Russische Medien feiern das Anbohren des über Jahrtausende unberührten Wostoksees als großen Erfolg der antarktischen Forschung. Kritiker warnen.

Moskau. Der Durchbruch ist spektakulär, aber nicht unumstritten: Nach 30 Jahre langen Bohrarbeiten durch fast vier Kilometer dickes Eis sind russische Forscher zum Wostoksee in der Antarktis vorgedrungen . Von dem unberührten Ökosystem erhoffen sich Wissenschaftler unter anderem neue Erkenntnisse über den Klimawandel. Medien in Moskau sprachen vom größten Erfolg der Antarktis-Forschung der vergangenen 100 Jahre, einige Experten verglichen das Ereignis sogar mit der Mondlandung.

Mit einem Spezialbohrer habe das Team in 3769,30 Meter Tiefe die Oberfläche des seit etwa 500.000 Jahren isolierten Gewässers erreicht, teilte das Ministerium für Naturressourcen am Mittwoch nach Angaben der Agentur Itar-Tass in Moskau mit.

Die Mission ist umstritten. Westliche Forscher fürchten, dass durch das Eindringen eines kontaminierten Bohrers das Ökosystem des größten unterirdischen Sees der Antarktis verschmutzt werden könnte. Möglicherweise existieren dort unbekannte Bakterien . Erste Proben von dem Gletscher über dem See seien in sterilen Behältern verschlossen worden, teilte das zuständige Naturwissenschaftliche Institut für Arktis- und Antarktis-Forschung in St. Petersburg mit. Der See ist nach Angaben von Experten mehrere Millionen Jahre alt.

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US-Wissenschaftler hatten ihren russischen Kollegen vorgeworfen, bei der Bohrung Kerosin und Frostschutzmittel zu verwenden. Dies könnte den See verschmutzen. Expeditionsleiter Waleri Lukin räumte den Einsatz des Gemisches zwar ein, wies die Vorwürfe aber zurück. Die Technologie sei bei ähnlichen Missionen in Grönland erprobt worden, sagte er.

Das eingesetzte Gemisch aus Kerosin und dem Kühlmittel Freon habe keine so hohe Dichte wie das Seewasser und sei deshalb durch das Bohrloch an die Oberfläche gedrückt worden, berichtete das Forschungsinstitut auf seiner Internetseite. Wegen der unwirtlichen Verhältnisse an einem der kältesten bewohnten Orte der Welt würden die Arbeiten aber für zehn Monate ausgesetzt, sagte Expeditionsleiter Lukin der Agentur Ria Nowosti. Proben von reinem Wasser könnten erst Ende 2012 oder Anfang 2013 entnommen und dann im Mai 2013 ausgewertet werden. Allerdings treffe bereits im Mai 2012 eine Probe aus der Wasseroberfläche mit einem Forschungsschiff in St. Petersburg ein.

Der Wostoksee im Osten der Antarktis ist der größte bekannte See, der komplett unter einer Eisdecke liegt. Die Sowjetunion hatte mit ersten Bohrungen unter der Polarstation Wostok in den 1970er Jahren begonnen. Die Arbeiten wurden 1998 für acht Jahre unterbrochen, um eine umweltschonende Methode zu entwickeln. Erst 1996 hatte ein russisch-britisches Team die Existenz des Sees bestätigt, den ein russischer Wissenschaftler bereits seit den 1950er Jahren dort vermutet hatte. Unter dem ewigen Eis werden noch weitere Frischwasser-Seen vermutet.

In einem nächsten Schritt planen die russischen Forscher bereits, in rund einem Jahr einen kleinen Tauchroboter in den Wostoksee hinunterzuschicken. Er soll dort Wasserproben nehmen und Sediment vom Seegrund sammeln. Einen Antrag auf Genehmigung dieses Vorhabens werde man im Mai 2012 dem Beratergremium des Antarktisvertrags vorlegen, sagte Lukin gegenüber der "Nature“. "Für uns ist dies so neu und aufregend wie ein Flug zum Mars.“

Mit Material von dpa und dapd