Bio oder konventionell, alte Rasse oder Massentier: Unterschiede bei Schweinefleisch sind groß. Ein Vergleichstest zeigt es Ihnen.

Trenthorst. Schwein ist nicht gleich Schwein. Neben der Einheitsrasse Deutsches veredeltes Landschwein und ein, zwei weiteren Hochleistungsrassen haben Landwirte und Gastronomen alte Landrassen wie das Angler Sattelschwein neu entdeckt und vermarkten sie als Spezialität. Biobauern wiederum gönnen ihren Tieren mehr Platz und halten sie artgerechter. Doch lassen sich die Unterschiede auch schmecken? Dieser Frage gingen 50 Testesser im Herrenhaus des Instituts für Ökologischen Landbau in Trenthorst vor den Toren Lübecks nach.

Die Testesser sind Mitglieder in zwei Vereinen, die Wert auf gutes Essen legen: dem Förderverein des Versuchsguts in Trenthorst und der Organisation Slow Food. Auch der Vorfahr der Hausschweine, das Wildschwein, fand sich auf den Tellern wieder. Fast alle Verkoster erkannten den wilden Verwandten beim Blindtest und lobten das gute Aroma seines auffällig dunklen Fleisches, das zwar zart, aber sehr trocken daherkommt. Mit ihm begann rund 8500 v. Chr. die Domestikation des Schweins, wohl an mehreren Orten der Welt zugleich. Heute bevölkern rund 800 Millionen Hausschweine den Globus, davon fast 500 Millionen in Asien. Rang zwei belegt Europa mit gut 150 Millionen Tieren. Allein 27 418 200 Exemplare zählte 2011 der deutsche Schweinebestand.

Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts ähnelten die Hausschweine ihren wilden Vorfahren. Sie hatten lange Beine, borstiges Fell und wuchsen langsam. Mit Einsetzen der industriellen Revolution nahmen die Ernteerträge und damit das verfügbare Futter für die Tiere zu. Parallel kletterte die Fleischnachfrage, und so wurden zunächst in England leistungsfähigere Rassen mit starkem Fettansatz gezüchtet, die innerhalb kürzerer Zeit Gewicht zulegen.

Die englischen Neuzüchtungen wurden ab 1860 vermehrt importiert und mit deutschen Rassen gekreuzt. Aus ihnen entstand eine Vielzahl von Landrassen, darunter das Angler Sattelschwein. Es hatte seine Heimat zwischen Eckernförde und Flensburg. Doch es bekam in den folgenden Jahrzehnten eine starke, sehr viel magere Konkurrenz, das Deutsche veredelte Landschwein (DvL). "1950 waren das veredelte Landschwein mit einem Anteil von 66,4 Prozent, das Angler Sattelschwein mit 13,3 und das Schwäbisch-Hällische Schwein mit 9,8 Prozent die Trendsetter der Schweinezucht", sagt Dr. Friedrich Weißmann, Spezialist für Tierproduktion im Institut für Ökologischen Landbau, das zum bundeseigenen Von-Thünen-Institut gehört.

Doch die Verbraucher bevorzugten mehr und mehr mageres Fleisch. Folge: Schon Ende der 1960er-Jahre dominierte das DvL mit einem Anteil von 95 Prozent. Das Angler Sattelschwein überlebte als Rasse nur, weil mancher Landwirt sich von den Tieren nicht trennen mochte. Ähnlich erging es anderen regionaltypischen Landrassen.

Erst nach dem Ende der DDR seien die alten Rassen neu belebt worden, sagt Klaus Franzen von der Hamburger Ortsgruppe von Slow Food. Franzen bezeichnet das Sattelschwein und auch das fast ausgestorbene Schwäbisch-Hällische Schwein als Wendegewinnler: "Von beiden Rassen gab es Reservebestände in der ehemaligen DDR, ohne die die geringen westdeutschen Restbestände kaum überlebensfähig gewesen wären." Genetisch angereichert durch die ostdeutsche Verwandtschaft, erleben beide Rassen nun ein Comeback. Durch Einkreuzung in die hochgezüchteten Hybridrassen könnten sie zudem dazu beitragen, dass die "Industrieschweine" wieder etwas robuster werden. Beim Blindtest konnte das Angler Sattelschwein seine kulinarischen Vorteile (Franzen: "Sie können es ohne zusätzliches Fett braten") allerdings nicht ausspielen und sich nicht merklich vom Industrieschwein absetzen.

