Berlin. Stress lässt uns biologisch altern. Das haben US-Forscher einmal mehr nachweisen können. Eine Erkenntnis hat sie allerdings überrascht.

Stressreize lassen Menschen biologisch altern. Eine in der Fachzeitschrift „Cell Metabolism“ veröffentlichte Studie liefert dafür jetzt weitere Beweise. Die gute Nachricht laut Studie: Wer Stress und Belastungen reduziert, kann die Alterung offenbar wieder umkehren.

Das biologische Alter eines Menschen kann sich vom chronologischen Alter unterscheiden. Es wird nicht in Lebensjahren oder Daten gemessen, sondern am Zustand des Erbgutes. Ein höheres biologisches Alter, beeinflusst etwa durch schlechte Ernährung oder Lebensstil, kann das Risiko für Krankheiten oder Tod erhöhen.

Forscher unter Leitung des Alternsforschers Vadim Gladyshev von der Harvard Medical School sowie des Zellbiologen James White von der Duke University School of Medicine (beide USA) untersuchten den Einfluss von Stress auf das biologische Alter zunächst anhand von Mäusen. In der ersten Phase ihrer Forschung verbanden sie dafür chirurgisch drei Monate alte Mäuse mit 20 Monate alten Mäusen, so dass Blut zwischen den beiden Nagetieren fließen konnte.

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Biologisches Alter: „Etwas, was viele nicht für möglich gehalten haben“

Im Laufe von drei Monaten, so die Studienautoren, sei das biologische Alter der jüngeren Mäuse gestiegen, während sie das Blut mit ihren älteren Artgenossen teilten. Nachdem die jungen Mäuse jedoch abgetrennt wurden und sich zwei Monate lang erholen konnten, kehrte sich die Veränderung ihres biologischen Alters wieder um. „Das ist etwas, was viele Leute nicht für möglich gehalten haben“, sagte James White dem US-Magazin „The Scientist“.

Angeregt durch die Ergebnisse bei Mäusen beschlossen Gladyshev, White und ihre Kollegen, die gleiche Frage beim Menschen zu untersuchen. Sie analysierten das DNA-Alter von Blutproben von Menschen, die vorübergehend Stresssituationen ausgesetzt waren – die Daten sammelten sie selbst oder sie gewannen sie aus öffentlich verfügbaren Datenbanken.

Bei Patienten, die einer Notoperation, einer Schwangerschaft oder einem schwerem Verlauf von Covid-19 ausgesetzt waren, zeigte sich den Angaben zufolge im Großen und Ganzen derselbe Trend wie bei Mäusen: ein Anstieg des biologischen Alters, gefolgt von einer Rückkehr zu den Ausgangswerten, sobald der Stressreiz beendet war.

Gibt es künftig Tests, die eine Genesung messen können?

„Es gibt nur sehr, sehr wenige Studien, die das biologische Alter vor und nach einer medizinischen Intervention untersucht haben“, erklärt Daniel Belsky, Epidemiologe an der Columbia University, der nicht an der Studie beteiligt war gegenüber „The Scientist“. Die Sammlung von Daten vor und nach einer Vielzahl von Eingriffen sei ein wirklich wichtiger Schritt. Belsky hat die Studie begutachtet und arbeitet laut der Veröffentlichung mit einigen der Autoren an nicht verwandten Forschungsarbeiten zusammen.

Von einer möglichen klinische Verwertung der Studienergebnisse sei man noch weit entfernt, so Belsky weiter. Und doch könnten die Beobachtungen auf eine Zukunft hindeuten, in der Tests entwickelt würden, mit denen gemessen werden könne, wie sich Patienten von medizinisch bedingten Belastungen erholten. Belsky: „Es könnte sein, dass wir eines Tages in der Lage sein werden, diese Tests zu nutzen, um Dinge über Patienten zu erfahren, die wir heute nicht sehen können.“ (kai)