Berlin. Die re:publica 2019 widmet sich der Nachhaltigkeit. Wir sagen, was man zur Digitalkonferenz mit Tausenden Teilnehmern wissen muss.

Die Debatte um neue EU-Richtlinien zum Urheberrecht hat vor Monaten Tausende Menschen auf die Straße getrieben – auch auf der Konferenz re:publica 2019 in Berlin sind sie ein Thema. Die Sorge der Kritiker: Die Reform könne die Netzkultur nachhaltig beschränken.

Nun sind die Richtlinien beschlossen und Axel Voss (CDU), der Chef-Verhandler der EU-Urheberrechtsreform, wagte sich auf der re:publica in ein Talk-Format mit dem Blogger Markus Beckedahl (Netzpolitik.org, Gründer der re:publica). Das ist ein bisschen so, als würde man sich mit einem Trikot von Borussia Dortmund in Gelsenkirchen in den Schalke-Block stellen. Durchaus mutig.

Markus Beckedahl befürchtet durch Urheberrechtsreform Schaden für das Internet

Voss unternahm den Versuch, die Beweggründe der Reformer zu erklären, vertrat die Meinung, ohne Software könne man massenhafte Urheberrechtsverletzungen beim Hochladen ins Internet nun mal nicht identifizieren. Gemeint sind damit die viel diskutierten Uploadfilter, die namentlich nicht in der Richtlinie stehen.

• Hintergrund: Urheberrecht: EU-Staaten haben Reform endgültig beschlossen

„Mein Eindruck ist: Hier wurde mit der Schrotflinte auf YouTube geschossen und das halbe Internet getroffen“, sagte Beckedahl und fürchtet, dass bis zur Reform der Reform jetzt wieder 18 Jahre vergehen könnten.

Das Streitgespräch kann man hier sehen:

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re:publica 2019 startet mit Appell von Frank-Walter Steinmeier

Am Montag hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die re:publica mit einem eindringlichen Appell an die führenden Internetkonzerne eröffnet. Steinmeier sagte, Facebook, Twitter und Co. würden mit ihren Plattformen politische Diskursräume schaffen und somit auch Verantwortung für die Demokratie tragen.

Markus Beckedahl (l), Gründer re:publica, und die Forscherin Nanjira Sambuli begrüßen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf der Internetkonferenz re:publica.
Markus Beckedahl (l), Gründer re:publica, und die Forscherin Nanjira Sambuli begrüßen Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf der Internetkonferenz re:publica. © dpa | Britta Pedersen

„Nach vielen Worten und Ankündigungen, nach Gesprächsrunden und fotogenen Politikerterminen ist es an der Zeit, dass Facebook, Twitter, YouTube & Co. ihre Verantwortung für die Demokratie endlich wahrnehmen, endlich in die Tat umsetzen“, forderte Steinmeier.

Denn: „Solange die schnelle Lüge und die seriöse Nachricht, der überprüfte Fakt und die bloße Meinung, solange Vernunft und Hetze unterschiedslos nacheinander in Newsfeeds auftauchen, solange haben es Demagogen viel zu einfach.

Steinmeier forderte „demokratische Regulierungen“ und konkrete Maßnahmen: „Wir brauchen glasklare Herkunftssiegel für Informationen – und das vor allem, wenn es um politische Werbung geht.“

re:publica: Digitalkonferenz erstmals von einem Bundespräsidenten eröffnet

Mit Steinmeier eröffnete erstmals ein Bundespräsident die Digitalkonferenz. In seiner Rede sprach sich das deutsche Staatsoberhaupt auch für eine vernünftigere und zivilisiertere Debattenkultur im Internet aus. Er frage sich, warum gerade die politischen Debatten, die er im Netz erlebe, „so oft dazu neigen, toxisch zu werden“, sagte Steinmeier.

„Wenn uns die Zukunft dieser Demokratie am Herzen liegt, dann müssen wir uns um die politische Debattenkultur im Netz gemeinsam kümmern.“ Die drängendste Aufgabe sei nicht etwa die „Digitalisierung der Demokratie, sondern die Demokratisierung des Digitalen“.

Motto der re:publica ist „tl;dr: too long; didn’t read“

Die re:publica, die noch bis einschließlich Mittwoch stattfindet, steht in diesem Jahr unter dem Motto „tl;dr: too long; didn’t read“. Damit sei die re:publica dem Kleingedruckten gewidmet, erklärten die Veranstalter. „Den Fußnoten. Der Kraft der Recherche, dem Wissen und der Kontroverse. Der Notwendigkeit und Dringlichkeit, die Themen kritisch zu hinterfragen, die polarisieren, uns spalten – oder auch vereinen.“

Die Welt scheint komplexer geworden zu sein, sagte re:publica-Programmleiterin Alexandra Wolf am Montag. Darauf werde viel zu häufig mit Verkürzungen reagiert, die Demagogen und Menschenfeinden die Türen öffneten. Die re:publica allerdings solle ein sogenannter Long-Read sein, so Wolf.

Das Motto findet sich auch in den Hallen wieder. Über den Köpfen der Besucher hängt auf einer kilometerlangen Druckfahne der gesamte Text von Herman Melvilles Roman Moby-Dick. „Jeder weiß, es geht um einen Wal, aber keiner hat es gelesen“, sagte die Organisatorin. Auf der dreitägigen re:publica soll deswegen der Roman komplett vorgelesen werden, so Wolf.

Steinmeier auf der re:publica: Er referiert über Fontanes „Stechlin“

Bundespräsident Steinmeier bezeichnete in seiner Rede das diesjährige Motto als „ein Weckruf an die politische Debattenkultur“ sowie „Weckruf gegen den Zeitgeist der Verkürzung“. Steinmeier referierte in seiner Rede auch auf den Theodor-Fontane-Roman „Der Stechlin“.

