Das europäische und andere Systeme wollen spezielle Wellenlängen nutzen, die die Atmosphäre leichter durchdringen.

Hamburg. Seit 2003 arbeitet die Europäische Weltraumorganisation Esa am Projekt Galileo, einem europäischen Navigationssystem als Alternative zum amerikanischen GPS. Eigentlich sollten die ersten Satelliten 2008 ins All geschossen worden sein, doch bislang kreisen dort nur zwei Testobjekte namens Giove A und Giove B. Finanzierungsprobleme machten den Weg ins All zum "langen Marsch". Eine Rakete mit diesem Namen verunsichert nun die Europäer. Sie trug gerade den dritten Satelliten des chinesischen Navigationssystems Beidou (Kompass) ins All - und verschärfte damit den Wettlauf um die besten Frequenzen für den Datenaustausch zwischen Orbit und Erde.

China und die Europäer wollen zum Teil auf derselben Radiofrequenz funken. Sie ist für beide Länder bei der ITU (International Telecommunications Union) reserviert und muss innerhalb weniger Jahre tatsächlich genutzt werden, damit die Anmeldung nicht verfällt. China hat nun einen Vorsprung, den EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso als "ernstes Problem" bezeichnet.

Für Galileo werden, so die Planung, in wenigen Jahren 32 Satelliten um die Erde kreisen, 30 von ihnen im ständigen Betrieb, zwei zu Testzwecken. Jeweils zehn "echte" Satelliten werden wie Perlen an einer Schnur auf einer von drei Umlaufbahnen gereiht. Sobald der Empfänger am Boden Kontakt zu drei von ihnen hat, ist eine Ortsbestimmung möglich, die mit dem Empfang weiterer Satelliten immer genauer wird.

Navigationssatelliten senden auf Frequenzen zwischen 1100 und 1600 Megahertz. Dabei nutzen sie drei sogenannte Fenster, in denen die Wellen besonders leicht die Atmosphäre durchdringen, erklärt Dr. Uwe Feucht, Leiter des Bereichs Flugdynamik bei der Esa. Ihn bringt der Vorsprung der Chinesen nicht aus der Ruhe: "Die Situation ist momentan relativ entspannt." Zwar sollen Galileo und das chinesische System das gleiche Frequenzfenster nutzen, aber "es lässt Platz für eine ganze Reihe von Navigationssystemen", betont Feucht.

Insgesamt wird Galileo auf drei Frequenzbereichen arbeiten. Zwei von ihnen - diejenigen ohne chinesische Konkurrenz - überlappen sich mit dem GPS. Das ist gewollt, denn das amerikanische und das europäische System sollen im zivilen Bereich zusammenarbeiten. Das heißt: Wer ein Navigationsgerät hat, wird wohl nur eine neue Software aufspielen müssen, um zusätzlich zu den GPS-Signalen auch die Daten von Galileo empfangen zu können. Dies erhöht die Genauigkeit weiter, obwohl schon der heutige Standard nicht schlecht ist. Feucht: "Die meisten Navis sind bereits so genau, dass man am Bildschirm sieht, auf welcher Fahrspur das Auto unterwegs ist."

Galileo werde eine "Genauigkeit im Meterbereich" haben, "was bisher noch kein öffentlich zugängliches System angeboten hat", betont die Esa. Die ersten drei Satelliten sind in Arbeit, für den Bau weiterer 14 hat das Bremer Unternehmen OHB Technology gerade einen 566-Millionen-Euro-Auftrag erhalten. "Den ersten Satelliten werden wir voraussichtlich Anfang 2011 ins All bringen", sagt der Esa-Experte.

Dann wird es auch Zeit, denn die reservierte Frequenz wird derzeit nur durch den Betrieb der beiden ersten Testsatelliten Giove A und B gehalten. Und deren Lebensdauer neigt sich allmählich dem Ende zu. Im schlimmsten Fall, so Feucht, verstummen die beiden Platzhalter, bevor das eigentliche System in Stellung gebracht ist. "Dann müsste Europa die Frequenz zurückgeben. China könnte genau diese Frequenz übernehmen, sodass wir sie endgültig verlieren."

Doch selbst wenn Galileo rechtzeitig vor Ort ist: Ganz vom Tisch ist die Gefahr nicht, dass die chinesische Regierung dem europäischen Projekt dazwischenfunkt. Das gemeinsame Frequenzfenster mit der Bezeichnung E6 ist im Galileo-Projekt - das anders als das GPS, Beidou und das russische Glonass-Navigationssystem ausdrücklich nicht militärisch genutzt werden soll - für staatliche Dienste reserviert, etwa für Polizei- und Rettungswesen. Feucht: "Genau in diesem Frequenzbereich soll der Austausch von sicherheitsrelevanten Daten laufen. Wenn die Chinesen, wie geplant, in unmittelbarer Nachbarschaft senden, ist die Gefahr einer Störung größer." Das könnte auch für Störmanöver von außen gelten, die sich gegen eines der beiden Systeme richten und das andere dann womöglich versehentlich mit treffen würden.

Neben China und Europa plant auch Indien ein eigenes globales Navigationssystem, und die USA und Russland rüsten ihr Satellitennetz weiter auf. Angesichts dieser Entwicklung meint auch Uwe Feucht: "Über kurz oder lang wird es tatsächlich eng werden da oben."