Während die weltweiten Fänge stagnieren, steigt die naturnahe, meist kleinbetriebliche Produktion von Fischen. Am 1. Juli treten dazu neue Regeln der EU in Kraft.

Karpfen, Forelle, Saibling, Lachs, Dorade, Wolfsbarsch, Pangasius, Tilapia, Roter Trommler - diese Speisefische gibt es inzwischen auch mit Biosiegel. Während der weltweite Fischfang bei jährlich gut 90 Millionen Tonnen stagniert, wächst die Aquakultur rasant - und mit ihr die Umweltprobleme der schwimmenden Massentierhaltung. Die ökologische Aquakultur will dem begegnen. Sie wurde 2009 in die EU-Bio-Verordnung aufgenommen. Am 1. Juli treten die neuen Zertifizierungsregeln der EU in Kraft.

Die Aquakultur, auch als blaue Revolution bezeichnet, wuchs allein in den Jahren 2002 bis 2006 um 28 Prozent. Sie werde eine immer wichtigere Rolle bei der weltweiten Versorgung mit Fisch und Meeresfrüchten spielen, betont Dr. Stefan Bergleiter, Fischexperte beim Bioverband Naturland. Um eine nachhaltige Aufzucht von Fischen und anderen Meerestieren zu gewährleisten, müsste in Deutschland die "naturnahe, meist kleinbetriebliche Produktion" gestärkt und bei den Importen die "Qualitätssicherung in häufig komplexen technischen und sozialen Zusammenhängen" sichergestellt sein, so Bergleiter. Beides leiste die Öko-Aquakultur.

Naturland gilt als Pionier der ökologischen Fischzucht. Bereits 1995 zertifizierte der Verband den ersten Bio-Lachs aus Netzkäfigen in der Irischen See, drei Jahre später kamen Öko-Shrimps aus Ecuador hinzu. Heute ist Naturland der weltweit zweitgrößte Zertifizierer von Öko-Aquakulturen (nur der Staat China hat mehr Betriebe zertifiziert). Der Verband schätzt, dass sich die Produktion von Öko-Fisch in Teichen und Netzkäfigen von rund 53 000 im Jahr 2008 auf gut 100 000 Tonnen in diesem Jahr in etwa verdoppeln wird - wenn auch auf recht niedrigem Niveau im Vergleich zu der mehr als 50 Millionen Tonnen schweren Produktion der konventionellen Betriebe. Derzeit wachsen bei 225 Öko-Betrieben in 26 Ländern Bio-Fisch und -meeresfrüchte heran (Schwerpunkt Europa, Asien, Lateinamerika).

Auch Deutschlands größter Fischverarbeiter, die Deutsche See GmbH, sieht eine rosige Zukunft des blauen Bio-Sektors. "Obwohl sich der Markt schon in den vergangenen Jahren äußerst positiv entwickelt hat, bietet sich für die Zukunft noch enormes Steigerungspotenzial", so das Unternehmen. Ihm ist es zu verdanken, dass selbst Fischstäbchen in Bioqualität zu haben sind. Dafür setzt die Fischmanufaktur Pangasius ein, der in Vietnam, im Mekong-Fluss, aufwuchs. Die Deutsche See betont die "extrem niedrige" Besatzdichte von zehn Kilogramm Fisch auf einem Kubikmeter Wasser im Vergleich zu 75 bis 170 Kilo bei konventionellen Betrieben. Die starke Strömung sorge "für ein ausgesprochen gesundes Aufwachsen der Fische"; die Wasserqualität des Mekongs werde ständig kontrolliert.

Eine deutlich niedrigere Besatzdichte ist ein wichtiges Merkmal der Öko-Aquakultur. Ein zweites ist das Futter. Raubfische wie der Lachs brauchen tierisches Eiweiß, das aus anderen Fischen gewonnen wird. Jeder konventionelle Lachs frisst bis zur Schlachtung das Zwei- bis Dreifache seines Eigengewichts. Für die Futterpellets wird meist gemahlener Industriefisch (etwa Zwergdorsche, Sardinen, Stintdorsche, Sandaale oder Anchovis) eingesetzt. Die damit verbundene gezielte Fischerei zur Futtergewinnung ist in den Bio-Kulturen nicht erlaubt. Naturland schreibt zum Beispiel vor, dass tierisches Eiweiß so weit wie möglich durch pflanzliches ersetzt werden muss. Den tierischen Rest liefern Fischmehl und -öl aus Abfällen, Beifang oder nachhaltiger Fischerei.

Drittes Merkmal: Der Einsatz von Hormonen und Wachstumsförderern ist in den Öko-Teichen an Land und den Netzkäfigen im Meer generell tabu. Und Krankheiten sollten bevorzugt mit Naturheilverfahren bekämpft werden. Müssen doch einmal herkömmliche Arzneimittel eingesetzt werden, so ist vor der Schlachtung mindestens die doppelte vorgeschriebene Wartezeit einzuhalten.

Die EU-Regelung ist dagegen ein wenig verwässert worden. "Auf einige Vorgaben hat man ohne Not verzichtet", kritisiert Naturland-Experte Bergleiter. "So hätte man den Antibiotika-Einsatz in Bio-Shrimpsfarmen komplett verbieten können anstatt hier eine Lücke zu lassen." Insgesamt sieht er die EU-Vorschriften aber positiv. "Sie bieten eine einheitliche Basis für Öko-Aquakulturen, hinken aber technisch ein bisschen hinterher."

Das nunmehr gesetzliche Prädikat wird den Absatz von Bio-Fisch weiter beflügeln, hoffen Branchenexperten. Das größte Hindernis bleibe aber bestehen, sagt Jürg Knoll, Geschäftsführer von Fish&More, Europas größtem Anbieter von Biofisch und zertifizierten Meerestieren: "Wir haben heute Preisaufschläge von 50 bis 100 Prozent im Vergleich zu konventioneller Ware. Auch Wildprodukte aus ökologisch zertifizierter Fischerei drücken auf die Preise."

Solch frei gefangener "Öko-Fisch" aus nachhaltigem Fang kann kein offizielles Bio-Siegel bekommen. Schließlich weiß niemand genau, wo der Fisch während seines Lebens herumgeschwommen ist, wovon er sich ernährt hat.