Kein Tag ist wie der andere. Das macht den Reiz der Arbeit einer Tageszeitungsredaktion, aber auch deren tägliche Herausforderung aus.Ungefähr wie dieser, oder auch ganz anders, könnte ein solcher Tag aussehen

Der Morgen beginnt mit einem Knopfdruck, nein sogar mit zweien: Mit dem ersten wird der Computer hochgefahren. Der nächste gilt der Kaffeemaschine. Es ist 8.50 Uhr, Redaktionsleiter Hinnerk Blombach und sein Kollege Harald Klix fangen an zu lesen: Erst ein Blick in den Nachrichtenticker der Agenturen. Ist über Nacht etwas Wichtiges in Stormarn passiert? Danach sind die Online-Medien dran: Was schreibt die Konkurrenz? Es folgt die Lektüre diverser Tageszeitungen. Und schließlich wird die Post gesichtet: Vor allem elektronisch trudeln ständig neue Termine und Meldungen ein. Bis zu 400 E-Mails landen täglich bei Redaktionsassistentin Marina Spillner im zentralen Posteingang der Redaktion.

9.30 Uhr: Morgenkonferenz

Die Blattmacher könnten Stunden verwenden auf das Lesen von Nachrichten, Leserbriefen und Ankündigungen. Doch um 9.30 Uhr wird die Lektüre zur Seite geschoben – Redaktionskonferenz. Täglich übernimmt ein anderer Mitarbeiter die Blattkritik. Beizeiten kommen auch Externe wie der Bürgervorsteher aus Ahrensburg zu Besuch. Heute ist Birgit Jaklitsch aus der Fotoredaktion an der Reihe. Themenmischung und Inhalte haben sie überzeugt. Das Stück „In der Schule über den Tod reden“ wird von ihr und anderen gelobt. Birgit Jaklitsch äußert auch kritische Worte: Auf der ersten Seite hat sie drei Fehler gefunden – auch in aller Eile sollte dies nicht passieren.

Kritik, so lässt der Name dieser täglichen Prozedur schon erahnen, ist beinahe wichtiger als Lob: Die Redaktion möchte ihre Zeitung sowohl inhaltlich als auch optisch stetig verbessern – im Sinne des Lesers. Und das funktioniert nur mit ehrlichen Worten.

Nach der Blattkritik folgt die Terminvergabe. Jeder Redakteur hat ein festes Gebiet im Kreis Stormarn, für das er zuständig ist. Weitere Termine werden an freie Mitarbeiter vergeben. Auf die kultige Frage: „Wer macht’s?“ sollte man fix antworten. Wer nun nicht direkt zu einem Gemeindetag oder dem Richtfest eines Schulausbaus eilt, fängt an, seine Geschichten für heute oder die kommenden Tage zu entwickeln. Am Montagabend gibt es eine zusätzliche Konferenz. Dabei spricht die Redaktion über Termine und Themen der Woche.

Für den Redaktionsleiter nimmt das Konferieren immer noch kein Ende. Diesmal geht es per Telefonschaltung weiter, am anderen Ende der Leitung sitzen die Blattmacher der Zentralredaktion in Hamburg. Nun wird im positiven Sinne um Themen aus Stormarn gerungen: Was erscheint in der Regionalausgabe? Welche Geschichten sind auch über die Region hinaus relevant und wandern ins Hauptblatt?

10.15 Uhr: Erste Seiten werden geplant

Nach der Terminvergabe stellt sich für den Blattmacher eine entscheidende Frage: Wie verteilt man die Themen auf die einzelnen Seiten? Welcher Text hat Potenzial zum Aufmacher? Was bietet sich eher als mittellanges Stück an? Im Redaktionsjargon heißt dieser Vorgang „Die Seiten aufreißen“, heute ist Alexander Sulanke zuständig. Oft wird das Layout im Laufe des Tages aktualisiert oder, im schlimmsten Fall, verworfen. Aktuelle Ereignisse lassen sich schließlich schwer planen. Entscheidend ist die ständige Absprache mit den Fotoredakteurinnnen Birgit Jaklitsch oder Birgit Schücking. Sie haben den Überblick über Bebilderung und Grafiken. Redakteure fotografieren in der Regel selbst. Doch häufig fahren die beiden auch selbst „raus“.

