Deutschland liegt damit in Europa weit hinten. Auf dem Transplantationskongress in Hamburg diskutieren Experten, wie sich das ändern lässt.

Hamburg. Im vergangenen Jahr starben in Deutschland 842 000 Menschen, aber nur 1217 spendeten nach ihrem Tod Organe. Das war etwa jeder 700. Auch wenn nicht alle Verstorbenen als Organspender infrage kommen, dokumentieren die Zahlen ein eklatantes Maß an ungenutzten Chancen. Zumal laut Deutscher Stiftung Organtransplantation etwa 12 000 Patienten auf ein Spenderorgan warten. Doch wie lassen sich mehr Menschen als potenzielle Organspender gewinnen? Dies ist eine der zentralen Fragen, die 700 Experten seit gestern auf dem Kongress der deutschen Transplantationsgesellschaft im CCH diskutieren.

Die Zahl der Transplantationen nach dem Tode in Deutschland lag im vergangenen Jahr bei 4709. Am häufigsten wurden Niere und Leber transplantiert, gefolgt von Herz und Lungen. Seltener wurden auch Bauchspeicheldrüse und Dünndarm verpflanzt. "Wir müssen dringend etwas tun, um die Organspenderaten zu steigern. Es wird immer darüber geredet, aber zu wenig gemacht ", kritisiert Prof. Hermann Reichenspurner, einer der beiden Kongresspräsidenten und Direktor des Universitären Herzzentrums am Uni-Klinikum Eppendorf. 20 Prozent der Patienten, die auf eine Transplantation von Herz oder Lunge warten, stürben, bevor ein Spenderorgan zur Verfügung stehe.

Um zu neuen Lösungen zu kommen, haben Prof. Reichenspurner und Prof. Björn Nashan, Direktor der Klinik für Hepatobiliäre Chirurgie am UKE und ebenfalls Kongresspräsident, eine öffentliche Podiumsdiskussion zum Thema "Transplantation und Organmangel" auf die Tagesordnung gesetzt (9. Oktober, 11.30 bis 14 Uhr, Saal G). Ärzte, Politiker, Patienten sowie Vertreter von Kirchen und Organisationen werden gemeinsam erörtern, wo das Problem in Deutschland liegt und was andere Länder besser machen.

"Denn mit 14 Organspendern pro einer Million Einwohner liegt Deutschland in Europa im hinteren Drittel. Führend ist Spanien mit 32 Organspendern auf eine Million Einwohner", sagt Reichenspurner. In Österreich und Belgien kommen auf eine Million Einwohner etwa 22 Organspender, der Durchschnitt in der EU liegt bei 18. Ein Grund für die Differenz seien auch unterschiedliche gesetzliche Regelungen: Während man in Deutschland einer Organspende ausdrücklich zustimmen muss, gilt in anderen Ländern wie zum Beispiel Spanien die Widerspruchslösung, das heißt: Jeder wird als potenzieller Organspender betrachtet, es sei denn, er hat dieses ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem gibt es in Spanien in vielen Kliniken Koordinatoren, die für die Organisation der Organspende zuständig sind.

Eine hohe Spenderate hat der Iran. Die staatliche Organisation der Lebendspende mit einer Gegenleistung in Form von Geld, Krediten, Stipendien "hat dazu geführt, dass dort keine Patienten mehr an der Dialyse auf eine Spenderniere warten müssen, sondern alle transplantiert werden können", sagt Nashan. Über dieses Modell werde jetzt auch in den USA diskutiert.

Gesetzliche Regelungen verschärfen in Deutschland das Problem zusätzlich. So dürfen hier einem Patienten nur dann Organe entnommen werden, wenn zwei Spezialisten unabhängig voneinander seinen Hirntod festgestellt haben. Das ist aber nur möglich, wenn das Herz des Spenders noch schlägt. "Hat sein Herz aufgehört zu schlagen, ist in Deutschland die Organspende verboten, im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern, wo sie auch in diesen Fällen zulässig ist", sagt Reichenspurner.

Doch nicht nur der Mangel an Spenderorganen ist ein Problem, auch in der Therapie der Organempfänger stoßen die Ärzte an ihre Grenzen. "Der wissenschaftliche Schwerpunkt des Kongresses ist die Abstoßungsreaktion auf das fremde Organ, die auf der Bildung von Antikörpern basiert", erklärt Nashan. Die Antikörper werden von bestimmten weißen Blutkörperchen, sogenannten B-Lymphozyten, gebildet. Die Abwehrreaktion könne durch Infekte ausgelöst werden oder dadurch, dass Patienten nicht regelmäßig ihre Medikamente nehmen.

"Die Abwehrreaktion aufgrund von Antikörpern ist das Hauptproblem beim Langzeiterfolg. Wenn man sagt, nach zehn Jahren funktionieren nur noch 50 Prozent der transplantierten Nieren, dann gehen davon fast 80 Prozent auf das Konto dieser chronisch immunologischen Prozesse. Betroffen sind meistens Herz und Niere", sagt Nashan. Zwar gibt es noch keine erfolgreiche Therapie, aber auf dem Kongress werden neue Ansätze diskutiert.

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Auch die Diagnosestellung ist sehr schwer. "Die akute Abstoßungsreaktion durch T-Lymphozyten können wir gut erkennen, weil eine Gewebeentnahme typische Veränderungen zeigt. Die antikörpervermittelte Abwehrreaktion ist nicht so leicht zu erkennen und erfordert eine sehr aufwendige Diagnostik", sagt Reichenspurner. Deswegen ist ein weiterer Schwerpunkt des Kongresses die Entwicklung von diagnostischen Markern, also dem Nachweis von Antikörpern im Blut, die eine solche Abwehrreaktion des Körpers anzeigen.

Zudem geht es bei der Tagung darum, wie Spenderorgane auf den teilweise langen Transportwegen geschützt werden. "Es wird über Perfusionsmaschinen berichtet, mit denen die Organe durchspült werden. In diesen Geräten werden die Organe in die Kliniken gebracht", sagt Reichenspurner.