Das Ferrari 250 GT Cabriolet gehörte einst der Formel-1-Legende Wolfgang Graf Berghe von Trips. Heute ist er im Besitz eines Hamburger Kaufmanns.

Er sieht verdammt gut aus für seine 50 Jahre. Auf den Straßen in und um Hamburg jedenfalls drehen sich viele nach ihm um. Und dabei hat dieser waldgrüne Ferrari 250 GT mit der Erstzulassung 6. April 1961 eine bewegte Historie aufzuweisen. Sein erster Besitzer war die Formel-1-Legende Wolfgang Graf Berghe von Trips, der 1961 auf der Rennstrecke in Monza tödlich verunglückte. Bis Ende 1963 stand das Auto verloren auf Burg Hemmersbach in Nordrhein-Westfalen, dem damaligen Wohnsitz der Familie des Grafen. Dann wurde es zunächst nach Italien verkauft und schließlich Ende 1964 in die USA verschifft. Danach blieb es verschollen.

Bis 1989 gab es keine Spur von dem Cabrio mit Dreiliter-V12-Motor vom Typ 128 mit 240 PS Leistung. Doch dann tauchte es im italienischen Modena auf, um restauriert zu werden. Danach ging es zurück in die USA - um wieder vergessen zu werden. Zwei Jahre stand das Fahrzeug bei Bruno Borri, einem bekannten Ferrari-Mechaniker von Modena Motors in Los Angeles. Der Autobesitzer hatte den Wagen nicht mehr abgeholt. Immerhin ein exklusives Cabriolet mit roten Lederpolstern, grazilem Nardi-Holzlenkrad und einer Pininfarina-Karosserie.

Nur circa 200 dieser Ferrari-250-Modelle wurden zwischen 1959 und 1960 gebaut (Neupreis: rund 58 000 Mark). Ihr Schicksal ist weitgehend unbekannt. Für das Exemplar mit der Fahrgestellnummer FG2361 aber ging die Geschichte gut aus: Nach zwei Jahren Wartezeit in Los Angeles kaufte es der in Hamburg lebende Kaufmann Volker Nast, bekannt geworden als Erfinder des Kartenlesegeräts für den bargeldlosen Zahlungsverkehr.

+++Wo noch Power und Prestige zählen+++

+++Gelungener Auftritt mit vier Zylindern unter der Haube+++

Und damit hat die Auto-Ikone einen perfekten Besitzer gefunden. Nast ist überzeugter Ferrari-Fahrer und Trips-Verehrer: "Alles begann mit der Radioübertragung aus Monza - dem letzten Rennen von Graf Berghe von Trips. Das war prägend für mich. Der Rennfahrer war damals Vorbild einer ganzen Generation. Nie werde ich die Bilder der Beerdigung vergessen. Der Sarg des tödlich verunglückten Grafen wurde auf seinem Lieblingsauto, eben diesem Ferrari 250 GT Pininfarina Cabriolet Serie II, zur letzten Ruhestätte gefahren. Damals beschloss ich: Eines Tages werde ich Ferrari fahren."

Dass Volker Nast später ausgerechnet genau diesen 250 GT des rennbegeisterten Grafen besitzen würde, ist für ihn ein kleines Wunder: "Ich konnte es kaum glauben, als mir der GT angeboten wurde. Nachdem von Experten geprüft worden war, dass dieser Wagen einst wirklich an Berghe von Trips ausgeliefert worden war, ging ein Traum für mich in Erfüllung." Nast freut sich jeden Tag aufs Neue über die exzellente Maschine und die elegant gezeichnete Pininfarina-Karosse.

Heute steht sein Lieblingswagen in einer Garage fast ganz aus Glas. Autoenthusiast Nast, der unter anderem auch einige aktuelle Ferrari-Modelle besitzt, kann von seinem Wohnzimmer durch eine gläserne Doppeltür auf seinen automobilen Schatz blicken. Passend zum Auto hängen an den Wänden originale Schwarz-Weiß-Fotos, die den ersten Besitzer Graf Berghe von Trips zeigen. Und auch im Arbeitszimmer von Volker Nast ist das Thema Ferrari nicht zu übersehen: Modellautos in jedem Maßstab sind hier das prägende Element.

