In den nächsten Tagen soll die 120 Millionen Euro teure Marssonde abstürzen. Ein Schlag ins Wasser - denn der Indische Ozean ist wahrscheinlich das Ziel.

Moskau. Unrühmliches Ende einer ehrgeizigen Mission: Die russische Raumsonde „Phobos-Grunt“ stürzt in den nächsten Tagen ab - und hat nicht eines ihrer wissenschaftlichen Ziele erreicht. Beim unkontrollierten Fall des 120 Millionen Euro teuren Flugkörpers, den Russlands Raumfahrtbehörde Roskosmos für diesen Sonntag errechnet hat, bereiten besonders die hochgiftigen Stoffe im Tank sowie das radioaktive Kobalt an Bord den Experten Sorgen. Zwar rechnet Roskosmos damit, dass das gefährliche Material beim Eintritt in die Atmosphäre verglüht. Sicher ist das aber nicht.

Zahlreiche Trümmer der rund 13,5 Tonnen schweren Raumsonde werden laut Roskosmos auf die Erde stürzen. Prognosen zufolge könnten die Teile in den Indischen Ozean fallen. „Das wäre dann ein Schlag ins Wasser – wie die gesamte Mission“, höhnen Kritiker im Internet. Sie fordern nach einer historischen Pannenserie in der russischen Raumfahrt den Rücktritt von Roskosmos-Chef Wladimir Popowkin.

Der Funktionär ist erst seit acht Monaten im Amt und hatte zuletzt mit der Behauptung, „Sabotage“ könnte ein Grund für die Pannen sein, bei Kritikern für Stirnrunzeln gesorgt. Die Haupterklärung für das „Phobos-Grunt-Drama“ seien aber wohl eine technische Unreife der Raumsonde sowie Termindruck gewesen, räumte Popowkin ein. „Wir waren uns der Risiken bewusst – aber wir waren Geiseln unserer eigenen Beschlüsse.“ Nach dem Start vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan hatten bei dem Flugkörper die Marschtriebwerke versagt.

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Das spektakuläre „Phobos-Grunt“-Projekt sollte 15 Jahre nach Russlands letzter interplanetarer Mission eine neue Ära einläuten. Zudem wollte Moskau nach Erfolgen der aufstrebenden Raumfahrtmacht China und vor einer geplanten US-Marsmission Akzente setzen. Nach ihrem Start am 9. November 2011 sollte „Phobos-Grunt“ bis 2014 im All bleiben und den Marsmond Phobos erforschen. Doch statt nach drei Jahren kehrt die Raumsonde schon nach zwei Monaten zurück – ohne Nutzen für die Wissenschaft. „Wir wollten zum Mars und kamen nicht einmal bis zum Mond“, schreibt die Moskauer Zeitung „Nowaja Gaseta“.

Russland hatte bereits 1996 eine Raumsonde Richtung Mars geschickt - und auch damals eine Schlappe hinnehmen müssen. Ein Fehlstart der Trägerrakete stoppte die 500 Millionen Euro teure Mission, Ausrüstung auch aus Deutschland ging verloren. „Der Schmerz saß tief, und „Phobos-Grunt“ sollte diese Wunde heilen“, räumte Roskosmos-Vizechef Vitali Dawydow unlängst ein. Der Forscher Alexander Sacharow wird mit den Worten zitiert, er habe sich vom Phobos-Projekt „die Wiedergeburt unserer wissenschaftlichen Raumfahrt erhofft“.

Bei 32 Starts gab es 2011 für Russland 5 Fehlschläge, die die Raumfahrtnation viele Millionen kosteten und einen gewaltigen Imageverlust bescherten. Trotz der Pannenserie warnt René Pischel, Leiter des Moskauer Büros der Europäischen Raumfahrtagentur Esa, aber vor Pauschalkritik am Riesenreich. Auch die USA hätten immer wieder herbe Rückschläge hinnehmen müssen, zum Beispiel 1999 mit ihren Mars-Sonden „Climate Orbiter“ und „Polar Lander“, sagt Pischel.

Das „Phobos-Grunt“-Fiasko trifft Moskau aber ins Mark. Die Mission war Teil des ambitionierten Versuchs, die russische Raumfahrt fit zu machen für das 21. Jahrhundert. Noch in diesem Jahr will Roskosmos das international mit Spannung erwartete Nachfolgemodell für die Sojus-Raumkapseln vorstellen, mit sechs statt wie bisher drei Plätzen. Im nächsten Jahr soll dann erstmals eine russische Kosmonautin zur Internationalen Raumstation ISS fliegen. „Es geht auch darum, Forschung für junge Russen attraktiv zu machen und gegen den Technologieverlust zu arbeiten“, betont Roskosmos-Vize Dawydow.

Mit einer Rekordzahl von 36 Raketenstarts will Russland 2012 das vergangene Jahr vergessen machen. Bereits bei Amtsantritt hatte Popowkin angekündigt, mit Flügen ins All mehr Geld verdienen zu wollen. Bilder einer abstürzenden Sonde sind dabei nicht förderlich.