In Supermärkten in Hamburg und anderen Städten wurden die Umweltschützer fündig: Kopfsalat und Rucola sind belastet.

Kopfsalate und Rucola aus konventionellem Anbau sind derzeit so stark mit Pestizidrückständen belastet, dass sie besser nicht auf den Teller kommen. Das rät Greenpeace, nachdem die Umweltschützer im Januar 36 Proben chemisch untersuchen ließen. Das Ergebnis: Von 21 Kopfsalat-Proben sind elf laut Greenpeace nicht empfehlenswert, beim Rucola waren vier von zwölf Proben kritisch belastet. Drei Bio-Produkte waren dagegen unauffällig, enthielten jedoch relativ viel Nitrat, das ebenfalls gesundheitsschädlich sein kann.

"Unter den konventionellen Proben waren nur ein Kopfsalat und drei Rucola-Proben unbelastet", sagt Greenpeace-Chemiker Manfred Santen. "Im Winter sind Blattsalate Risikoprodukte. Sie werden in Treibhäusern meist überdüngt und stark gespritzt." Dem widerspricht Jürgen Thier-Kundke, Sprecher des Bundesinstituts für Risikobewertung: "In Treibhäusern ist eher ein geringerer Pestizideinsatz zu erwarten, denn es ist ein kontrolliertes System, in dem zum Beispiel Nützlinge zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt werden können."

Generell lasse sich nicht sagen, Wintersalate seien stärker belastet als Sommerware, so Thier-Kundke: "Der Pestizideinsatz schwankt je nach Befall sehr stark. Zudem steigt die Belastung, wenn die Pestizide zu kurz vor der Ernte aufgebracht wurden. Denn viele Wirkstoffe bauen sich unter der UV-Strahlung der Sonne ab. Bleibt dazu nicht mehr genug Zeit, so finden wir Rückstände." Dr. Manfred Kutzke, beim Hamburger Hygiene-Institut für die Rückstandskontrollen bei Lebensmitteln zuständig, formuliert zur Orientierung dennoch eine grobe Regel: "Je länger die Ware unterwegs war und je weniger saisonal sie angebaut wurde, desto höher liegt die Belastung."

Und der wollen die Verbraucher nicht ausgesetzt sein, schon gar nicht in Größenordnungen, die zum Gesundheitsrisiko werden. Eine Kopfsalatprobe aus Italien, die Greenpeace in einer Berliner Tengelmann-Filiale (Kaiser's) kaufte, überschritt den sogenannten ARfD-Grenzwert und war damit nicht verkehrsfähig. Greenpeace will eine Strafanzeige gegen das Unternehmen stellen. ARfD steht für Akute Referenz-Dosis und beschreibt einen Schadstoffgehalt, bei dem gerade noch keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind, wenn davon nur eine Portion gegessen wird. Aber insbesondere Kindern könne diese Belastung gefährlich werden, warnt Greenpeace.

Die Umweltschützer monierten drei weitere Proben, bei denen die sogenannten Höchstmengen für einzelne Wirkstoffe überschritten wurden. Diese Ware darf nicht verkauft werden. Die gesetzlich festgelegten Höchstmengen sollen Verbraucher vor Pestiziden schützen, gelten als Maßstab für gute landwirtschaftliche Praxis. Produzenten, deren Ware den Wert überschreitet, haben zumindest schlecht gewirtschaftet.

Die Hamburger Lebensmittelkontrolleure untersuchen regelmäßig Salatproben. Bei etwa jeder zehnten sei das Höchstmengen-Limit überschritten, so Kutzke. "Die Belastung für die Verbraucher liegt aber ungefähr um den Faktor zehn niedriger, denn wir nehmen die Proben risikoorientiert" - die chemische Rasterfahndung sucht gezielt nach Verdächtigen.

Um das Risiko zu reduzieren, in diesem Raster mit einer Höchstmengenüberschreitung hängen zu bleiben, setzten die Produzenten immer öfter mehrere Pestizide ein, kritisiert Greenpeace. Die Umweltschützer fanden auf einzelnen Kopfsalaten bis zu 15, beim Rucola bis zu sechs verschiedene Pestizide. "Es gibt mehrere Ursachen für diese Mehrfachbelastungen", sagt Lebensmittelkontrolleur Kutzke. "Die Pestizide wirken immer gezielter. Deshalb kommen mehrere Wirkstoffe zum Zuge, wenn zum Beispiel verschiedene Schädlinge zu bekämpfen sind. Außerdem nehmen Resistenzen zu. Wenn ein Mittel nicht mehr wirkt, wird einige Tage später ein zweites versprüht."

Über das gesundheitliche Risiko solcher Mehrfachbelastungen streiten sich die Experten. Kutzke: "Es ist plausibel, bei der Risikobewertung die Gehalte von Stoffen mit gleichen Wirkmechanismen einfach zu addieren. Das macht Greenpeace. Der Gesetzgeber ist aber noch nicht so weit. Da die staatliche Lebensmittelkontrolle die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften überprüft, betrachten wir nur einzelne Höchstmengen."

Neben Pestiziden sind die im Winter stets erhöhten Nitratgehalte in Blattsalaten problematisch. Der Nährstoff wird in der Pflanze von der Sonne abgebaut. Fehlt im Winter die Sonne, reichert sich die Substanz an. Sie kann im Körper zu krebserregenden Nitrosaminen werden.

Greenpeace rät, Salat bevorzugt im Sommer zu essen und - losgelöst von der Jahreszeit - möglichst Bioware zu kaufen. Doch die ist, vor allem bei Kopfsalaten, derzeit kaum zu finden. Deshalb fordern die Umweltschützer Supermärkte und Discounter auf, ihr Angebot entsprechend auszuweiten.