sexuelle Missbrauchserfahrungen.

Um die Problematik der Pädophilie in der breiten Öffentlichkeit in Hamburg bekannt zu machen und Betroffene über die vorbeugende Therapiemöglichkeit zu informieren, wird das neue Projekt von einer Aufklärungskampagne begleitet. Unter dem Motto: "Damit aus Fantasien keine Taten werden" werden im Sommer in Hamburg Plakate aufgehängt.

Interessenten, die das neue Therapieangebot in Anspruch nehmen wollen, können sich in der Präventionsambulanz des Instituts für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie des UKE informieren: Tel. 0152 2281 6628 oder per E-Mail: praevention@uke.de .