Der Bildhauer Alberto Giacometti (1901-1966) in neuem Licht

Er ist bekannt für seinen winzigen wie überdimensionierten Skulpturen und seine extrem langen Figuren. Aber noch heute tauchen im Werk Alberto Giacomettis (1901-1966) neue, bislang wenig beachtete Aspekte auf. Die Spielfelder und Platzgestaltungen des Schweizers bringt nun erstmals die Kunsthalle ans Licht der Öffentlichkeit.

Über 200, zum Teil kaum ausgeliehene Werke präsentieren Giacometti als Vorläufer des "Environments", in dem auch die Betrachter ihren aktiven Platz einnehmen sollten. Unter ihnen befinden sich Marmor-, Gips- und Bronzeskulpturen, Ölgemälde, Zeichnungen und Fotografien aller Werkphasen. Die Leihgaben aus internationalen Museen und Privatsammlungen zeigen sowohl den berühmten als auch den unbekannten Giacometti und geben Einblicke in den Arbeitsprozess des Künstlers. Damit setzt die Schau einen neuen, anderen Schwerpunkt als das Bucerius Kunst Forum mit seinen zeitgleichen Porträts von Giacometti.

Was sich zunächst heiter liest, hatte durchaus ernste Hintergründe. Mit seinen "Spielfeldern", zunächst Zeichnungen und Modelle in kleinem Maßstab, spürte Giacometti Grunderfahrungen wie Eros und Tod oder sozialen Grundkonstellationen nach, unter anderem dem Familien-Trio Mann-Frau-Kind.

Diese sind nicht festgefahren, eher flexibel, wenn auch in begrenztem Rahmen. "Mann, Frau, Kind", eine Klein-Skulptur von 1931, platziert die Frau mit weit ausgebreiteten Armen zwischen einem "kugelförmigen" Kind und dem wie ein Segel in den Himmel ragenden Mann. Allen dreien gewährt Giacometti mittels "Fahrrinnen" reale Spielräume. Das Kind bewegt sich entlang einer Bahn hin und her, die Frau schützt es wie ein Torwart, während der Mann vor ihr in einem ewigen Kreislauf rotiert.

Giacometti beschäftigte bereits seit Ende der 1920er-Jahre die Vorstellung, große Plätze mit Figuren zu gestalten, auf denen die Betrachter aktiv an ihrem "Spiel" teilhaben. Sie folgten der vollkommen neuen Idee einer horizontalen Skulptur, der "Skulptur als Platz". Mehrere Figuren eröffneten auf ihnen Spiele, mitunter auch tödliche. So erinnern drei in den Boden eingelassene Deckel in "Das Spiel ist aus" (1932) an geöffnete Gräber, aus denen Figuren steigen oder in die sie verschwinden.

Im großen Maßstab realisiert wurde nur ein Spielfeld im Atelier. Das Chase Manhattan Project (1960), das einen Platz entsprechend gestalten sollte, hatte Giacometti abgebrochen. Die bis zu drei Meter hohen Figuren jedoch waren bereits fertiggestellt. Alle kommen nach Hamburg, was aufgrund ihrer Prominenz einer Sensation gleicht.

Eine der entscheidenden Phasen der Spielfeld-Entwicklung sieht Kuratorin Dr. Annabelle Görgen-Lammers in der Ateliersituation des Künstlers. Nach einer ersten Skizzierung hatte Giacometti in seinem Pariser Atelier immer wieder neue Figuren-Konstellationen in größerem Maßstab ausprobiert. Das Atelier verwandelt sich dabei zur Bühne und zur einzigen Konstante im ständigen Wechselspiel der Figuren.

Es bildet das Scharnier zwischen Spielmodell und Realisierung. Die Schau will diesen Weg aufzeigen und die Besucher als Mit-Spieler aktivieren. Als Mit-Spieler, die wie Giacometti den Blick nach innen wie nach außen und auf die Bühne als Mittlerstation zwischen beiden richten. Das Atelier selbst wird dabei mithilfe Projektionen in seinem Laborcharakter erstmals erlebbar gemacht. Die Ausstellung wird ermöglicht durch die Freunde der Kunsthalle, die Nordmetall Stiftung und die Schweizer Kulturstiftung prohelvetia.

Giacometti - Zwei Ausstellungen für Hamburg: "Giacometti. Die Spielfelder" 25.1. bis 19.5.2013, Galerie der Gegenwart, 1. Etage, Di-So 10.00-18.00, Do 10.00-21.00, das Bucerius Kunst Forum zeigt zeitgleich vom 26.1. bis 10.5.2013 die Ausstellung: "Alberto Giacometti. Begegnungen"