Hamburg. Können wir gegen die Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung anessen?

Viele Menschen vermuten, dass mit zunehmendem Lebensalter das Abgleiten in eine Demenz programmiert sei. Doch das ist ein Irrtum. Es ist durchaus möglich, durch eine hirngesunde Ernährung und Lebensführung die Selbstheilungskräfte der grauen Zellen in richtige Bahnen zu lenken und sich vor altersbedingtem Hirnschwund zu schützen. Was „hirngesund“ aus der Sicht der Wissenschaft heißt, ist mittlerweile glasklar: Frisch und abwechslungsreich essen, sich viel bewegen, genug schlafen, wenig Alkohol trinken, möglichst wenig rauchen, sich um liebevolle Beziehungen kümmern und für Stressausgleich sorgen. Wie enorm der Einfluss der Ernährung ist, zeigen Krankheiten wie Diabetes Typ 2 oder Adipositas – sie lassen sich durch anderes Essverhalten oftmals komplett heilen. Ähnliches gilt für den Fall einer drohenden Alzheimer-Erkrankung. Wird sie im Frühstadium erkannt, lässt sie sich mithilfe einer konsequenten Ernährungsumstellung vielfach noch verhindern.

Was wirkt positiv und warum?

Die beiden US-Neurologen Dean und Ayesha Sherzai lassen in ihrem Buch „Die Alzheimer-Lösung“ eine regelrechte Parade hirngesunder Lebensmittel aufmarschieren. Dort stehen ganz weit vorn die Blattgemüse. Dank ihres Reichtums an Antioxidantien, Betacarotinoiden, Folsäure, Lutein und Vitamin E versorgen sie das Gehirn besonders gut mit nützlichen Nährstoffen. Auch Brokkoli, Blaubeeren und frische Kräuter sind wegen ihres hohen Mikronährstoffgehalts allerbestes Brainfood. Eine überragende Bedeutung für die Gesund- und Jungerhaltung des Gehirns kommt jedoch Fetten zu, speziell den Omega-3-Fettsäuren. Sie werden in die Hüllen unserer Zellen geschleust und sorgen dafür, dass die darin eingebetteten Moleküle bestmöglich funktionieren. Bildlich gesprochen halten sie unsere Hirnzellen geschmeidig und verhindern die Bildung schädlicher Entzündungsstoffe. „Es ist, als wären Omega-3-Fettsäuren eine Art Heilsalbe“, so der Wissenschaftsjournalist Bas Kast in seinem Bestseller „Der Ernährungskompass“. Gute Omega-3-Quellen sind in erster Linie fettreiche Fische, weil sie hier bereits in leicht verwertbarer Form vorliegen. Doch auch in Algen-, Lein-, Hanf- und Walnussöl finden sich Spuren von Omega-3-Fettsäuren.

Entzündungen vermeiden

Winzige, nur mit dem Mikroskop erkennbare Entzündungen schädigen die Wände der Blutgefäße und führen so zu Arteriosklerose mit entsprechend gefährlichen durchblutungsdrosselnden Folgen fürs Gehirn. Umso wichtiger ist es, oft und regelmäßig entzündungshemmende Lebensmittel zu essen: Pilze zum Beispiel. Ihr hoher Vitamin-B12-Anteil wirkt sich zusätzlich positiv auf unsere Hirnzellen aus. Auch die Polyphenole im Olivenöl, das Lignan aus Leinsamen oder Kurkumin, Hauptwirkstoff der Heilwurzel Kurkuma, hemmen die Bildung von Entzündungstriggern im Blut. Unter dem Strich lässt sich sagen, dass alle Lebensmittel, die nachweislich das Risiko eines Schlaganfalls senken, auch der Entwicklung einer demenziellen Erkrankung entgegenwirken. Bekannt für diesen vorbeugenden Effekt sind alle Hülsenfrüchte, nach Einschätzung von Dean und Ayesha Sherzai die beste Eiweißquelle überhaupt. Doch auch Zartbitterschokolade mit hohem Kakaoanteil wird eine arteriell entspannende Wirkung nachgesagt. Auch sie trägt dazu bei, dass das Gehirn gut mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt wird.

Rechtzeitig vorbeugen!