Fontane beschrieb darin vor gut 200 Jahren den Verfall der alten Welt und ihrer Sitten, auch, weil eine in dem Telegramm eine neue Technologie das Königreich Preußen erschütterte. Dass sich mit Technologie auch Kulturpraxis verändere und manche dann prompt den Sittenverfall beklagten, sei also nicht neu, sagte der Politiker.

Preußen sei daran allerdings nicht zugrunde gegangen. „Ich bin der Überzeugung: Weder Telegramme noch Tweets können aus sich heraus die Demokratie zersetzen. Und ersetzen kann Technologie die Demokratie schon lange nicht“, sagte Steinmeier.

Auch EU-Wettbewerbskommissarin und die Bundesfamilienministerin

Der Bundespräsident ist nicht der einzige Politiker, der die re:publica besuchen wird: Mit Spannung erwartet wird auch der Auftritt von Margrethe Vestager am Dienstag. Die EU-Wettbewerbskommissarin setzt sich leidenschaftlich gegen eine Monopolisierung der Internetriesen und für offene, faire Märkte ein. Außerdem stellt sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) Fragen von Jugendlichen.

Im vergangenen Jahr hatte es Diskussionen um einen Auftritt der Bundeswehr am Rande der Konferenz gegeben. So wurde die Teilnahme an der re:publica verweigert – die Bundeswehr protestierte.

Hype-Thema Podcasts? Darum geht es wirklich

Ein großes Thema auf der re:publica sind Podcasts. Allein 14 Sessions – so heißen hier die Vorträge, Workshops und Podiumsdiskussionen – beschäftigen sich mit Audioinhalten, die eben längst nicht mehr nur aus dem Radio kommen, sondern meistens über Smartphones oder (noch eher selten) über smarte Lautsprecher gehört werden. In den vergangenen Monaten sind eine ganze Reihe journalistischer Podcasts hinzugekommen.

Auch bei vielen klassischen Verlagshäusern und digitalen Medienunternehmen. Immer häufiger kommen darin Journalisten zu Wort, von denen man sonst nur geschriebene Texte kennt. „Ich glaube, dass ein Podcast für Transparenz im Journalismus sorgen können“, sagt Marcus Engert, Reporter bei Buzzfeed.

Auch Laura Terberl von der Süddeutschen Zeitung, die inzwischen eine ganze Reihe von Podcasts herausgibt, hat die Erfahrung gemacht, dass Leser es interessant finden, die Autoren zu hören. Was sich übrigens auch in den Reaktionen niederschlägt. „Es kommen deutlich weniger Hassmails auf Podcasts“, sagt Marc Krüger von T-Online. Positive Reaktionen würden überwiegen.

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Wie die Entwicklung von Podcasts in den USA abläuft

Wie bei vielen Netz-Inhalten, sind auch bei Podcasts Fragen der Finanzierung noch nicht geklärt. Zwar investieren Unternehmen in den USA teilweise Millionen in Podcasts, in Deutschland steht der Markt aber erst noch am Anfang. Die Entwicklung erinnert an die Debatte um Blogs, die in früheren Jahren die re:publica bestimmt hat.

Wie damals bei Blogs, haben sich heute einerseits viele Nischen für Podcasts gebildet, auf der anderen Seite gibt es eine wachsende Kommerzialisierung in Richtung Mainstream. Problem bei Podcasts: Erfolg lässt sich oft nur schwer messen, was sie aber erst für Werbetreibende interessant machen würde. Auch deshalb gibt es einen Trend, der bei Serien und Filmen schon länger anhält: Geschlossene Audio-Plattformen wie Spotify, Deezer oder Audible von Amazon binden prominente Stimmen an sich, um das eigene Angebot attraktiver zu machen.

Welche Entwicklung Podcasts nehmen, auch darüber wird auf der re:publica in den nächsten drei Tagen weiter diskutiert. „Lasst es uns weder Hype, noch Krieg nennen“, appelliert Marc Krüger von T-Online.

Was die Besucher der re:publica 2019 erwartet


Bei der re:publica berichten Sprecher aus ganz unterschiedlichen Perspektiven – möglichst zum Schwerpunktthema dieses Jahres. Vom 6. bis 8. Mai gibt es Hunderte Sessions – teils sind das Vorträge, teils auch Seminare und Workshops. Hier geht es zum kompletten Programm der re:publica 2019.

In diesem Jahr begleitet die Media Convention Berlin (MCB) parallel die re:publica.

Johan Rockström, Direktor des Potsdamer Institute for Climate Impact Research, wird ebenso auf der Bühne stehen, wie Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Auch „Fridays for Future“-Aktivistin Luisa Neubauer wird erwartet. Ein besonderes Highlight zum Abschluss ist der Auftritt von Astronaut Alexander Gerst.

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weitere Videos

    So viele Besucher hat die re:publica 2019

    In diesem Jahr werden mehr als 10.000 Besucher erwartet. Die Veranstaltung findet in der Station Berlin statt, in der auch andere Messen und Konferenzen regelmäßig stattfinden, so auch erst kürzlich der FDP-Parteitag.

    Gestartet war die re:publica im Jahr 2007 mit rund 700 Besuchern. Bereits zwei Jahre später wurde die Grenze von 1000 Besuchern deutlich überschritten.

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    Das kosten Tickets für die re:publica 2019?

    Die Ticketpreise bei der re:publica reichen von 10 Euro für Schnuppertickets zum Abendprogramm bis hin zu Business-Tickets für 710 Euro. Vor allem Tickets für das Abendprogramm mit Konzerten und Partys waren im Online-Shop auch am ersten Tag der Konferenz noch verfügbar. (Dominik Bath und Marc Hippler mit dpa/ac)