Äste, Zweige, Wurzeln und einzelne Stämme liefern reichlich Biomasse, aus der sich klimaschonend Energie gewinnen lässt.

Hamburg. Autofahrer rasen an ihnen meist achtlos vorbei: Allein in Hamburg gibt es 200 000 Straßenbäume. Sie wachsen, werden beschnitten, und wenn sie alt sind, krank, zu mächtig oder durch Verkehrsunfälle verletzt wurden, werden sie gefällt. Dasselbe widerfährt Bäumen und Sträuchern in Parks, Innenhöfen, auf Friedhöfen. Sie alle liefern reichlich Biomasse, aus der sich nach einer Studie der Landwirtschaftskammer Hamburg klimaschonend Energie gewinnen lässt. 50 000 Tonnen dieses sogenannten Landschaftspflegeholzes fallen jährlich in Hamburg an. Noch vor einigen Jahren galt es als lästiger, teuer zu entsorgender Abfall. Zumeist landeten Stämme, Wurzelwerk und Äste klein gehackt und geschreddert in Kompostieranlagen, moderten ungenutzt vor Ort dahin oder endeten in der Müllverbrennung.

Ein Frevel, denn die holzige Biomasse aus der Stadt lässt sich energetisch bestens verwerten. Sie ist naturbelassen und eine nachwachsende Energiequelle. Folgerichtig wird der in Biomassekraftwerken erzeugte Strom nach Tarifen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) vergütet. "Aus einer Tonne Landschaftspflegeholz lassen sich 3000 Kilowattstunden Energie gewinnen", rechnet Roland Schwörer von der Hamburger Behörde Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) vor. Aufbereitet und in dezentralen Heizwerken verwertet, ersetzt es fossile Energieträger. "Hamburg könnte mit einer konsequenten Nutzung der holzigen Fraktion den Ausstoß von jährlich bis zu rund 35 000 Tonnen Klimagase vermeiden", prognostiziert Schwörer.

Die Idee, die Abfälle als Energieträger zu nutzen, geistert seit Langem in vielen deutschen Gartenbauämtern umher. Allerdings ist bisher wenig geschehen. Immer noch haftet die Entsorgungsmentalität in den Köpfen der Entscheidungsträger. Auch fehlt es an neuen Strukturen und Logistiksystemen, die das Landschaftspflegeholz sammeln, sortieren und zu verwertbaren Brennstoffen verarbeiten. Dies braucht Zeit und Geld, die die öffentlichen Hände derzeit nicht haben. So geht viel Holziges in den Kompost, bleiben energetische Potenziale ungenutzt.

Aber es gibt Gegenbeispiele. "Wir haben 'ne Menge Holz, das bei Pflegemaßnahmen anfällt", sagt Elke Hube, Leiterin für Naturschutz, Grünflächen und Umwelt im Berliner Bezirk Spandau. "Dies zu entsorgen, hat uns früher eine Stange Geld gekostet." Als der Energieversorger Vattenfall vor zwei Jahren anbot, den Holzabfall abzunehmen, schlug Hube sofort ein. Seitdem enden jährlich rund 3000 Tonnen holzige Biomasse von den öffentlichen Grünflächen im Schlund eines Öl-Kohlekraftwerks. Wenngleich dies ein wenig nach CO2-Ablasshandel aussieht, ist Hube zufrieden: "Wir haben eine Lösung vor Ort gesucht."

In Hamburg konnte sich ein Newcomer auf dem noch neuen Markt der energetischen Verwertung von Landschaftspflegehölzern etablieren. "Wir haben 2008 rund 12 000 Tonnen Stämme, Äste und Stubben angenommen und zu Holzhackschnitzeln verarbeitet", erklärt Tsepo Maseela, Geschäftsführer der Arbor Energy GmbH. Das vor zwei Jahren gegründete Unternehmen begann im Zuge des Hamburger Klimaschutzprogramms aus Landschaftspflegeabfällen Energieträger zu gewinnen.

Mit finanzieller Unterstützung der BSU hat Arbor Energy mehrere über das Stadtgebiet verteilte Energiehöfe eingerichtet, auf denen Gartenbauämter, Straßenmeistereien, aber auch private und gewerbliche Kunden naturbelassene Holzabfälle anliefern können. Sie werden an Ort und Stelle sortiert, zu Holzhackschnitzeln geschreddert und gesiebt. Die Hackschnitzel liefert Arbor Energy an drei Heizkraftwerke in Norddeutschland, die ausschließlich Biomasse einsetzen und damit EEG-tauglich sind. Zu den Abnehmern gehört das im Frühjahr in Betrieb genommene zwölf Megawatt große Biomasse-Kraftwerk im Stadtteil Lohbrügge, das Wärme für 8000 Wohnungen und Strom für 3000 Haushalte erzeugt.

"Wenn der Ölpreis bei 80 Euro liegt, wenn sich die Kommune, wie in Hamburg, kooperativ zeigt und wenn die EEG-Tarife unangetastet bleiben, sind Sammlung, Aufbereitung und energetische Verwertung städtischen Holzes wirtschaftlich", sagt Tsepo Maseela. "Wir haben fünf Arbeitsplätze schaffen können. Außerdem leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Hamburger Klimaoffensive."

Maseela hat weitere Pläne: Er würde gern in ästhetisch anspruchsvoll gestalteten Heizwerken direkt in den Stadtteilen aufbereitetes Landschaftspflegeholz verfeuern. Die erzeugte Wärme könnte dann optional ins Fernwärmenetz eingespeist oder direkt an Grundstückverwaltungen, Hauseigentümer oder Gewerbetreibende abgegeben werden - klimafreundliche Wärme vom Straßenbaum aus der Nachbarschaft.