Momentan leiden etwa 1,7 Millionen Deutsche an einer Demenz. Alzheimer ist die häufigste und bekannteste Demenz-Erkrankung. Überwiegend tritt sie ab dem 65. Lebensjahr auf. Je weiter das Alter fortschreitet, desto höher ist derzeit das Risiko: Von den 75-Jährigen erkranken sechs Prozent und von den 85-Jährigen etwa 20 Prozent. Typisch für Alzheimer: Die Betroffenen können sich immer weniger an die jüngste Vergangenheit erinnern. Die Ursache dafür ist ein Verlust von Synapsen, den Kontaktstellen, an denen die Nervenzellen kommunizieren. Im Frühstadium können sie noch gebildet werden, später sterben die Nervenzellen ab. Da unser Gehirn keine neuen Neuronen hervorbringen kann, führt ihr Tod zu bleibenden Schäden.

Alzheimer erkennen

Da der Einfluss auf die Persönlichkeit so groß ist, macht das Wort „Alzheimer“ etlichen Menschen Angst. Was die Diagnose und Prognose häufig schwierig macht, ist die Frage, ob es sich bei Tüdeligkeit und Charakterveränderung wirklich um eine Demenz handelt. Gottlob lässt sich der Unterschied eindeutig feststellen, da unterschiedliche Gehirnareale betroffen sind. Beim Alzheimer zeigen sich drei typische Veränderungen in der Großhirnrinde auf:

  1. Durch das Absterben von Neuronen schrumpft das Gehirn.
  2. An den Außenseiten der Nervenzellen finden sich Ablagerungen eines dichten Materials (Plaques).
  3. Im Inneren der Neuronen gibt es verfilzte Ansammlungen aus Proteinfasern (Neurofibrillen).

Das Ich verschwindet

„Wenn Sie einem Menschen sein Gedächtnis nehmen, rauben Sie ihm praktisch seine Existenz“, sagt einer der bedeutendsten Hirnforscher unserer Zeit: Eric Kandel, 91 Jahre alt. Der Facharzt aus den USA weiß wie kein Zweiter, wovon er spricht. Für seine bahnbrechende Forschung zum Gedächtnis wurde er im Jahr 2000 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet. Kandel berichtet, dass es zwei Systeme gibt, mittels derer wir uns erinnern. Im sogenannten expliziten Gedächtnis speichern wir bewusstes Wissen ab, etwa über bestimmte Menschen. Anders das implizite Gedächtnis: Dank seiner können wir Fähigkeiten nutzen, ohne darüber nachzudenken. So sprechen wir unsere Muttersprache, ohne jedes Mal an die Grammatik zu denken. Das implizite Gedächtnis bleibt bis ins hohe Alter bestehen und ist auch im Alzheimer-Frühstadium noch intakt. „Erst in einem sehr späten Stadium betrifft die Krankheit die Amygdala, das Kleinhirn und andere Areale des impliziten Gedächtnisses“, sagt Eric Kandel. „Das ist auch die Erklärung dafür, warum Menschen, die sich zwar an die Namen ihrer Angehörigen nicht mehr erinnern, noch Fahrrad fahren, einen Satz lesen oder Klavier spielen können.“ Um sich vor einer Demenz zu schützen, setzt der Nobelpreisträger auf Sport. Seit Jahren, erzählt er, spiele er mit einem Freund Tennis und beginne das Wochenende stets mit einem Frühstück mit Grapefruit und Haferkleie. Letztere senkt übrigens den Cholesterinspiegel und schützt so des Forschers Gehirn.

Wo startet das große Vergessen?

Die für die Alzheimer-Erkrankung typischen Plaques bilden sich anfangs nur in ganz bestimmten abgegrenzten Bereichen wie dem präfrontalen Cortex. Hier werden Aufmerksamkeit, Selbstbeherrschung und Problemlösung gesteuert. Die Bildung der eiweißreichen Knäuel (Neurofibrillen) beginnt im Hippocampus. Benannt nach dem lateinischen Wort für Seepferdchen, handelt es sich um eine alte Hirnstruktur. Sie dient dem limbischen System, welches für die Verarbeitung von Emotionen und neue Lerninhalten zuständig ist, als Schaltstelle.

Welches Essen tut dem Gehirn nicht gut?

Hochgradig verarbeitete Lebensmittel enthalten Stoffe, die der Gesundheit von Blutgefäßen und Gehirn abträglich sind: zu viel Salz, Zucker und denaturiertes Fett. Neben rotem Fleisch und einem Übermaß an Käse sind auch Aufschnitt und Wurstwaren auf die rote Liste hirnschädigender Lebensmittel gerutscht. In ihnen stecken Konservierungsstoffe sowie entzündungsfördernde Proteine und Fette. Sämtliches Fast Food, egal ob Pommes oder Bahnhofscroissant, und zuckerhaltige Limonaden oder Alkohol sind ebenfalls ungeeignet als Brainfood.

