Eine Studie mit dem Agaplesion-Diakonieklinikum Hamburg klärt, ob Patientinnen ab 70 auf eine Nachbestrahlung verzichten können.

Hamburg. Schon die Diagnose ist ein Schock. Und gleich danach stellen sich Frauen, die an Brustkrebs erkranken, die bange Frage: Was kommt jetzt auf mich zu? Muss die erkrankte Brust entfernt werden? Brauche ich eine Chemo- und eine Strahlentherapie? Die Therapien sind in den vergangenen Jahren sehr viel schonender geworden. Jetzt wird in einer neuen Studie auch geprüft, ob in bestimmten Fällen eine einmalige intraoperative Bestrahlung eine siebenwöchige Nachbestrahlung komplett ersetzen kann.

"75 Prozent der Frauen können heute brusterhaltend operiert werden", sagt Prof. Christoph Lindner, Leiter des Brustzentrums am Agaplesion-Diakonieklinikum Hamburg, das an der neuen Studie beteiligt ist. Allerdings brauchen diese Patientinnen nach der Operation eine Strahlentherapie, um nicht sichtbare Krebszellen in der operierten Brust abzutöten. "Wenn man darauf verzichten würde, läge die Rückfallquote in derselben Brust in einem Zeitraum von zehn bis 15 Jahren bei etwa 30-40 Prozent. Mit der Nachbestrahlung beträgt das Risiko in den folgenden zehn Jahren nach der OP nur noch fünf bis sieben Prozent", sagt Lindner.

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In der deutschlandweiten Studie, die von der Universität Mannheim geleitet wird, soll jetzt untersucht werden, ob bei älteren Frauen eine einmalige intraoperative Strahlentherapie ausreichend ist. Bislang wurde diese Methode immer nur in Kombination mit einer Nachbestrahlung eingesetzt. So konnte diese um eine Woche verkürzt werden, wenn bei den Patientinnen eine intraoperative Strahlentherapie durchgeführt worden war.

Bei dieser noch relativ neuen Form der Strahlentherapie wird während der Operation gleich nach Entfernen des Tumors eine 2,5 bis fünf Zentimeter große Kunststoffkugel in die Wundhöhle eingeführt und dann an ein Bestrahlungsgerät angeschlossen. "Die Kugel sorgt für die gleichmäßige Verteilung der Strahlendosis. Die Dosis liegt bei 20 Gray. Im Vergleich dazu liegt die Dosis bei einer herkömmlichen siebenwöchigen Strahlentherapie bei etwa zwei Gray am Tag", erklärt der Privatdozent Dr. Florian Würschmidt, der als Strahlentherapeut an der Studie teilnimmt. Die Strahlentherapie dauert 20 bis 30 Minuten. Während dieser Zeit verlässt das OP-Personal zum Schutz vor den Strahlen den Raum. Die Narkose der Patientin wird von außen überwacht.

Als mögliche Nebenwirkungen nennt Würschmidt, dass sich in der Operationshöhle nach dem Eingriff möglicherweise etwas mehr Flüssigkeit ansammelt als bei den Frauen ohne intraoperative Bestrahlung. "Die Rate für schwere Wundheilungsstörungen liegt unter einem Prozent", sagt Würschmidt. Bei der herkömmlichen Strahlentherapie komme es häufiger zu einem sogenannten Erschöpfungssyndrom, dessen genaue Ursache allerdings noch unklar ist, und es könnten Hautreaktionen auftreten.

Die Bestrahlung von außen kann auch Nachteile für Herz und Lunge haben. "Untersuchungen haben gezeigt, dass Frauen zehn Jahre nach der Bestrahlung Herzprobleme bekommen können. Auch das könnte durch die intraoperative Nachbestrahlung möglicherweise vermieden werden. Zudem gibt es Hinweise, dass die intraoperative Bestrahlung etwas wirksamer ist als die Bestrahlung von außen", ergänzt Lindner. Und noch ein Vorteil für die Patientinnen: Sie müssen nicht mehr über einen Zeitraum von sieben Wochen jeden Tag zur Strahlentherapie fahren. Denn diese wird ambulant durchgeführt.

An der Studie teilnehmen können Brustkrebspatientinnen ab dem Alter von 70 Jahren. "Diese Altersgrenze wurde gewählt, weil bei Frauen ab 70 Jahren der Anteil der weniger aggressiven, langsam wachsenden Brustkrebstypen etwas häufiger ist als bei den jüngeren Patientinnen. Der Tumor darf höchstens zwei Zentimeter groß sein und muss mit einem Sicherheitsabstand von einem Zentimeter im gesunden Gewebe entfernt werden können", sagt Privatdozent Dr. Kay Friedrichs vom Mammazentrum Hamburg am Krankenhaus Jerusalem, das ebenfalls an der Studie beteiligt ist, ebenso wie das Brustzentrum am Universitätsklinikum Eppendorf.

Eine weitere Voraussetzung sei, dass es sich nicht um einen besonders aggressiven Krebstyp handle und der Tumor keine weiteren Absiedlungen im Brustgewebe gebildet habe, sagt Lindner.

Nach der Behandlung müssen die Frauen in den darauffolgenden Jahren regelmäßig an Kontrolluntersuchungen teilnehmen. "Ob die intraoperative Strahlentherapie genauso effektiv ist wie die herkömmliche Strahlentherapie, wird man sicher erst in fünf bis zehn Jahren beurteilen können", sagt Würschmidt.

Frauen, die an der Studie teilnehmen möchten, können sich an eines der drei beteiligten Hamburger Brustzentren wenden:

Brustzentrum am Agaplesion-Diakonieklinikum Hamburg: Tel. 790 20-2900 (-2500)

Mammazentrum Hamburg am Krankenhaus Jerusalem: Ambulanz, Tel. 44 190 500

Brustzentrum am Universitätsklinikum

Eppendorf: Tel. 74 10-52 551