Die Erfolg versprechenden Ergebnisse der Studie in Thailand haben eine breite Diskussion ausgelöst. In der Fachwelt keimt Hoffnung auf.

Die Nachricht aus Bangkok über einen ersten echten Erfolg mit einem Aids-Impfstoff hat gestern für Wirbel gesorgt und eine umfassende Diskussion auch in der Fachwelt ausgelöst.

Denn in den vergangenen Jahren war die Hoffnung auf einen Impfstoff gegen die Menschheitsgeißel Aids auf harte Proben gestellt worden. Immer wieder gab es Rückschläge in der Forschung. Kaum ein Wissenschaftler wollte sich zuletzt darauf festlegen, wann es denn endlich gelingen könnte, einen wichtigen Schritt in der Forschung voranzukommen.

So hatte der Pharma-Riese Merck schon vor zwei Jahren die Erprobung eines zunächst vielversprechenden Wirkstoffs abgebrochen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Impfung mit diesem Mittel nicht schützt. Das große Problem im Kampf gegen HIV: Die Viren, die das tödliche Leiden auslösen, sind zu wandelbar und zu vielseitig. Da kam die Meldung aus Asien über diesen ersten Erfolg bei dem weltweit größten Test eines Aids-Impfstoffes gerade recht. Dessen Ergebnis, nach dem das Ansteckungsrisiko um knapp ein Drittel gesenkt werden könne, sei "überraschend gut", meint der Hamburger UKE-Infektiologe Dr. Jan van Lunzen im Gespräch mit dem Abendblatt. In Fachkreisen war der Studie wenig Erfolgsaussicht eingeräumt worden.

So wundert es nicht, dass viele Experten bei ihrer Einschätzung über die Bedeutung des Massentests in Thailand noch schwanken. Während die beteiligten Forscher und Pharmaunternehmen von einem "wissenschaftlichen Durchbruch" sprechen und von der "Hoffnung, dass wir eines Tages einen weltweit wirksamen Impfstoff haben werden", warnen andere vor überzogenen Erwartungen.

Der UKE-Mediziner Lunzen sieht in der Art des jetzt getesteten Impfstoffes allerdings eine "Erfolg versprechende Strategie". Gemeint ist die Kombination der beiden Wirkstoffe, die jeder für sich bisher erfolglos waren, aber ihre Wirkung gemeinsam offensichtlich verstärken konnten. Die beiden Impfstoffe unterschiedlicher Hersteller (Sanofi-Aventis und VaxGen) entfalten ihre Kraft offensichtlich erst im Doppelpack.

Dennoch bleiben viele Fragen offen. So sei nicht klar, warum der Impfstoff bei 70 Prozent der Geimpften nicht wirke und wie diese Rate verbessert werden könne, gibt der Dermatologe Norbert Brockmeyer von der Uniklinik Bochum zu bedenken, der auch Sprecher des bundesweiten Kompetenznetzes HIV/Aids ist. "Bei einer Senkung des Infektionsrisikos um rund ein Drittel kommt ein solcher Impfstoff hauptsächlich für Länder mit hoher Infektionsrate in Betracht und in Deutschland nur zur Impfung von Risikogruppen", meint er.

Unklar ist bisher ferner, ob der getestete Impfstoff auf Virus-Unterarten wirkt, wie sie in Afrika vorkommen, dem am stärksten von Aids betroffenen Kontinent. Außerdem rätseln die Wissenschaftler, wie die Impfung im Detail gewirkt hat. Die vollständigen wissenschaftlichen Daten sollen auch erst am 20. Oktober auf der Fachtagung "Aids Vaccine 2009" in Paris vorgestellt werden.

Auch Anthony Fauci vom Nationalen Institut für Allergie und Infektionskrankheiten (Niaid) der USA, das die Studie gefördert hat, warnte vor allzu voreiligen Erfolgsmeldungen. Es gebe Anlass zu vorsichtigem Optimismus, dass man das Resultat noch verbessern und einen noch besseren Impfstoff entwickeln könne. Die Deutsche Aidsstiftung wertet den Impftest als "entscheidenden Schritt nach vorn". Es sei das erste Mal überhaupt, "dass ein Test am Menschen gezeigt hat, dass Impfstoffkandidaten tatsächlich einen Schutz aufgebaut haben", sagt Geschäftsführer Ulrich Heide.

Dagegen bleibt Jörg Litwinschuh von der Deutschen Aidshilfe skeptisch. Der Erfolg müsse daran gemessen werden, ob der Impfstoff "massentauglich" sei.

Thailand hatte bereits vor 18 Jahren einen ersten Impfversuchsplan aufgestellt, unterstützt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Unaids, dem Uno-Aidsprojekt. Beide Organisationen gratulierten den Forschern, die neue Hoffnung gebracht hätten, auch wenn auf Grundlage der bisherigen Resultate noch keine Genehmigung für den Impfstoff erteilt werden könne. Finanziert wurde die Studie auch von staatlichen US-Instituten und vom HIV-Forschungsprogramm der US-Armee.

Derzeit werden noch 30 weitere mögliche Aids-Impfstoffe getestet. Weltweit sind rund 33 Millionen Menschen mit dem Erreger infiziert. Allein 2007 steckten sich 2,7 Millionen Menschen an, zwei Millionen Patienten starben.