Sabrina Beul hat erlebt, wie sich der Umgang mit HIV und Aids verändert hat. Heute fordert sie: Unsere Jugend braucht bessere Aufklärung.

Hamburg. Wie sich die Wahrnehmung von HIV und Aids verändert hat, weiß Sabrina Beul aus eigener Erfahrung. Vor gut 22 Jahren infizierte sie sich bei ihrem damaligen Freund. Wahrscheinlich hatte er sie betrogen, sicher weiß sie das nicht. Er war ins Krankenhaus eingeliefert worden, weil es ihm sehr schlecht ging. Wenige Tage später starb er. Die damals 28-Jährige erfuhr, dass sie sich angesteckt hatte. "Willkommen im Klub. Sie sind HIV-positiv", sagte der Arzt. "Ich zog mich zurück und redete mit niemandem darüber. Ich hatte riesige Angst vor der Angst der anderen", sagt Sabrina Beul. "Mir hat man damals einen Totenkopf an die Tür gemalt, nachdem Nachbarn von meiner Krankheit erfahren hatten."

Sabrina Beul fordert mehr Aufklärung und weniger Stigmatisierung. Nur durch mehr Bewusstsein in der Bevölkerung könne verhindert werden, dass Menschen noch immer nicht wissen, was HIV bedeutet. Dass man sich nicht beim Händeschütteln anstecke, wohl aber durch sexuellen Kontakt. Nicht nur aufzuklären hat sie irgendwann beschlossen, sie will mit ihrer Krankheit auch an die Öffentlichkeit gehen. Am Alleinsein verzweifelte sie mehr als an der Vorstellung, durch das Virus zu sterben. Jetzt habe sie ihren Frieden mit der Krankheit gemacht, so gut das eben gehe.

Sabrina Beul ist 51 Jahre alt, wirkt aber jünger. Das liegt nicht nur an ihren kurzen schwarzen Haaren mit den pinkfarbenen Strähnen. Durch ihre Arbeit ist sie mit Jugendlichen zusammen und weiß, wie diese sprechen und was ihnen wichtig ist. Sie leitet den Secondhandladen Spendabel im Schanzenviertel. Das Geschäft bietet Möglichkeiten für Langzeitarbeitslose und junge Menschen ohne Ausbildung. Sabrina Beul weiß, dass viele sich nicht schützen: "Jugendliche sind oft schlecht aufgeklärt. Sex spielt bei ihnen eine immer wichtigere Rolle, Kondome sind aber total uncool", sagt sie.

Die Daten bestätigen das. Während der 90er-Jahre lag die Zahl der HIV-Neuinfektionen bundesweit bei etwa 2000 pro Jahr. Zu Beginn des neuen Jahrtausends wurden es mehr, vor allem bei homosexuellen Männern.

Seit 2007 gibt es etwa 3000 neue Diagnosen jährlich. "Seitdem halten sich die Zahlen auf diesem höheren Niveau", sagt Jörg Korell von der Aidshilfe Hamburg. Bei Jugendlichen sei kein Anstieg zu erkennen. "Die statistisch deutlichen Schwerpunkte der Neuinfektionen liegen in den Altersgruppen der Ende 20-Jährigen und der Ende 30-Jährigen", sagt er. Das überrascht, zumal diese Gruppe vor zehn bis 15 Jahren aufgeklärt wurde. Zu einer Zeit, in der das Thema Aids ständig präsent war. Die Gründe für den Anstieg seit 2007 sind vielschichtig. In den vom Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlichten Zahlen werden lediglich die neuen Diagnosen aufgenommen. Wann eine Infektion erfolgte, bleibt offen. Ein Grund könnte sein, dass sich immer mehr Menschen testen lassen. 2007 stiegen jedoch nicht nur die Zahlen der HIV-Diagnosen, es wurden in Deutschland auch mehr Syphilis-Fälle gezählt. Die Geschlechtskrankheit war in den 90er-Jahren in der Bundesrepublik so gut wie ausgestorben. Eine relativ geringe Zahl der neuen Infektionen wird auf die EU-Osterweiterung und damit zusammenhängende Prostitution zurückgeführt. Nach Angaben des RKI sind aber die meisten Fälle von Syphilis bei homosexuellen Männern diagnostiziert worden. Den Zusammenhang zwischen Syphilis und HIV erklären Forscher damit, dass das Syphilis-Bakterium zu Entzündungen führt und sich der Erkrankte deshalb leichter mit dem Aids-Virus ansteckt.

Hinzu kommt ein sorgloser Umgang mit der Verhütung. Sabrina Beul berichtet, sie habe erlebt, dass ein Mann kein Kondom benutzen wollte, "obwohl er wusste, dass ich HIV-positiv bin. Das konnte ich nicht verantworten."

Auch über 25 Jahre nach der Entdeckung von HIV und Aids ist die beste Prävention die Aufklärung. Diese Aufgabe liegt meist bei privaten Einrichtungen und Stiftungen, die auf die Mitarbeit von Schulen und die Hilfe vom Staat angewiesen sind. "Der Finanzierungsanteil der Stadt Hamburg am Budget der Aids-Hilfe wurde 2001 bis 2008 um mehr als 70 000 Euro gekürzt", sagt Jörg Korell von der Hamburger Aidshilfe. Nach Kämpfen habe die Stadt sich aber bereit erklärt, die Kosten von je 25 Prozent einer Stelle für die Jugendprävention und Prävention bei Einwanderern zu übernehmen.

Vor allem in Schulen sollte mehr über Aids aufgeklärt werden "Es gibt aber Schulleiter, die sagen, dass sie mit so was nichts zu tun haben wollen", berichtet Beul.