Nach einem Anfall fällt es Männern oft schwer, schlechte Gewohnheiten zu ändern. Helfen können nicht nur Ärzte, sondern auch Familie und Freunde.

Hamburg. Ein kleines Blutgerinnsel kann fast alles ändern: Verschließt es ein Herzkranzgefäß, kommt es zu einem Herzinfarkt. Nur rasche Hilfe kann dann das Schlimmste verhindern. Rund 214 000 Menschen wurden 2010 wegen eines Herzinfarkts im Krankenhaus behandelt, fast 30 Prozent von ihnen starben an den Folgen - mehrheitlich Männer. Wer überlebt, sollte eigentlich gesünder leben: auf Zigaretten verzichten, fettreichen Speisen entsagen, mehr Bewegung wagen, für weniger Stress sorgen. Doch vor allem Männer, so scheint es, werden aus Schaden oft nicht klug.

Zum Beispiel der Tabakkonsum: "Von den Rauchern unter den Herzpatienten geben nur 45 Prozent das Rauchen dauerhaft auf", sagt der Psychologe Jochen Jordan, der die Abteilung für Psychokardiologie an der Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim leitet. Seit es keine Raucherzimmer in Krankenhäusern mehr gebe, stünden die Unbelehrbaren am Eingang von Rehakliniken "wie ein rauchendes Begrüßungskomitee in Sporthosen und Bademänteln". Jordan: "Die Leute haben zwar Todesangst und beschäftigen sich intensiv mit ihr, aber Lebensstiländerungen sind extrem schwer durchzusetzen."

Zwar seien viele Rehaprogramme inhaltlich auf Männer abgestimmt, was das Verhalten in Sachen Sport, Bewegung und den Lebensstil angehe, sagt Hans-Peter Unger, Chefarzt am Zentrum für Seelische Gesundheit der Asklepios-Klinik Harburg. "Die Männer profitieren davon auch mehr als Frauen, es fällt ihnen aber anscheinend schwerer, die dort erlernten Verhaltensweisen zur Vorbeugung auch im Alltag umzusetzen."

Ausgerechnet die hoch entwickelte ärztliche Kunst trägt zumindest anfangs dazu bei, den Betroffenen ein trügerisches Gefühl der Sicherheit zu vermitteln. "Dem überwiegenden Teil der Patienten geht es nach der Behandlung wieder ganz gut", sagt Prof. Stephan Baldus, leitender Oberarzt am Universitären Herzzentrum Hamburg. Unter diesem Wohlbefinden - quasi ein Fluch der guten Tat - leide dann rasch der innere Antrieb, Entscheidendes im Alltag oder im Beruf zu ändern. Viele Patienten vergessen dann schnell, dass ihr gefährliches Leiden keineswegs geheilt ist, nur weil jetzt eine röhrenförmige Gefäßstütze aus Draht (Stent) das zuvor verschlossene und dann mit einem Ballonkatheder geweitete Herzkranzgefäß offen hält und so den Blutfluss gewährleistet - zumindest vorläufig. Vielmehr sei ein Herzinfarkt meist auch Ausdruck einer im Blut nachweisbaren Entzündung im Körper, einer sogenannten Systemerkrankung, die "nicht mit einem Maschendrahtröhrchen im Blutgefäß zu beheben ist", sagt Baldus.

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Zur Bewährungsprobe kommt es spätestens, wenn die Patienten die Rehaklinik verlassen. Bestärkt durch ihr besseres Befinden setzen sie sich oft denselben Risiken aus, die ihnen den Infarkt eingebrockt haben. Selbst wenn sie mit dem Rauchen aufhören, schmecken die fetten Speisen so gut wie vorher. Und im Beruf müssen sich die Infarkt-Überlebenden nach wie vor behaupten - zumindest glauben sie das. "Männer fühlen sich aufgrund ihres Rollenverhaltens und ihrer Erziehung mehr als Frauen in ihrem sozialen Status bedroht, und tendieren deshalb dazu, Gesundheitsrisiken aktiv zu verleugnen", sagt Hans-Peter Unger.

Georg Titscher, leitender Psychokardiologe am Wiener Hanusch-Krankenhaus, hat den Eindruck, dass gerade Männer mit Herzproblemen sehr leistungsorientiert sind und dass sie ihr Selbstwertgefühl stärker von beruflichen Leistungen abhängig machen als Frauen. Fatalerweise werde das Selbstwertgefühl durch einen Infarkt "weiter geschwächt". Dadurch sei es für die Betroffenen gefühlt noch schwerer, mit jüngeren Kollegen mitzuhalten

Was aber können Männer tun, um nicht erneut in einen Teufelskreis zu geraten, der womöglich wieder in einem Herzinfarkt endet? Die Läuterung beginnt damit, medizinische Vorgaben ernst zu nehmen. "Die Patienten sollten regelmäßig ihren Hausarzt aufsuchen, ihre Blutfette kontrollieren lassen und ihre cholesterinsenkenden Mittel sowie Arzneien gegen zu hohen Blutdruck einnehmen", sagt Stephan Baldus vom Universitären Herzzentrum. Der Experte sieht allerdings auch die Kliniken in der Pflicht, besser aufzuklären. "Wir Ärzte müssen Infarktpatienten klarmachen, dass die erfolgreiche Akutbehandlung keineswegs das Fortschreiten des Leidens an anderer Stelle im Geflecht der Herzkranzgefäße verhindert."

Parallel geht es darum, Gewohnheiten zu ändern. Hier kann es gerade den sonst auf rationalen Entscheidungen pochenden Männern helfen, ihr Verhalten sachlich zu analysieren. Wer geraucht hat, sollte sich Hans-Peter Unger zufolge fragen: Welchen Vorteil habe ich davon gehabt? Ist es das Gefühl von Belohnung durch das Rauchen? Oder suche ich bei der Zigarette das Gespräch mit Kollegen? Erst dann könne ein Mann nach Alternativen suchen, die einen vergleichbaren Vorteil bringen.

Soziale Unterstützung ist ein weiterer wichtiger Faktor. "Ein Herzpatient hält das in der Rehaklinik Gelernte nicht lange durch, wenn die Partnerin nicht mitmacht, also etwa genauso kocht wie vor der Krankheit ihres Mannes", sagt der Psychologe Jochen Jordan der Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim. Insofern sollten Männer ihre Frau und Freunde dazu aufrufen, sie zu unterstützen und an Risiken zu erinnern.

Hilfreich kann es auch sein, sich ein Beispiel an Frauen zu nehmen. "Patientinnen haben es leichter, weil sie sich eher mit Gleichgesinnten zusammentun als Männer", sagt Jordan. Frauen träfen sich nach einem Herzinfarkt mit Freundinnen oder Bekannten, etwa zum Spazierengehen: "Wenn Ausflüchte aufkommen, sagt eine von ihnen immer: Nix da, du kommst mit."