Der kühle Juni 2009 konnte das nicht verhindern: Die Wassertemperaturen sind dramatisch gestiegen.

Die Nordsee ist trotz eines vergleichsweise kühlen und windigen Juni derzeit deutlich wärmer als im langjährigen Durchschnitt. "Konkret lag die Wassertemperatur der Nordsee mit einer Durchschnittstemperatur von 12,8 Grad Celsius um 0,8 Grad über dem langjährigen Mittel", sagt Dr. Hartmut Heinrich vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH) in Hamburg.

Doch der Klimawandel heizt offensichtlich nicht nur die seichten Küstengewässer von Nord- und Ostsee auf. Sogar in den Tiefen der norddeutschen Meere macht sich die Erwärmung bemerkbar. Die Werte, die vier Messbojen in der Nordsee und fünf in der Ostsee liefern, die Temperaturanalysen von Satelliten und die Schiffsmeldungen lassen daran keinen Zweifel. Die Temperatur des bodennahen Wassers in der Nordsee ist um zwei Grad gegenüber dem langjährigen Mittel erhöht. Sie liegt jetzt in einer Tiefe von 30 Metern um 13 Grad Celsius gegenüber 11 Grad in den 1980er- und 1990er-Jahren.

Noch dramatischer ist der Anstieg im Arkonabecken in der westlichen Ostsee vor Rügen. Dort kletterte die Temperatur seit dem Jahr 2000 um etwa vier Grad. In 40 Meter Tiefe wurden dort nun knapp elf Grad gemessen gegenüber sieben Grad im Jahr 2000.

Dieser Temperaturanstieg wird das sensible Gefüge in den Meeren durcheinanderbringen und Nahrungsnetze zerstören. "Schon jetzt ist zu beobachten, dass neue Arten einwandern, anderen wird es zu warm und sie ziehen - wie zum Beispiel der Kabeljau - in nördlichere Gefilde", sagt Heinrich. Einige der Einwanderer wie Streifenbarben oder Anchovis werden bereits im Südwesten der Nordsee befischt. Doch es könnte nicht nur ein Kommen und Gehen geben: Das Meer, warnt der Wissenschaftler, könnte als Nahrungsquelle nachhaltig für den Menschen "aus dem Takt" kommen.

Der Sommer scheint nicht aus dem Takt zu kommen: Wenn das sonnige Sommerwetter in den kommenden Wochen anhält, werden wohl die Rekordtemperaturen aus den Jahren 2003 und 2006 erneut übertroffen werden.

Sommerliche Temperaturen laden derzeit die Besucher an den Stränden der Nord- und Ostsee ein und verlocken zum Baden. Vor Sylt erreichen die Wassertemperaturen 19 Grad, vor Helgoland 18 Grad und rund um Rügen schwanken sie zwischen 14 und 16,5 Grad. Was viele Urlauber freut, stimmt die Meeres- und Klimaforscher nachdenklich. "Wie massiv der Anstieg der Wassertemperatur in Nord- und Ostsee ist, zeigt die Auswertung der aktuellen Messdaten für den Monat Juni", sagt Heinrich. Es sei keine Frage, dass dieser Erwärmungstrend, der seit 1987 beobachtet wird, Folge des globalen Klimawandels ist.

"Und es wird weitergehen", sagt Heinrich und verweist auf einen Vortrag von Prof. Joachim Schellnhuber, den der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) gestern auf der Gründungsveranstaltung des Climate Service Centers (s. Kasten) hielt. "Selbst wenn wir die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius begrenzen können, was politisch ja gewollt ist, müssen wir mit größeren Auswirkungen rechnen, als der Weltklimarat sie noch vor zwei Jahren angenommen hat. Das haben Studien ergeben, die jetzt von der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften veröffentlich worden sind."