Eine überraschende Erkenntnis: Landesweit ist seit dem Jahr 1992 der Wald jährlich um die Fläche Karlsruhes gewachsen. Was steckt dahinter?

"Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben?", heißt es in einem Lied von Felix Mendelssohn-Bartholdy, das Joseph von Eichendorff vor genau 200 Jahren gedichtet hat. Diese Frage muss hier unbeantwortet bleiben. Doch wer den Wald - oder vielmehr die Bodenfläche, auf der er stockt - regelmäßig akribisch in seiner kompletten Fläche erfasst, ist sicher: das Statistische Bundesamt. Und dessen Experten haben jetzt versichert: "Deutschlands Waldfläche wächst weiter."

Eine frohe Botschaft zum Internationalen Tag des Waldes an diesem Sonntag. Zwischen 1992 und 2008 sei die Waldfläche in Deutschland "pro Jahr durchschnittlich um 176 Quadratkilometer gewachsen", verkündeten die Datensammler aus Wiesbaden. Dieser jährliche Flächenzuwachs entspricht etwa der Größe der Stadt Karlsruhe.

Damit gelten inzwischen knapp 30 Prozent oder 106 500 Quadratkilometer der Bundesrepublik offiziell als "mit Wald bedeckt". Unter den Flächenländern haben demnach Rheinland-Pfalz mit 42 und Hessen mit 40 Prozent den höchsten, Schleswig-Holstein mit gut zehn Prozent den niedrigsten Waldanteil. Im europäischen Ländervergleich schneidet Deutschland damit im Mittelfeld ab (siehe nebenstehenden Text).

Doch was ist an Wald eigentlich neu hinzugewachsen und liefert all jenen Beobachtern, die von Waldschäden nichts mehr wissen wollen, regelmäßig ein falsches Argument? Nämlich nach dem Motto: "Der Wald kann doch nicht leiden, wenn er an Fläche ständig zunimmt."

Betrifft das den typischen deutschen Wald mit seinen mächtigen Laubbäumen? Schön wäre es, doch Rotbuchen und die beiden Eichenarten (Trauben- und Stieleichen) bringen es gerade mal auf 15, beziehungsweise zehn Prozent aller Waldbäume - zusammen nur ein Viertel. Doch über den Baumanteil beim Wachstum schweigt sich die Wiesbadener Statistik ("Bodenfläche nach Art der tatsächlichen Nutzung") aus. Natürlich messen die Wiesbadener Statistiker die Waldfläche nicht selbst, sondern werten die Liegenschaftskataster aus, die bei den Kommunen vorliegen und bei den Statistischen Landesämtern auflaufen.

Als Wald gilt den Statistikern vieles: Waldflächen sind zunächst "unbebaute Flächen, die mit Bäumen oder Sträuchern bewachsen sind". Hierzu gehören nicht nur Laub-, Nadel- und Mischwälder sowie Gehölze und forstwirtschaftliche Betriebsflächen, sondern auch "Waldblößen, Pflanzschulen, Wildäsungsflächen und dergleichen bis zu 0,1 Hektar" (also 1000 Quadratmetern) Größe; außerdem sonst nicht zuzuordnende Waldflächen sowie in der Regel Waldwege, sofern sie nicht als Flurstück ausgewiesen sind. Das also wäre geklärt.

Wie aber kommt es zu dem Waldflächenzuwachs? Ein hilfreicher Hinweis findet sich in der Flächenstatistik unter dem Punkt "Landwirtschaftsfläche" beim Unterpunkt "Brachland". Dort heißt es: "Ehemals landwirtschaftlich genutzte Flächen, die mit Bäumen, Büschen und Hecken bewachsen sind, sind unter dem Nutzungsartenschlüssel 740 auszuweisen."

Und schaut man dort nach, landet man bei "Waldfläche", Unterpunkt "Gehölz", Darunter zu verstehen sind "Flächen, die mit Sträuchern oder vereinzelten Bäumen bewachsen sind", beispielsweise Vogelschutzgehölze und Windschutzstreifen, aber eben auch aufgeforstete Äcker.

So dürfte also das von der Bauern-Lobby wie auch von Schützern der Kulturlandschaft häufig beklagte "Höfesterben" ein wesentlicher Verursacher des Waldzuwachses sein, weil dadurch oft Brachland anfällt. Und ein Bauer, der sich ein Zubrot verdient, indem er auf Brachland kleinere Christbaumschulen kultiviert, mehrt den deutschen Wald statistisch ebenfalls.

Gleiches geschieht auch dort, wo - vor allem im Osten Deutschlands - frühere Braunkohle-Tagebaureviere aufgeforstet werden oder sich naturnah begrünen dürfen, um zu Erholungslandschaften zu werden.

Zudem schaffen statistische Kniffe scheinbar neue Wälder, wenn etwa ehemalige oder noch bestehende Truppenübungsplätze katastermäßig anders erfasst werden - nicht mehr als militärische, sondern als Waldflächen - jedenfalls wenn dort "tatsächlich Wald steht", wie Michael Deggau vom Statistischen Bundesamt auf Nachfrage anmerkt. "Und das wirkt sich in der Summe erheblich aus.

Mächtige Tannen, die meist als typische Bepflanzung für den deutschen Wald gelten, sind allerdings nicht für den Zuwachs verantwortlich. Die bedrohten Weißtannen stellen ohnehin nur noch jeden 50. Baum in Deutschlands Forsten, wiewohl sie beim Waldspaziergang oft für die hierzulande unnatürlich stark verbreiteten Fichten gehalten werden. Diese verdrängen vielfach die Buchen, Eichen und anderen Laubgehölze, die in deutschen Landen ehedem viel stärker verbreitet waren.