Jeffrey Kahane debütiert als Solist und Dirigent zugleich bei den Symphonikern

Als Leiter des Los Angeles Chamber Orchestra hat Jeffrey Kahane schon mehrfach den Preis für "adventurous programming" eingeheimst, was man wohl am besten als spannende (und nicht "abenteuerliche") Programmgestaltung übersetzt. Damit ist der 55-jährige kanadische Dirigent ein geradezu idealer Partner für die Hamburger Symphoniker, bei denen er jetzt zum ersten Mal am Pult steht. Schließlich steht auch das Orchester für eine Repertoireauswahl jenseits des Mainstreams.

Beim Vierten Vielharmonie-Konzert Anfang Juni erwarten die Besucher denn auch zwei echte Entdeckungen. Zum Auftakt dirigiert Kahane "Les espaces infinis" ("Die unendlichen Räume") seines Landsmanns Pierre Jalbert. Ein zehnminütiges Stück, das die Weiten des Weltalls beschwört. Es beginnt mit leisen Streicherharmonien, in deren wolkige Flächen die Harfe einige Lichtpunkte setzt, wie ein Leuchten von fernen Sternen. Mitunter erinnert der Orchesterklang hier an die lyrischen Momente in den Sinfonien von Gustav Mahler. Dann scheint sich ein stellarer Nebel auszubreiten; die Musik beschleunigt und steigert sich bis zu einem Höhepunkt - und sinkt dann wieder in die meditative Stimmung des Anfangs zurück.

Die zweite Entdeckung des spannenden Programms ist die zweite Sinfonie von Kurt Weill. Als der Komponist 1933 den Auftrag für ein großes Instrumentalwerk bekam, wollte er sich ganz bewusst vom Stil seiner Dreigroschenoper emanzipieren, um nicht auf das Erfolgsstück festgelegt zu sein. Trotzdem tritt der Weill-Tonfall immer wieder deutlich zutage: In den vielen kurzen Melodiesprengseln, die an seine Vokalmusik erinnern und die er zu einem munteren Potpourri zusammenmixt. Dabei spielen die Bläser eine sehr prominente Rolle. Sie geben dem Stück mitunter fast schon einen dixielandmäßig düdelnden Klang. Der vordergründig fröhliche Ton bleibt jedoch nie ungebrochen, sondern wird immer wieder durch Akzente und bissige Schärfen sabotiert. Bei der Uraufführung in Amsterdam war das Stück ein Publikumserfolg, kam aber nicht bei allen Kritikern gut an. Einer fragte sich, ob die Sinfonie nun "eine Erneuerung des Konzertbetriebs bedeuten oder seinen Tod ankündigen" werde.

Zwischen diesen beiden Raritäten erklingt mit dem B-Dur-Klavierkonzert KV 595 von Mozart ein Werk, das zum Kernrepertoire der Klassik gehört. Mainstream ist aber auch das nicht - denn in seinem letzten Klavierkonzert überrascht Mozart den Hörer immer wieder mit unerwarteten, teilweise geradezu waghalsigen Wendungen. Vor allem im ersten Satz geht es manchmal kreuz und quer durch die Tonarten, dass man seinen Ohren nicht mehr traut oder glaubt, da habe der Solist jetzt aber ordentlich danebengelangt.

Ist aber meistens alles korrekt. Mozart wollte das so. Bei Jeffrey Kahane muss man sich auch keine Sorgen um die richtigen Noten machen. In seinem ersten Musikerleben ist er nämlich ein vorzüglicher Pianist. Und zum Mozart-Jubiläum 2006 hat er alle Klavierkonzerte aufgeführt. Der Mann weiß also, was er tut, und kennt die Stücke aus dem Effeff. Beim Auftritt mit den Symphonikern leitet er das Orchester vom Flügel aus, so, wie es damals üblich war. Auf seine Interpretation darf man auch deshalb besonders gespannt sein, weil die Musik für ihn immer eine menschliche Botschaft und viele dramatische Momente hat. Da wird auch Mozart zum Abenteuer.

4. Vielharmonie 9.6. 19.30 Uhr, Laeiszhalle. Tickets unter T. 44 02 98