Nachtschicht: Bei Desy wird immer rund um die Uhr gearbeitet. Meist reicht den Physikern der Blick auf den Computer - aber es mußte nachts auch schon der Kran ausrücken.

Gemurmel, hin und wieder ein kritischer Blick auf die grünen, roten und gelben Diagramme sowie bizarr geformten Graphen, die über eine scheinbar unendliche Zahl von Bildschirmen flimmern - Spätdienst im zentralen Beschleunigerkontrollraum des Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) in Hamburg-Bahrenfeld. Hier überwachen neun Physiker und Ingenieure, ob die Beschleuniger Hera, Doris und Petra sowie das jüngste Kind von Desy, der VUV-FEL-Linac (Free Electron Laser Linac) ordentlich funktionieren.

Ihr Arbeitsplatz erinnert an den Tower eines Flughafens. In vier großen Halbkreisen stehen 20 bis 30 Monitore, immer zwei übereinander. In der Mitte dazwischen stehen große, graue Tische, auch diese mit Monitoren bestückt. "So können wir immer gleich sehen, wenn die Experimente Zeus, Hermes oder H1 nicht optimal verlaufen", sagt Dr. Ferdinand Willeke, verantwortlich für den Betrieb von Hera. Dann drehen die Wissenschaftler an einem der schwarzen runden Regler, die sich vor ihnen auf dem Pult befinden. Auf diese Weise ändern sie das Magnetfeld in den Beschleunigern, so daß die Teilchen wieder möglichst oft zusammenstoßen. "Im Prinzip könnten wir die Beschleuniger auch mit einem Laptop steuern, aber das Hochfahren der Kontrollprogramme würde im Notfall zu lange dauern", erklärt Willeke. Denn Störungen kommen immer einmal wieder vor. Sie hätten nachts schon einmal eine Kranmannschaft holen müssen, um Abschirmungen beiseite zu schaffen und am Hera-Ring Reparaturen durchzuführen, erzählt der Physiker.

Im hinteren Teil des etwa 500 Quadratmeter großen Raumes leuchten kleine grüne Knöpfe hinter einer Glasscheibe. Das ist das Überwachungssystem, das sofort Alarm auslöst und die Anlage abschaltet, wenn jemand unbefugt die Beschleunigertunnel betritt. Doch jetzt herrscht überall Ruhe, alles läuft störungsfrei.

Auch nahe der Trabrennbahn, acht Stockwerke unter der Erde, gibt es keine Probleme. Dort beobachten nachts immer zwei Gast-Forscher, ob das Experiment Zeus störungsfrei verläuft. Es soll Aufschluß geben über die Struktur der elektrisch neutralen Teilchen, der Neutronen. "Je langweiliger die Nacht ist, desto mehr Daten haben die Forscher am nächsten Tag in der Hand, die sie auswerten können", sagt Willeke und die Kollegin aus Italien stimmt ihm zu. "Auch bei den beiden anderen Experimenten wachen nachts immer zwei bis drei Forscher. Hinzukommen zwei Elektriker, die für den technischen Notdienst zuständig sind und die beiden Ingenieure, die die Kälteanlage bedienen", zählt Willeke auf.

An 365 Tagen im Jahr müssen Physiker und Ingenieure die Anlage rund um die Uhr überwachen. "Wir können sie nicht einfach ab- und anschalten, dafür ist der Aufbau zu kompliziert", so Willeke. Die Desy-Forscher zählen zu den Hamburger Wissenschaftlern, die auch nachts arbeiten müssen - Schluß ist morgens früh um 7 Uhr.