Mit dem Ferrari GT 250 ist für Nast ein automobiler Traum wahr geworden. Zu seinen emotionalsten Erlebnissen zählt denn auch eine Fahrt mit dem grünen Cabriolet am 1. Juni 1997. Ferrari feierte damals 50. Geburtstag, und mehr als 200 klassische Ferraris hatten sich in der norditalienischen Heimat eingefunden. Mit Polizeibegleitung steuerte Nast seinen Wagen im Konvoi auf der alten Mille-Miglia-Strecke über Siena und Florenz nach Maranello. Prominenter Beifahrer während der Ehrenrunde war der ehemalige Formel-1-Weltmeister John Surtees, der sich früher gegen Trips aufregende Rennduelle geliefert hatte. Surtees hatte keine Ahnung von der Vergangenheit des Cabriolets. Nast erzählte ihm die Geschichte seines Ferrari, der sah daraufhin den Wagen an und meinte mit Wehmut in der Stimme: "Memories".

Die Ausfahrt mit dem offenen Zweisitzer an einem warmen Spätsommertag durch die Holsteinische Schweiz ist für seinen Besitzer ein Erlebnis der besonderen Art. Es braucht eine ganze Weile, bis der unverkennbare Sound des Zwölfzylinder-Motors ganz in das typische sonore, unaufdringliche Trompeten übergeht. Der Mann am Steuer erklärt: "Die riesige Menge Motoröl muss erst auf Temperatur kommen, dann verliert der Motor den rauen Klang und wird zum musikalischen Ereignis für unsere Ohren." Sein bevorzugter Schaltpunkt liegt denn auch bei über 4000 Touren ...

Bequem geht es zu auf den roten Ledersitzen des Zweisitzers, und auch bei forcierter Gangart ist es noch erstaunlich windstill hinter der steilen Frontscheibe. Dabei werden die Seitenscheiben heruntergekurbelt, um der "Musik" aus den vier Endrohren besser lauschen zu können. Wer möchte unter diesen Umständen denn schon das originale alte Becker-Autoradio einschalten?

Das unrestaurierte Armaturenbrett ist klassisch: Eine in Wagenfarbe lackierte, leicht gewölbte Blechtafel mit einer leicht gepolsterten Abdeckung aus feinem schwarzen Leder mit den für Sportwagen aus der Zeit typischen Rundinstrumenten. Italienischer Standard: sieben Veglia-Instrumente mit schwarzen Zifferblättern, alle rein mechanisch arbeitend, versteht sich. Das zierlich ausgefallene Zündschloss findet sich rechts neben den Instrumenten im Armaturenbrett. Gestartet wird durch eine leichte Drehung und Eindrücken des Schlüssels in das Schloss. Ein Lenkradschloss wird man in diesem Automobil vergebens suchen, so wie es auch keine elektronisch gesteuerten Systeme innerhalb der Pininfarina-Karosse gibt. Die abschließende Krönung ist das grazile Dreispeichen-Lenkrad von Nardi, das sich steil vor dem Fahrer aufstellt und dessen Holzkranz sich beim Rangieren leicht verwindet. Als Fahrer muss man am Volant schon kräftig zupacken, denn eine Servolenkung gibt es ebenso wenig wie einen Bremskraftverstärker.

Die Speichen der Borrani-Räder mit Zentralverschluss blitzen im Sonnenlicht um die Wette, und die montierten Michelin XWX-Reifen mit ihrem typischen Blockprofil unterstützen den stabilen Geradeauslauf des langen Cabrios. Öfter klettert die Tachonadel während des Ausflugs auf über 150 km/h, ohne dass die zwölf Zylinder eine Spur von Anstrengung verraten. Allein die Motorvibrationen, über die Motorlager auf Rahmen und Karosserie übertragen, lösen beim Passagier ein feines Kribbeln aus. Da wird Autofahren zur reinsten Freude. Selbst auf Kopfsteinpflaster ist im Wagen kein Klappern oder Knarzen zu vernehmen. Dieser Ferrari ist Qualität pur.