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Wohl aber beim Bauern. Angler Sattelschweine sind ideales Ökovieh, denn sie sind gute Futterverwerter, nahezu unverwüstlich und können in Hütten auf der Weide gehalten werden. Anders die Hochleistungsrassen: Sie sind sehr stressanfällig und haben leicht mit Herz-Kreislauf-Problemen zu kämpfen. Weißmann bezeichnet das heutige Mastschwein als "Modellathlet der Superklasse". Während ein Hausschwein um 1800 noch drei Jahre brauchte, um auf ein Schlachtgewicht von 40 Kilogramm (kg) heranzuwachsen, brachten es die deutsch-englischen Schweine um 1900 bereits in elf Monaten auf 100 kg. Das Turboschwein von heute reißt in sechs Monaten die 110-Kilo-Marke. Zudem reduzierte sich im Laufe der Zeit der Fettgehalt - das ursprüngliche Verhältnis von drei Teilen Fett zu einem Teil Fleisch kehrte sich um.

So viel Muskelzuwachs schlägt den Modellathleten aufs Herz. Weißmann: "Schweine sind für eine solche Höchstleistung denkbar schlecht gerüstet, denn sie haben ein verhältnismäßig kleines Herz. Sein Gewicht beträgt nur 0,3 Prozent der Körpermasse. Bei einem Menschen sind es 0,8, bei einem durchtrainierten Biathleten sogar gut ein Prozent." Neben dem Herz-Kreislauf-System leidet auch die Fleischqualität durch das rasante Muskelwachstum. Spezialisten sprechen von PSE-Fleisch: pale (blass), soft (weich) und exudative (wässrig).

Auf dem Trenthorster Versuchsgut leben Hochleistungsschweine unter ökologischen Bedingungen. Die Bio-Tiere haben Auslauf ins Freie (gesetzliche Ausnahme nur zum Ende der Mastzeit), sie bekommen mehr Platz, eingestreute Liegeflächen, Beschäftigungs- und Wühlmöglichkeiten sowie fast ausschließlich hofeigenes Futter. Trotzdem wachsen die Tiere fast so schnell wie die Artgenossen aus der Intensivhaltung. Einige Schweine dürfen länger leben und im Rahmen eines EU-Forschungsprojekts zu XXL-Schweinen heranwachsen - auf 165 Kilogramm. Durch das weniger energiereiche Futter und weil bei den Tieren in der Mast zunächst der Protein- und erst später der Fettansatz überwiegt, ist das Fleisch von Bio- und erst recht von XXL-Bio-Schweinen relativ fettreich.

Fett ist ein wichtiger Geschmacksträger, doch Weißmann warnt vor dem schnellen Urteil "Bio schmeckt grundsätzlich besser": "Fleisch aus konventioneller und ökologischer Haltung ist geschmacklich nicht immer zu unterscheiden." Beim Testessen erntete er für diese Aussage einige erstaunte Gesichter. Tatsächlich zeigte die abschließende Auswertung, dass im konkreten Fall viele Teilnehmer das besonders magere, aber auch relativ feste, trockene und sehr helle Fleisch des konventionell gemästeten Schweins erkannten und es mit der schlechtesten Benotung bestraften.

Eine wissenschaftlich belastbare Aussage zur unterschiedlichen Gaumenfreude der verschiedenen Fleischherkünfte ließ sich aus der Verkostung nicht ableiten. Nur so viel: Die beiden Extreme, das Fleisch vom Wildschwein und das vom konventionell gehaltenen Industrieschwein, waren von vielen Teilnehmern erkannt worden. Über die anderen Varianten entscheidet neben der Zunge auch die ethische Frage, was einem Tier in der Mast höchstens zugemutet werden darf, damit es noch mit Genuss zu verspeisen ist.