Berlin. Wegen einer Verunreinigung wurden europaweit Präparate gegen Bluthochdruck aus dem Verkauf genommen. Was Patienten jetzt wissen müssen.

Anfang Juli wurden europaweit Präparate zur Behandlung von Bluthochdruck und Herzschwäche zurückgerufen, die den Wirkstoff Valsartan eines bestimmten Herstellers enthielten. Grund für den Rückruf war eine mögliche Verunreinigung mit einem Stoff, der nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) potenziell Krebs verursachen kann. Inzwischen sind alle Präparate aus dem Verkauf genommen, auch in Deutschland. Doch viele Patienten sind weiterhin verunsichert. Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Warum wurden Präparate zurückgerufen?

Bei einer Kontrolle wurden Verunreinigungen des von der chinesischen Firma Zhejiang Huahai Pharmaceuticals hergestellten Wirkstoffs Valsartan festgestellt. Der Wirkstoff wird von Pharmaunternehmen in Europa verwendet, um Arzneimittel gegen Bluthochdruck und Herzschwäche herzustellen. Die Kontrolle hatte der chinesische Wirkstoffhersteller selbst im Rahmen der Produktion für einen spanischen Arzneimittelhersteller durchgeführt.

Die Verunreinigung trägt den Namen N-Nitrosodimethylamin (NDMA). Dieser Stoff entsteht auch beim Pökeln von Fleisch oder beim Grillen. Er wird von der Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO und der EU als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ eingestuft.

Wie viele Menschen sind Betroffen?

Bis zu 900.000 Menschen in Deutschland könnten allein 2017 möglicherweise verunreinigte Blutdruckmittel eingenommen haben. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor.

Wie konnte NDMA in das Valsartan gelangen?

Der Wirkstoff Valsartan soll den Blutdruck senken.
Der Wirkstoff Valsartan soll den Blutdruck senken. © iStockphoto | iStockphoto/ginosphotos

Der chinesische Hersteller hat im Jahr 2012 sein Produktionsverfahren umgestellt. Bei diesem geänderten Verfahren kann laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) NDMA als Nebenprodukt entstehen. Ob das auch bedeutet, dass die Verunreinigung auch seit 2012 besteht, ist unklar. Bekannt wurde die Verfahrensumstellung erst jetzt. Ob der Wirkstoff von anderen Herstellern, die ein ähnliches Produktionsverfahren anwenden, auch verunreinigt ist, wird von BfArM und dem Europäischen Direktorat für Arzneimittelqualität (EDQM) geprüft.

Bedeutet eine Verunreinigung des Wirkstoffs automatisch eine Verunreinigung des Präparats?

Das ist Teil der Untersuchungen im Moment. Von einigen Zulassungsinhabern wird es jedoch als wahrscheinlich angesehen, dass NDMA auch in den Fertigarzneimitteln enthalten ist. „Es ist aber davon auszugehen, dass die Dosierungen in den Präparaten relativ gering sind“, sagt Professor Gerd Glaeske von der Universität Bremen.

Was weiß man über das gesundheitliche Risiko?

Ein akutes Gesundheitsrisiko besteht laut BfArM nicht. Über die langfristigen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit weiß man derzeit noch relativ wenig – „zumal bei der niedrigen Dosierung, die in diesem Fall vermutet wird“, sagt Glaeske. Bei Tieren löse NDMA Glaeske zufolge Leber-, Lungen- und Nierentumore aus.

Das langfristige Risiko soll nun untersucht werden – wie genau?

„Üblich ist es, an Hand von Tierversuchen zu klären, welche Dosierung krebserregend ist“, erklärt Glaeske. Die Ergebnisse würden aus dem Tierversuch auf den Menschen übertragen. Das dauere einige Wochen bis Monate.

Woher wissen Patienten, ob ihr Präparat betroffen ist?

Ob das eigene Präparat auch vom Rückruf betroffen ist, können Patienten im Internet auf einer kontinuierlich von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände aktualisierten Liste nachlesen: www.abda.de. Wer kein Internet hat, fragt bei Arzt oder Apotheke nach. „Denn in oder an der Packung ist nicht ersichtlich, wer die Bestandteile des Präparats herstellt“, kritisiert Glaeske.

Wie sollen sich Patienten verhalten, deren Präparat betroffen ist?

Das Wichtigste betonen Experten seit Beginn des Rückrufs immer wieder: Niemand soll ein Präparat einfach auf eigene Faust absetzen. Denn das gesundheitliche Risiko eines Absetzens liege um ein vielfaches höher als das mögliche Risiko durch eine Verunreinigung mit NDMA. Das betont auch Glaeske. „Die Betroffenen sollten lieber die ein oder zwei Tage warten und dann mit dem Arzt Alternativen besprechen.“

Die gibt es und machen sogar den größeren Teil des Marktes aus, betont Glaeske. So sind die Hersteller TAD, Mylan dura, Aurobindo und der Originalhersteller Novartis nicht von dem Rückruf betroffen. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) empfiehlt Ärzten und Apothekern in einem aktuellen Schreiben, bei betroffenen Patienten auf Präparate dieser Hersteller zurückzugreifen, und verweist außerdem auf Alternativen aus der Gruppe der Sartane oder ACE-Hemmer, „die aber bei 20 bis 30 Prozent der Patienten zu allergischen Reaktionen führen“, betont Glaeske.

Kommen auf die betroffenen Patienten Kosten zu?

Ob die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für ein Alternativpräparat übernehmen, müssen Patienten individuell erfragen. Sowohl die Techniker Krankenkasse als auch die Barmer haben aber bereits erklärt, Kosten zu übernehmen. Das gelte auch für Zuzahlungen.