Ganzheitliche Zahnmedizin betrachtet den kompletten Körper. Die Auslöser für viele akute und chronische Erkrankungen liegen im Mund. Alternative Methoden sollen Abhilfe schaffen.

Bernd Zander ist ein viel beschäftigter Manager. Er ist Erfolg gewohnt. Wenn nur seine Zahnschmerzen nicht wären. Bisher hat kein Zahnarzt die Ursache finden können. Zusätzlich plagen den 43-Jährigen seit Wochen unerklärliche Kopf- und Nackenschmerzen. Sein Orthopäde überweist ihn schließlich an die Fachärztin Babette Klein.

Die Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie kombiniert Naturheilverfahren und Kieferchirurgie in einem ganzheitlichen Ansatz. Die Grundidee lautet: "An jedem Zahn hängt ein ganzer Mensch". Die ganzheitliche Zahnmedizin beruht auf der Erkenntnis, dass der Auslöser vieler akuter oder chronischer Erkrankungen im Mund liegt. Jeder Zahn steht in einer energetischen Beziehung zu inneren Organen. So sind die Schneidezähne der Niere und Blase zugeordnet. Das bedeutet, dass die Erkrankung eines Zahnes nicht auf diesen beschränkt bleiben muss, sondern zu Schäden an anderen Organen führen kann und umgekehrt. Aktuelle Forschungsergebnisse bestätigen die Zusammenhänge zwischen oraler und allgemeiner Gesundheit. So können Nacken-, Rücken- oder Kopfschmerzen sowie Ohrgeräusche (Tinnitus) ihre Ursache in Störungen des Kiefergelenks haben. Akupunktur, Homöopathie, Neuraltherapie und Störfelddiagnostik sind einige Methoden, die Klein anwendet. Viele ihrer Patienten haben bereits mehrere Ärzte konsultiert, bevor sie vor Babette Klein sitzen. Sie erhebt zunächst eine umfangreiche Anamnese und stellt dem Patienten viele Fragen.

Die Medizinerin, die in Bremen fünf Jahre lang als Rettungsärztin Patienten versorgte und sechs Jahre im UKE in der Kieferchirurgie arbeitete, hat auch eine spezielle homöopathische Rezeptur gegen Schmerzen entwickelt. "30 Prozent meiner Patienten kommen dadurch ohne Schmerztabletten aus." Auch bei Angstpatienten verwendet Klein zur Entspannung vor der Operation homöopathische Mittel, ebenso wie zur Wundheilung. Die Ärztin verzichtet möglichst auf Antibiotika - nicht nur bei Implantatpatienten, sondern auch bei großen Eingriffen - da Antibiotika immer auch die Darmflora verändern. Kann sie im Einzelfall nicht auf die Gabe eines Antibiotikums verzichten, gleicht sie die Wirkung durch Enzyme zum Aufbau der Darmflora aus. "Wir Ärzte tragen eine große Verantwortung - auch beim Erhalt der Immunabwehr unserer Patienten", sagt Klein.

Zu der Fachärztin, die zugleich Anästhesistin ist und ihre Zusatzqualifikation für Naturheilverfahren an der Ärztekammer abgelegt hat, kommen Patienten aus ganz Deutschland. Klein hat eine besonders sanfte Operationsmethode entwickelt. Dazu gehören ein spezielles Mikroskop und die Arbeit mit einem Ultraschallmesser. "Ich bohre den Knochen nicht weg, sondern teile den Zahn mit einem Ultraschallmesser. Dies ist eine neue Technik, um ohne Knochenverlust zu schneiden." Die Methode dauere länger und sei teurer als herkömmlichen Methoden. Das Ziel der Ärztin ist, das Trauma der OP beim Patienten so klein wie möglich zu halten. Ebenfalls ungewöhnlich: Die Wunde desinfiziert Klein mit Ozon. Nach dem Nähen spritzt die Chirurgin Procain, ein Mittel der Neuraltherapie. Es erweitert die Gefäße, welche durch die Lokalbetäubung zunächst verengt wurden. Zugleich unterstützt Procain die Heilung und hemmt die Schmerzen. Ihre sanfte OP-Methode wendet die Ärztin bei Kassen- sowie bei Privatpatienten an. Klein vermisst die Bereitschaft von Kollegen, über den beruflichen Tellerrand zu schauen. "Es wird exzessiv an Symptomen gearbeitet statt die Zusammenhänge im Körper zu sehen."

Wie Babette Klein, die Akupunktur bei Würgereiz oder akuten Kiefergelenksperren, die zu Nackenschmerzen und Tinnitus führen können, einsetzt, macht auch der Zahnarzt und Heilpraktiker Martin Krüger gute Erfahrungen mit dieser jahrtausendealten Methode. "Die traditionelle wissenschaftliche Medizin hat ihre Grenzen. Die Erfahrungsschätze der Naturheilverfahren sind eine wertvolle Ergänzung und stellen keine Konkurrenz dar", sagt Krüger. So könne die Neuraltherapie beruhigend auf einen Zahn wirken. "Dadurch lässt sich der Zahnnerv erhalten, ohne eine Krone aufbohren oder teuren Zahnersatz fertigen zu müssen."

Zum ganzheitlichen zahnmedizinischen Ansatz gehört auch die Störfeldsuche, für die Klein einen speziellen Muskeltest durchführt, eine Leistung, die ihre Patienten selbst zahlen müssen. Störfelder liegen zu 70 Prozent im Kopfbereich, die meisten an den Zähnen, andere an den Mandeln oder dem Darm. Auch ein wurzeltoter Zahn kann ein Störfeld und damit die Ursache für chronische Schmerzen sein. Deshalb vermeidet Babette Klein nach Möglichkeit tote Zähne.

Um Unverträglichkeiten durch Dentalmaterialien geht es in der noch jungen Disziplin der Umweltzahnmedizin. So führt Klein, die fast täglich implantiert, zuvor bei den Patienten einen speziellen Labortest durch, um mögliche Unverträglichkeiten festzustellen. Als Materialien verwendet die Ärztin für Implantate vorwiegend Titan und Zirkon, eine besondere harte Keramikart, die bioverträglich ist.