Berlin. Schummeln Krankenkassen bei der Abrechnung – und lassen Patienten kränker erscheinen, als sie sind? So sieht es zumindest der TK-Chef.

Schummeln die Krankenkassen bei der Abrechnung von Leistungen – und lassen damit Patienten kränker erscheinen, als sie sind? So stellt es der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, dar. Seine Sätze sorgen nun für eine kontroverse Debatte.

Baas hatte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gesagt: „Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren.“ Dann gebe es mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich.

Mehr noch: „Die Kassen bezahlen zum Beispiel Prämien von zehn Euro je Fall für Ärzte, wenn sie den Patienten auf dem Papier kränker machen.“ Es gebe sogar Verträge mit Ärztevereinigungen, die mehr und schwerwiegendere Diagnosen zum Ziel hätten. Besonders intensiv würden die regionalen Kassen diese Schummelei betreiben. „Sie bekommen 2016 voraussichtlich eine Milliarde Euro mehr als sie für die Versorgung ihrer Versicherten benötigen.“

Werden Krankheiten verfälscht eingeordnet?

In der Branche sind die Aussagen des TK-Chefs mit Verwunderung aufgenommen worden. So wies ein Sprecher der Krankenkasse DAK-Gesundheit Baas’ Einschätzungen „entschieden zurück“. Auch ein Sprecher der IKK-Classic schloss für seine Kasse das sogenannte „Upcoding“ – die verfälschende Einordnung einer Erkrankung – aus. Die Barmer GEK wies ebenso die Vorwürfe von sich. Man gehöre nicht zu den Krankenkassen, „die Ärzte dazu verleitet, Patienten kränker zu diagnostizieren, als sie wirklich sind“, so ein Sprecher.

Doch der Präsident der Bundesärztekammer Frank Ulrich Montgomery sieht es anders. Er wirft den Kassen Drückermethoden vor, damit Ärzte ihre Patienten kränker darstellen. „Die Krankenkassen nötigen die Ärzte dazu, die Diagnosen nach oben anzupassen“, sagte Montgomery dieser Redaktion. Darauf sei immer wieder hingewiesen worden. „Die Kassen setzen Callcenter und Drückerkolonnen ein. Das ist reine Verschwendung von Beitragsmittel und Betrug am Patienten.“

Montgomery: Praktiken schon lange bekannt

Der Ärzte­präsident kritisierte, dass diese Methoden dem Gesetzgeber „schon lange bekannt“ seien. „Offensichtlich wird von den Landesaufsichtsbehörden nicht hinreichend kon­trolliert.“ Montgomery nannte es „unerhört, dass diejenigen, die Ärzten immer wieder Korruption vorwerfen, sich selbst korrupt verhalten“. Er glaube nicht, „dass sich viele Ärzte daran beteiligen“.