Ohne Schwan: Peter Konwitschny deutet Wagners „Lohengrin“ ganz unheldisch

In Norwegen ist „Lohengrin“ ein Schokoriegel, in Hamburg war Wagners Oper der erste große Erfolg in der Start-Spielzeit des jungen Ingo Metzmacher an der Hamburgischen Staatsoper. Und der erste Baustein einer langen und fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Regisseur Peter Konwitschny, dessen handwerklich fein durchgearbeitete und wunderbar provokative Inszenierungen (u.a. „Der Freischütz“, „Don Carlos“, „Wozzeck“, „Lulu“, „Die Meistersinger von Nürnberg“) bald den Stil der Hamburger Oper prägten.

Dieser „Lohengrin“ hatte Premiere im Januar 1998. Und er spaltete das Publikum sogleich in begeisterte Fans des Teams Metzmacher/Konwitschny – und in erbitterte Gegner. Konwitschny hatte, um Wagners Schwulst um den Sohn des Gralskönigs Parsifal mit Schwan-Fähre und Ritter-Rummel zu entkommen, die ganze Handlung in ein Klassenzimmer der wilhelminischen Kaiserzeit verlegt. Rabauken statt Ritter, Sportmatten statt Brautgemach, Holzschwerter statt Stahl – die Buh-Stürme waren redlich erarbeitet.

Dabei erzählt Konwitschnys „Lohengrin“ eine hochintelligente Parabel darüber, was passiert, wenn plötzlich hehre Führergestalten wie aus dem Nichts auftauchen, sich zum Retter aufschwingen und lästige Fragerei verbieten. So entstehen Militarismus und dumme Folgsamkeit – der einst entführte Knabe Gottfried, rechtmäßiger Thronerbe von Brabant, macht die aufziehende Gewalt am Ende überdeutlich. Schwäne sind da überflüssig, stattdessen wird im Klassenzimmer ausgiebig mit Papierkügelchen geschossen – auf alles, was sich bewegt – und malt Elsa drängende Fragezeichen überallhin.

Konwitschnys „Lohengrin“ ist längst ein moderner Klassiker

Eine Posse ist dieser „Lohengrin“ dennoch nicht, denn so wie er die Geschichte erzählt, wird sie psychologisch stimmig, wirkt gut gelüftet und bringt einigen Humor mit. Längst ist die Inszenierung, die damals mit dem Teatro de Liceu in Barcelona koproduziert wurde, ein moderner Klassiker, Kritiker schrieben schon damals von einer „Perle im Repertoire“ und von „einem Meisterwerk des heutigen Musiktheaters.“

Für vier Vorstellungen kehrt Konwitschnys mehrfach ausgezeichnete „Lohengrin“-Deutung jetzt auf die Hamburger Bühne zurück – mit einer Besetzung, die sich hören lassen kann. Den Titelhelden singt der Bayreuth-erfahrene Tenor Stephen Gould – eine Stimme von großer Strahlkraft. Seine Elsa ist die Sopranistin Petra Maria Schnitzer. Als Lohengrins Gegenspieler Graf Telramund kehrt Wolfgang Koch auf die Hamburger Bühne zurück, als Ortrud, die an der Wiederkehr der alten Götter Wotan und Freia arbeitet, kann Katja Pieweck die dunklen Seiten ihrer Stimme ausspielen. Und König Heinrich, der zum Heerzug gegen die Ungarn aufruft, wird gesungen von Georg Zeppenfeld.

Nach all dem Wagnerwahn der vergangene Spielzeit steht Simone Young, die Chefin des Hauses, natürlich auch diesmal am Dirigentenpult.

„Lohengrin“ 22., 29.12., 5., 12.1., jeweils 16.00, Staatsoper. Tickets zu 5,- bis 98,- unter T. 356868