Berlin. Chelsea Manning leakte Hunderttausende Dokumente über den Irak-Krieg. Bei der re:publica sprach sie über Moral im digitalen Zeitalter.

Chelsea Manning gehört neben Edward Snowden zu den bekanntesten Freiheitskämpfern der digitalen Ära. Wie auch Snowden opferte sie ihr privates und berufliches Leben, um über die amerikanische Kriegspolitik aufzuklären. In ihrer Zeit beim US-Militär spielte Manning der Enthüllungsplattform Wikileaks mehrere Hunderttausend geheime Dokumente über den Irak-Krieg zu.

Als Datenspezialistin war Manning im Irak für die Erstellung von regionalen Sicherheitsberichten verantwortlich. Mithilfe ihrer Analysen plante das US-Militär seine Angriffe. So wurde Manning indirekt zur Richterin über Leben und Tod. Besonders gefährlich seien bei diesen „Life/Death Decisions“ unvollständige oder nicht verständliche Datensätze gewesen, berichtete Manning nun bei der Digitalkonferenz re:publica in Berlin. Im schlimmsten Fall seien so unschuldige Zivilisten zu Tode gekommen. Diese Zeit prägte Mannings Haltung zu Big Data nachhaltig.

Geld wichtiger als Moral

Dass Daten über unser Leben entscheiden, ist Manning zufolge auch in der zivilen Welt gegeben. So wisse die Suchhistorie des Internet-Browers oft mehr über einen Menschen als dessen engste Freunde. Dieses Wissen werde oft dazu verwendet, um Geld zu verdienen. Bestes Beispiel: personalisierte Online-Werbung.

futurezone Interview republica Direktorin Jeannine Koch

weitere Videos

    Den großen Online-Unternehmen wie Google oder Facebook sei es auch egal, dass Rassismus und Diskriminierung durch die bestehenden Strukturen nicht aufgebrochen, sondern in die digitale Sphäre übertragen würden, so Manning. Das Einzige, was zähle, sei nun mal Geld.

    Algorithmen diskriminieren

    Schuld an der digitalen Diskriminierung sei auch die Funktionsweise von Algorithmen. Manning appellierte an Programmierer und Nutzer, diese in Zukunft diskriminierungsfrei zu gestalten. Programmierer dürften sich nicht als reine Auftragsarbeiter verstehen, die ein Produkt lieferten, sondern müssten sich bewusst machen, welche Auswirkungen ihre Arbeit auf die Gesellschaft haben könnte.

    Einsatz für Zivilcourage auf der re:publica

    weitere Videos

      Entwickler müssten sich einen eigenen ethischen Code auferlegen, der garantiere, dass ein Programm keinen Schaden anrichten kann. Zudem sei eine divers aufgestellte Entwickler-Community notwendig, um die Vielfältigkeit der Lebensentwürfe auch im Programmcode abbilden zu können, so Manning, die bis April 2014 als Bradley Edward Manning lebte.

      Was Nutzer ändern müssen

      Auf der anderen Seite müsse der Nutzer aktiv aus der eigenen Filterblase ausbrechen. Natürlich sei es angenehm, nur die Nachrichten zu lesen, die dem eigenen Weltbild entsprechen, so Manning. Doch jedesmal, wenn man auf etwas klickt, was der Algorithmus anzeigt, bestätige man das Programm in seinem Handeln.

      Eine Schauspielerin unterwegs als Helferin

      weitere Videos

        Das Umdenken dürfe jedoch nicht nur im Digitalen stattfinden. Manning forderte eine kulturellen Wandel auch in der Offline-Welt. Die Menschen sollten wieder aufeinander zugehen und miteinander reden.

        Die Grenze der Gesprächsbereitschaft

        Gerade weiße Menschen der Mittelschicht müssten sich ihrer Privilegien bewusst werden, sagte Manning. Zwar dürfe man nicht allen Menschen eine öffentliche Plattform verbieten, doch sollte wieder mehr im Privaten diskutiert werden, vor allem mit Personen, die nicht die eigene politische Meinung teilen.

        Eine klare Grenze zieht Manning allerdings: Mit Menschen, die einen Genozid fordern, wolle sie nicht diskutieren.

        Dieser Text erschien zu erst auf www.futurezone.de – dem Tech-Portal der Funke Mediengruppe.

        Disclaimer: futurezone.de ist Medienpartner der re:publica 18.