Kieler Forscher wollen Erdgas gewinnen und gleichzeitig Lagerstätten für CO2 aus Kraftwerksabgasen schaffen

Kiel. Im Meeresboden gebundenes Erdgas (Methanhydrat) mithilfe von Kohlendioxid erschließen - dieses Konzept könnte den globalen Energiehunger stillen helfen und gleich zweifach das Klima schützen. Zum einen soll CO2 eingesetzt werden, das zuvor aus Kraftwerksabgasen abgetrennt wurde. Zum anderen könnte der Energieträger Erdgas im großen Maßstab Kohle und Öl ersetzen, deren Verbrennung deutlich klimaschädlicher ist. Der Forschungsverbund SUGAR will den Weg zu den Gasquellen der Zukunft bahnen. Die erste Projektphase der Methodenentwicklung ist nun abgeschlossen.

SUGAR steht für "Submarine Gashydrate Reservoirs", für unterseeische Lagerstätten von Methanhydraten, deren Erkundung und Abbau. "Mit dem Projekt haben wir eine Marktnische besetzt; unser Ansatz, mit Kohlendioxid aus Abgasen zu arbeiten, ist weltweit einzigartig ", sagt Dr. Matthias Haeckel vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar der Universität Kiel. Er gehört zum Leitungsteam des 13 Millionen Euro teuren Projekts, an dem weitere sieben deutsche Forschungseinrichtungen sowie 16 Unternehmen beteiligt sind.

Vorangegangene weltumspannende Forschungen zeigten: Gewaltige Mengen Erdgas sind in Form von festem, eisähnlichen Methanhydrat im Meeresboden gespeichert. Der Ozeangrund birgt gefrorene Gasvorkommen, die mehr Energie enthalten als alle konventionellen Lagerstätten von Kohle, Öl und Gas zusammen. Mindestens zehn Prozent dieser Vorkommen könnten in den nächsten Jahrzehnten abbaubar sein, schätzen die Kieler Forscher. Das wäre mehr Energie, als in den heute bekannten Gas- und Ölreserven steckt.

Um das Gashydrat zu fördern, muss es zunächst aus dem porösen Lagergestein (verdichtete Sandschichten) herausgelöst werden. Das soll bei SUGAR mit CO2 geschehen. Dieses wird unter hohem Druck in die Lagerstätte hineingepresst, löst das Methan aus dem Hydratverbund und wird dann selbst als Gashydrat im Boden gebunden. Solche Gashydrate bilden sich unter hohem Druck (ab Meerestiefen von rund 400 Metern) und Temperaturen von höchstens zehn Grad Celsius.

CO2-Hydrat ist stabiler als Methanhydrat. Das spricht dafür, dass sich die ausgebeuteten Vorkommen sehr gut als Lagerstätten eignen für Kohlendioxid, das aus Kraftwerksabgasen abgetrennt wurde. "Wir können mehr CO2 einlagern, als wir Erdgas entnehmen", sagt Haeckel. "Denn häufig sind nur 20 bis 40 Prozent der Porenräume in den Sedimenten mit Methanhydrat belegt; deutlich mehr Poren lassen sich wahrscheinlich mit CO2-Hydrat füllen."

Zudem senkt die Gashydratgewinnung das Risiko, dass die Vorkommen bei anhaltender Klimaerwärmung allmählich das Treibhausgas Methan freisetzen - es ist rund 25-fach klimawirksamer als Kohlendioxid. Verschiedene Forschungsarbeiten zeigen, dass die Methanhydrate an den Kontinentalrändern unter dem Nordpolarmeer offenbar rascher abtauen als erwartet. Nach Kieler Computermodellen könnten in den nächsten 100 Jahren etwa zwölf Prozent des im Meeresboden eingelagerten Methans frei werden. Allerdings betrifft dies vor allem oberflächennahe Vorkommen, und die sollen beim Abbau ausgespart werden.

Denn der Gashydratabbau birgt auch Risiken. Haeckel: "An den Lagerstätten tritt Methan aus. Diese sogenannten kalten Quellen sind energiereiche Oasen am Meeresboden, an denen sich vor allem Muscheln, Röhrenwürmer und Bakterien sammeln. Um die sensiblen Ökosysteme nicht zu gefährden, konzentriert sich das SUGAR-Projekt auf Vorkommen, die mindestens 50 Meter unter einer undurchlässigen Sedimentschicht liegen." Zudem sollten die Eingriffe nur in flachem Gelände erfolgen. Die Lagerstätten befinden sich vor allem am Rand von Kontinentalhängen. Ein Abbau an steilen, in die Tiefsee abfallenden Hängen könnte diese destabilisieren - der Autor Frank Schätzing beschrieb in seinem Roman "Der Schwarm" ein Szenario, in dem ein abrutschender Kontinentalhang vor Norwegen einen Tsunami auslöst.

Parallel zum SUGAR-Projekt bearbeiten die Kieler Forscher ein weiteres Forschungsvorhaben namens ECO2. Das im Mai gestartete EU-Projekt befasst sich mit den Risiken der CO2-Speicherung im Meeresboden. Wie sicher sind die Speicher? Wie lassen sie sich überwachen? Welche Folgen haben mögliche Lecks für die Meeresbewohner? Auf diese Fragen soll das mit 10,5 Millionen Euro ausgestattete Projekt Antworten finden. An ihm sind Geologen, Biologen, Chemiker, Rechts-, Sozial und Wirtschaftswissenschaftler aus neun Ländern beteiligt.

Vor allem asiatische Staaten stünden in den Startlöchern, um Gashydrate aus dem Meeresboden zu nutzen, sagt Matthias Haeckel. "Es sind bereits erste Abbauversuche gelaufen. Japan und die USA wollen im nächsten und übernächsten Jahr weitere Tests machen. Inder, Südkoreaner und Chinesen planen dies in drei bis vier Jahren." Gerade Schwellenländer wie China (das bislang vor allem auf Kohle setzt), Indien und Brasilien haben große Gashydratvorkommen, aber auch die USA, Kanada, Norwegen und Russland.

Im Boden von Nord- und Ostsee kommen die Hydrate dagegen nicht vor. Die im SUGAR-Projekt entwickelte Technologie soll Deutschland dazu verhelfen, sich die Energiequelle durch die Teilnahme an internationalen Abbaukonsortien dennoch zu erschließen. So erproben die Kieler Forscher ein spezielles Verfahren der dreidimensionalen seismischen Erkundung des Meeresbodens für die Lagerstättensuche, machen Laborversuche und betreiben Computermodelle, die den Abbau der Gashydrate simulieren.

Diese Arbeit soll nun in der zweiten Projektphase weitergeführt werden. Sie schließt nahtlos an die erste an. Schwerpunkte bilden Wirtschaftlichkeitsberechnungen und die Entwicklung speziellen Bohrgeräts - die Technik der Gas- und Ölexploration sei kaum einsetzbar, so Haeckel, "denn dort wird durch hartes Gestein gebohrt. Unser Sediment hat dagegen eine Festigkeit, die etwa einer rohen Kartoffel entspricht."

Bei hohen Energiepreisen könnte sich der kommerzielle Abbau womöglich schon in zehn Jahren rentieren. Haeckel: "Japan hält es für vorstellbar, bei erfolgreichem Verlauf der Voruntersuchungen ab 2020 Gashydrate kommerziell abzubauen." Allerdings ohne den Ehrgeiz, im gleichen Prozess abgetrenntes CO2 versenken zu wollen.