Hamburg. Welche Bakterienstämme neben anderen Kleinstlebewesen unseren Darm besiedeln, ist von Mensch zu Mensch verschieden.

Obwohl es die drei übergeordneten Darmtypen gibt, gestaltet sich jedes Mikrobiom so divers wie ein menschlicher Fingerabdruck. Mit der Gabe von Probiotika versucht man, die Zusammensetzung der Darmflora zu verändern. Zum Beispiel wenn man während oder nach einer Antibiotikabehandlung ein verarmtes Biotop wieder aufforsten will. Oder wenn aufgrund einer Stuhlanalyse der Verdacht besteht, dass die Zufuhr von bestimmten Bakterienarten guttäte.

Who is who im Bakterienreich

Je nach vorherrschender Bakterienart im Darm unterteilt man die Menschheit grundsätzlich in drei sogenannte Enterotypen. Es gibt den Ruminococcus-, Prevotella- und den Bakteroides-Typ. Bei der Unterscheidung spielen Alter, Geschlecht oder Herkunft keine Rolle, wohl aber die Ernährung.

Von links nach rechts, oben: Ruminococcus und Bacteroides; Mitte: Coprococcus; unten: 
Escherichia Coli und Prevotella.
Von links nach rechts, oben: Ruminococcus und Bacteroides; Mitte: Coprococcus; unten: Escherichia Coli und Prevotella. © Eat Club / Reinhard Hunger

Ruminococcus: Bei bis zu 70 Prozent der Bevölkerung überwiegen Ruminococcusbakterien. Sie verwerten hauptsächlich Zellulose und Zucker.

Bacteroides: Diese Gattung dominiert die Darmflora von Fleischessern in der westlichen Welt und wirkt am liebsten unter Ausschluss von Sauerstoff.

Coprococcus: Sie sind an der Herstellung von stimmungsaufhellenden Neurotransmittern beteiligt. Entsprechend selten findet man sie im Mikrobiom von Depressiven.

Escherichia Coli: Trotz ihres schlechten Rufs sind die meisten Vertreter der Kolibakterien sehr nützlich: Sie produzieren knochenstärkendes und gerinnungshemmendes Vitamin K.

Prevotella: Die stäbchenförmige Bakterienfamilie siedelt vorwiegend im Darm von Vegetariern. Sie ist auf die Produktion von Folsäure und Vitamin B 1 spezialisiert.

Wie man heute weiß, ist aber vor allem der tägliche, langfristige Verzehr von fermentierten Lebensmitteln von Vorteil.

Da sie zur Abtötung von Keimen nicht über längere Zeit erhitzt werden, tummeln sich in Sauerkraut, Kefir und Konsorten massenweise lebendige Hefen, Pilze oder Bakterien und sorgen für Wohlgeschmack. Japaner, Bulgaren oder andere Völker, die zeitlebens oft und gern fermentierte Speisen essen, zeichnen sich durch ein überdurchschnittlich langes und gesundes Leben aus. Es genügt also nicht, nur hin und wieder einen mit Bakterien angereicherten probiotischen Joghurt zu löffeln oder eine Kapsel mit hochkonzentriertem Inhalt einzuwerfen. Aus zwei Gründen: Erstens müssen die Mikroben das Säurebad im Magen und die Darmpassage erst mal überstehen und unbeschadet im Darm ankommen. Zweitens müssen die Neuankömmlinge sich auch zwischen den anderen Darmbewohnern ansiedeln können. Durch kleine tägliche Gaben scheint dies leichter zu gelingen als durch eine „künstliche“ Zufuhr. Ballaststoffreiche Mahlzeiten sind für eine gut funktionierende Darmtätigkeit unverzichtbar. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt einen täglichen Verzehr von 30 Gramm.

Zu Recht gilt eine Kost mit einem hohen Anteil unverdaulicher Bestandteile als Garant für eine unbeschwerte Verdauung.

