Der Dirigent Lothar Zagrosek gastiert mit einem ungewöhnlichen Programm beim NDR Sinfonieorchester

Symphonie imaginaire, zu Deutsch fingierte Sinfonie - da denkt man doch gleich an romantische Schwärmerei, an Berlioz' Symphonie fantastique etwa. Weit gefehlt: Es handelt sich um echte Barockmusik aus der Feder von Jean-Philippe Rameau. Zum Fantasieprodukt wird sie nur durch den Zusammenhang: Rameau hat in seinem Leben nämlich keine einzige Sinfonie geschrieben. Dem hat schon der französische Barockspezialist Marc Minkowski abgeholfen und instrumentale Zwischenspiele aus Rameaus zahlreichen Bühnenwerken zu einer Suite zusammengestellt.

Wenn Anfang des Jahres der Dirigent Lothar Zagrosek am Pult des NDR Sinfonieorchesters steht, bringt er allerdings seine eigene Zusammenstellung von Rameaus Musik mit. In seinem Programm spielt Zagrosek mit der Form der klassischen Sinfonie. Der barocken Suite stellt er die romantische Sinfonie d-Moll von César Franck gegenüber. Die folgt in vieler Hinsicht nicht dem herkömmlichen viersätzigen Muster: Das Thema des Kopfsatzes entwickelt Franck aus der langsamen Einleitung, seinerzeit eine unerhörte formale Neuerung. Den langsamen Satz und das Scherzo, die sonst die Mittelsätze bilden, verflicht er kunstvoll zu einem Allegretto. Und das Finale baut er auf den Themen der vorangegangenen Sätze auf und betont damit den inneren Zusammenhang der Sinfonie.

Bei den Konzertarien "Fra cento affanni" und "Misera, dove son!" von Wolfgang Amadeus Mozart übernimmt die slowakische Sopranistin Simona Saturová den Solopart. Saturová arbeitet viel mit Originalklangensembles zusammen und hat sich mit ihrem unverstellten, beweglichen Sopran in jungen Jahren einen glänzenden Ruf als Mozartsängerin erworben.

Lothar Zagrosek selbst gehört zwar nicht ausdrücklich zu den Vertretern der historischen Aufführungspraxis. Seine plastischen, beredten Interpretationen aber und sein Mut zu aufgerauter Tongebung sind Nikolaus Harnoncourts berühmtem Postulat von der Musik als Klangrede hörbar nahe. Spannende Aussichten.

Abo-Konzert 10.1., 11 Uhr, und 11.1., 20 Uhr, Laeiszhalle