Benjamin Brittens „Peter Grimes“ kehrt an die Oper zurück

Mit einer Ouvertüre hält diese Oper, die erste reguläre des britischen Komponisten Benjamin Britten, sich erst gar nicht auf. Vielmehr erklingt gleich nach wenigen einleitenden Takten ein Ruf, der nichts Gutes verheißt: Viermal, auf immer demselben Ton, zitiert der Richter den unseligen Fischer Peter Grimes vor seinen Stuhl. Grimes’ junger Gehilfe William ist zu Tode gekommen, die Umstände sollen geklärt werden. So wortkarg, wie Grimes sie schildert, lassen sie ihn, den undurchsichtigen, unfreundlichen, auch jähzornigen Eigenbrötler, in keinem guten Licht erscheinen. Trotzdem spricht man ihm ein zweites Mal einen Gehilfen zu. Als auch dieser stirbt, gibt es im namenlos bleibenden Fischerdorf in der Grafschaft Suffolk im Osten Englands keine zwei Meinungen mehr darüber, dass Grimes sich am besten selbst im feuchten Grab des Meeres versenken soll.

Simone Young hat ihren Britten-Reigen über viele Spielzeiten verteilt. Im Jubiläumsjahr des Komponisten – seine Geburt jährt sich 2013 zum 100. Male – hat sie ihm einen besonderen Platz eingeräumt. Nach der Neuproduktion der selten aufgeführten Oper „Gloriana“ im vergangenen Frühjahr steht nun die Wiederaufnahme des „Peter Grimes“ an, jenes Werks, das Britten schlagartig an die Spitze der englischen Musik katapultierte. Dank der starken Komposition und der suggestiven Geschichte wurde die Oper zu einem der Klassiker der Moderne.

Zwei Tage nach dem exakten Geburtstag Brittens, am 24. November, kehrt die Inszenierung des „Grimes“ von Sabine Hartmannshenn aus dem Jahr 1998 an die Dammtorstraße zurück. Die Chefin folgt damit nicht nur ihrer großen Vorliebe für das Werk Benjamin Brittens, sie knüpft auch an die Nachkriegsgeschichte des eigenen Hauses an. Denn es war Günther Rennert, der im März 1947, kaum zwei Jahre nach der Uraufführung am Sadler’s Wells Theatre in London, in Hamburg die deutsche Erstaufführung des „Peter Grimes“ auf die Notbühne der Staatsoper brachte – das Haus war im Krieg zerstört worden.

Das zentrale Element der düsteren Fischeroper, das jede Inszenierung zu simulieren (oder zu ignorieren) sucht, ist das raue, launische Meer. Bei der Freiluftinszenierung im Juni 2013 in Aldeburgh, jenem Fischerdorf, in dem der Dichter George Crabbe in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für sein Gedicht „The Borough“ den Charakter des Peter Grimes erfand und wo Britten und sein Lebensgefährte Peter Pears sich 1947 niederließen, lieferte diese Nordsee bei der Jubiläumsinszenierung im vergangenen Sommer die perfekte Naturkulisse.

Soviel Genius loci, mit Mondschein auf grau aufschäumenden Wogen und Möwengeschrei, kann keine Indoor-Inszenierung bieten. Doch die Musik, die Solisten und der stark geforderte Chor werden auch im wohlbeheizten Opernhaus dafür sorgen, dass dem Publikum Grimes’ Geschichte mit all ihren diffusen, auch Brittens Lebenswirklichkeit streifenden pädophil-homoerotischen Untertönen ans Gemüt geht. Michael Schade singt die Titelpartie, Inga Kalna gibt die Grimes zugetane Lehrerin Ellen Orford, Robert Bork den letzten verbliebenen Grimes-Freund Kapitän Balstrode. Und die Philharmoniker dirigiert, selbstverständlich, die Britten-Expertin Simone Young.

Benjamin Britten: „Peter Grimes“ 24.11., 18.00 (Wiederaufnahme), Staatsoper. Weitere Vorstellungen: 29.11., 3. und 5.12., jew. 19.00, Tickets zu 5,- bis 98,- unter T. 356868