Ernährung mit Köpfchen: Wer an diese zwei Grundsätze denkt, ist auf dem richtigen Weg:

Weniger Zucker

Die Liebe zu Süßem wird uns in die Wiege gelegt: Muttermilch ist süß! Diese Prägung nutzt die Industrie und versetzt alle möglichen Produkte mit der suchtfördernden Substanz. Stark verarbeitete Lebensmittel und gesüßte Erfrischungsgetränke gelten laut Expertenmeinung als entzündungsfördernd und damit gefäßschädigend – auch schlecht fürs Gehirn.

Mehr Pflanzliches

Egal ob aus Nüssen, Obst, Hülsenfrüchten oder Gemüse: Pflanzenkost ist der Grundpfeiler gesunder Ernährung, denn das Gehirn braucht deren Vollspektrum an Makro- und Mikronährstoffen. Es gibt in der Neurologen-Community Befürworter und Gegner von tierischen Lebensmitteln: Wer sie nur gelegentlich isst, ist auf der sicheren Seite.

Die Nervenzelle

EatClub Unser Gehirn Nervenzelle Modell aus Jeansstoff
EatClub Unser Gehirn Nervenzelle Modell aus Jeansstoff © EatClub

Ein einziges Gewimmel: Nach neuesten Erkenntnissen gibt es im menschlichen Gehirn etwa 86 Milliarden Nervenzellen. Gemeinsam mit den Gliazellen, welche ihre Nervenfortsätze stützend und nährend umhüllen, bringen sie etwa anderthalb Kilo auf die Waage.

Wir sind alle Frühstarter! Babys werden mit rund 86 Milliarden Nervenzellen geboren, die gleiche Anzahl wie bei Erwachsenen. Doch die Netzwerke aus Neuronen und Synapsen müssen sich noch optimal verschalten. Im ersten Lebensjahr erreicht das Gehirnvolumen drei Viertel seiner erwachsenen Größe.

Lass mal connecten: Denken, fühlen, handeln: Geht nur, wenn es zwischen Nervenzellen „funkt“. Die Signalübertragung läuft über Synapsen, winzige Verbindungsstellen. In einem Erwachsenengehirn gibt’s etwa 100 Billionen (eine 10 mit 14 Nullen) von ihnen. Eine einzelne Nervenzelle kann über 200000 Synapsen kommunizieren.

Ich bin ein Star! Wegen ihrer strahlenförmig verlaufenden Ausläufer (Dendriten) nennt man Nervenzellen auch Astrozyten (griechisch für „Stern“). Dendriten werden auch Axone genannt, sie können bis zu einem Meter lang werden.

Unser Denkapparat

Koordinierender Balken: Das Corpus callosum verbindet beide auf verschiedene Aufgaben spezialisierte Gehirnhälften miteinander. Nur durch den Informationsaustausch ist es möglich, dass wir Dinge, die wir sehen, auch benennen können.

Gefühlige Amygdala: Der Mandelkern ist ein wichtiger Knotenpunkt im limbischen System, welches unsere Gefühle und deren Ausdruck steuert, insbesondere die Angst.

Dauerdenkendes Großhirn: Besteht aus zwei Hemisphären und Abschnitten (Lappen), denen verschiedene Funktionen zugeordnet sind, wie etwa Sprach-, Denk-, Lern- und Erinnerungsvermögen.

Aautonomes Kleinhirn: Auch Cerebellum genannt. Wie das Großhirn in zwei Hälften geteilt. Steuert Motorik, Hunger, Schmerzen, Atmung und anderes, was am Bewusstsein vorbei „automatisch“ geschehen soll.

Überlebenssichernder Hirnstamm: Entwicklungsgeschichtlich das älteste Hirnteil, Schnittstelle zwischen Gehirn und Rückenmark. Beeinflusst Herzschlag, Blutdruck, Atmung und andere lebenswichtige Dinge.

Essen und Snacks für ein gesundes Hirn

Alle Rezepte für unser Gehirn auf einen Blick

Auf's Brot: Zweierlei getoastetes Hirnfutter
Auf's Brot: Zweierlei getoastetes Hirnfutter © EatClub
Ein Dreierlei an Nervennahrung
Ein Dreierlei an Nervennahrung © EatClub
Einzigartig vegane Brainfood-Bowl
Einzigartig vegane Brainfood-Bowl © EatClub
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