Lange Zeit wurde vor allem dieser Aspekt gepriesen. Mit fortschreitendem Wissensstand rückt jedoch noch ein weiterer Vorteil in den Vordergrund. Denn es sind in erster Linie die Präbiotika, die für das leibliche Wohlbefinden der Mikrobengemeinschaft im Dickdarm sorgen. Für die Winzlinge sind Präbiotika eine wertvolle Nahrung. Sie fördern deren Wachstum und unterstützen sie bei ihren zahllosen, segensreichen Aktivitäten. So setzen Bakterien bei der Fermentationsarbeit sogenannte „kurzkettige Fettsäuren“ frei, etwa Essig-, Propion- oder Buttersäure. Dass sie viele positive Eigenschaften mitbringen, ist inzwischen bekannt. Die Fettsäuren regeln zum Beispiel den pH-Wert im Darm, sie hemmen die Bildung krankheitserregender Keime, erleichtern die Aufnahme von Wasser und Elektrolyten und dienen den Darmwandzellen als Energiequelle – ein wichtiger Schutz vor einer Krebserkrankung. Azetat, ein Salz der Essigsäure, gelangt als Signalstoff über den Blutkreislauf ins Gehirn und löst dort ein Sättigungsgefühl aus. Selbst bei der Entwicklung neuer Therapieansätze kommt Propionsäure ins Spiel. Gab man sie ergänzend zu Medikamenten gegen Multiple Sklerose, zeigte sich im Blut eine Vermehrung von Abwehrzellen um 30 Prozent und eine deutliche Abnahme von Entzündungszellen.

Probiotika

Probiotische Lebensmittel enthalten lebensfähige Mikroorganismen, zum Beispiel Milchsäurebakterien, Pilze oder Hefen. Mit ihrem Verzehr lässt sich die Artenvielfalt im Darm erhöhen.

Hier steckt’s drin:

1 Kefir: Die quicklebendigen Milchsäurebakterien setzt der Kefirpilz frei. Das Türkische „Keyif“ bedeutet nicht umsonst „Wohlbefinden“.

2 Sauerkraut: Außer hilfreichen Mikroben enthält fermentierter Kohl Vitamin A, B, C und viele Mineralstoffe. Wichtig: Roh essen!

3 Rohmilchkäse: Sofern man nicht schwanger ist und kräftige Aromen mag, ist nicht pasteurisierter Käse erste Wahl.

4 Misopaste: Wird aus fermentierten Sojabohnen, Reis oder Gerste gemacht. Bitte nicht stark erhitzen, auch in Suppen nur ziehen lassen.

5 Brottrunk: In Russland als „Kwas“ bekannt, wird das Fermentgetränk aus vergorenem Brot hergestellt. Es schmeckt riiichtig sauer, manche sagen: erfrischend.

6 Amazake: Ein echter Low-Carb-Geheimtipp aus Japan: Die Paste mit ihrem sehr süßen, neutralen Geschmack entsteht mithilfe eines Pilzes aus Hirse oder Reis. Zu finden im Asialaden oder online.

Präbiotika

Fasern, Quellstoffe, Stärkemoleküle: Substanzen, die unverdaut in unserem Dickdarm landen, nennt man Präbiotika. Als Nahrungsgrundlage unseres Mikrobioms stärken sie das Immunsystem.

Hier steckt’s drin:

1 Gemüse: In jedem Gemüse stecken Präbiotika. Die besten aber in Chicorée, Topinambur, Artischocken, Zwiebeln, und Knoblauch.

2 Hülsenfrüchte: Egal ob grüne Erbsen oder gekochte Kichererbsen – die Hülsen eiweißreicher Leguminosen enthalten jede Menge Unverdauliches.

3 Nüsse: Ihr Ballaststoffgehalt in absteigender Reihenfolge: Mandeln, Erdnüsse, Macadamias, Pistazien, Haselnüsse, Walnüsse.

4 Flohsamen: Die federleichten Flöckchen können ihr Volumen bis zum 50-fachen vergrößern, sobald sie mit Flüssigkeit in Berührung kommen.

5 Vollkorn: Dass die unverdaulichen Randschichten von Getreide die Wohngemeinschaft im Darm stärken, vermutete man schon Anfang des vorigen Jahrhunderts. Ist jetzt bewiesen.

6 Kartoffelsalat: Schon mal von „retrograder Stärke“ gehört? Sie entsteht, wenn Kartoffeln oder Reis nach dem Kochen erkalten. Dann, und nur dann, sind sie ein Superstöffchen für das Mikrobiom.

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