11 Uhr: Termine, Termine, Termine

Nach der lebhaften Konferenz kehrt Ruhe ein im Büro. Das beständige Klacken der Tastatur verrät: Hier wird recherchiert – und geschrieben. Wort für Wort, Zeile für Zeile entstehen so täglich vier bis sechs, manchmal auch acht Seiten. Vereinzelt greifen Redakteure zu ihren Telefonhörern. Sie vereinbaren Termine, führen Interviews. Matthias Schatz zum Beispiel telefoniert mit einem Kirchenrechtler. Claas Greite kündigt sich telefonisch für einen Termin in Glinde an.

Antonia Thiele pflückt den Schlüssel des Redaktions-Smarts von der Wand: Ein Termin in Lütjensee. Tagtäglich ruckelt der grüne Kleinwagen über Stormarns Landstraßen: In drei Jahren hat er mehr als 42.000 Kilometer zurückgelegt, immer wieder Kollegen sicher dorthin gebracht, wo Geschichten gewartet haben. Auch ich habe einige Touren mit dem kleinen Grünen unternommen, zuletzt zum Landgericht nach Lübeck. Als Stormarn-Novizin bin ich durchaus stolz, mich zunehmend ohne Navigationsgerät zurecht zu finden.

12.45 Uhr: Mittagspause?

Ernährungswissenschaftler sollten diese Passage überspringen: In der Mittagspause krümeln wir allzu oft unsere Tastatur voll – gegessen wird am Schreibtisch. Außer mittwochs, dann gelten keine Ausreden. Mittwoch ist Markttag, und Markttag ist Wursttag. Dann schlendert die Redaktion zum Imbiss auf dem Ahrensburger Wochenmarkt direkt vor der Tür. Und dann gibt es Thüringer, Schaschlik, heiß gebratene Kartoffelspalten mit Tomatendip und dieser weißen Sauce mit französischem Namen (Sie wissen, was gemeint ist). Nach viel Salz verlangt der Gaumen nach Zucker. Martina Tabel und Antonia Thiele flanieren deshalb noch zum Bäcker, es gibt Mini-Muffins und Cookies. Ja, zum Wochen-Bergfest darf gesündigt werden. Morgen gibt es wieder Schwarzbrot am Schreibtisch.

14.15 Uhr: Tippen, klicken, redigieren

Nachrichten, Termine, Geschichten, die Uhr dreht sich schnell, manchmal zu schnell für bedrucktes Papier. Da man als Internetnutzer keine 24 Stunden auf Neuigkeiten warten möchte, veröffentlicht die Redaktion wichtige Nachrichten schon vorab online, bevor ein längerer Hintergrundbericht am Folgetag in der Zeitung zu lesen ist. Polizeireporterin Dorothea Benedikt hat just mit der Polizeisprecherin telefoniert. Ein Raubüberfall in Bargteheide. Die Polizei sucht Zeugen. Dorothea Benedikt tippt und klickt, dann stellt sie die fertige Nachricht online.

Ab 16 Uhr wird es dann doch etwas hektisch – manchmal zumindest. Die ersten Artikel sind fertig, die Blattmacher übernehmen: Jeder Text wird von ihnen und einem weiteren Redakteur auf Verständlichkeit sowie Rechtschreib- und Grammatik-Fehler überprüft. Dann geht es an die Kleinstarbeit: Passt die Bildunterzeile? Macht die Titelzeile Lust, den Artikel zu lesen? Und fasst der Vorspann den Artikel richtig zusammen? Artikel für Artikel arbeitet sich der Blattmacher durch die Seiten. Um 17.15 Uhr wird die erste Seite für den Druck freigegeben – und belichtet. Belichtung bedeutet, dass die Daten an die Druckerei übertragen und auf Druckplatten geschrieben werden.

17.30: Uhr Andruck, kein Feierabend

Um halb sechs muss dann auch die letzte Seite an die Druckerei gesendet sein. Feierabend heißt das aber noch nicht: Alle Artikel, die am Folgetag in der Zeitung erscheinen, werden für die Online-Leser aufbereitet, mit Bildern und Verlinkungen versehen.

Das Tagwerk ist an dieser Stelle abgeschlossen – wären da nicht zahlreiche Abendveranstaltungen: Die Kollegen Greite, Schatz und Frenzel müssen noch zu kommunalpolitischen Sitzungen. Und Martina Tabel verabschiedet sich zu einem Konzert. Nein, nicht privat. Beruflich. Am nächsten Tag wird sie eine Rezension schreiben.

Die Autorin besucht die Henri-Nannen-Journalistenschule (Gruner+Jahr, Die Zeit) und hospitiert für mehrere Wochen in der Stormarn-Redaktion des Abendblatts. Fotos: Birgit Schücking