Köln. Wer keine Werbung im Netz sehen will, installiert sich die App AdBlock. Allerdings können Betreiber von Internetseiten sich freikaufen.

Für alle Internetnutzer, die keine Werbung sehen wollen, ist „Adblock plus“ mehr als nützlich. Die App blockiert kommerzielle Banner und das Aufpoppen von Werbefenstern. Das junge Unternehmen Eyeo GmbH aus Köln bietet das Produkt zum kostenlosen Download an. Was viele User als etwas Positives sehen, ist für zahlreiche Unternehmen aber ein Graus. Schließlich basiert das Geschäftsmodell von Medienkonzernen im Internet gerade auf Werbung. Das ist aber noch nicht alles: Eyeo verdient Geld damit, dass Unternehmen ihre Internetseiten auf eine Aufnahme-Liste („Whitelist“) setzen lassen können: Wer an Eyeo zahlt, dessen Werbung ist trotz „Adblock“ sichtbar.

Mit globalen Konzernen wie Google und Amazon ist Eyeo bereits ins Geschäft gekommen. Als Filter verschiedener Werbeformen dient eine sogenannte „Easylist“, die laufend aktualisiert und auch von anderen Werbeblockern eingesetzt wird. Johannes Vogel, Digital-Geschäftsführer der „Süddeutschen Zeitung“, spricht deshalb von einer „Monopol-artigen Marktstellung“ des „Weltmarktführers“ Eyeo. Adblock plus wurde nach Angaben des Unternehmens weltweit über 500 Millionen Mal heruntergeladen.

„Es geht darum, Werbegelder abzugreifen“

Man könnte es eine raffinierte Idee nennen, mit der Umgehung des eigenen Produkts Geld zu verdienen. Kritiker wie Oliver von Wersch nennen das Geschäftsmodell von Eyeo „mindestens sittenwidrig“, andere werfen dem Unternehmen gar Erpressung vor. „Ganz offensichtlich geht es Eyeo in erster Linie darum, Teile von Werbegeldern abzugreifen“, erklärt Knud Andresen, Sprecher des Axel-Springer-Konzerns.

Eyeo-Sprecherin Laura Sophie Dornheim weist die Vorwürfe zurück: „Unternehmen zur Nutzung unseres Services zu nötigen, ist definitiv nicht Teil unseres Geschäftsmodells“, sagt sie. Die Betreiber von 90 Prozent der Webseiten auf der Whitelist müssten nichts bezahlen, nur große Unternehmen müssten Lizenzgebühren entrichten.

Bisher erfolglose Gerichtsverfahren

Vor Gericht bekam Eyeo weitgehend Recht: In fünf Verfahren haben Medienunternehmen, darunter Axel Springer, bisher vergeblich versucht, Adblock plus mit wettbewerbs- und urheberrechtlichen Argumenten verbieten zu lassen. Ein sechstes, angestrengt von Spiegel Online, steht unmittelbar bevor.

In den ersten Verfahren geht es bereits in die zweite Runde: Axel Springer hat Berufung eingelegt, am 20. Mai beginnt die mündliche Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Köln. Man darf wohl davon ausgehen, dass es zu einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) kommen wird, aber das kann dauern.

Als Präzedenzfall gilt das Verfahren, das RTL einst gegen die „Fernsehfee“ angestrengt hatte, ein Gerät, mit dessen Hilfe Zuschauer die Werbeblöcke im Fernsehprogramm unterdrücken konnten. Der BGH urteilte 2004, dass werbefinanziertes Fernsehen dadurch „zwar erschwert, aber nicht existenziell bedroht“ werde.

Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe

Unklar ist, wie groß die Einnahmeverluste der Digitalwirtschaft durch Werbeblocker sind. Bernd Nauen, Geschäftsführer des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), kommt per Hochrechnung auf die Zahl von jährlich 336 Millionen Euro, die den Medien und werbefinanzierten Diensten nicht zur Verfügung stehen würden.

Oliver von Wersch, der auch für den Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) spricht, hält „detaillierte Schätzungen nur für mäßig seriös, weil die Adblock-Rate nicht automatisch auf entgangene Einnahmen schließen lässt“. Der BVDW gehe, „bezogen auf die Gesamtumsätze im digitalen Markt, von einem erheblichen Schaden im neunstelligen Bereich aus“.

Digitale Gegenmaßnahmen

Die Adblock-Rate, die der OVK seit vergangenem Jahr durch Umfrage bei seinen Mitgliedern ermittelt, sinke in Deutschland zurzeit moderat, sagt von Wersch. Demnach wird bei einem guten Fünftel der Page-Impressions Werbung geblockt.

Erfolgreicher als vor Gericht sind die Unternehmen offenbar mit Gegenmaßnahmen im Netz: Bei „Bild.de“ und einigen G+J-Webseiten können Nutzer nur dann weiterlesen, wenn sie den Werbeblocker ausschalten oder ein Digital-Abo abschließen.

Laut Andresen ist bei „Bild.de“ die Adblocker-Rate seit dem Start im vergangenen Oktober um 80 Prozent gesunken und die vermarktbare Reichweite um rund zehn Prozent gestiegen. „Süddeutsche Zeitung“ und Spiegel Online erwägen, dem Modell zu folgen. G+J will in den nächsten Wochen auch Stern.de mit einem Werbeblocker-Blocker ausstatten. (epd)