Berlin. Psychedelika wie LSD können laut Studien gegen Depressionen oder Ängste helfen. In der Schweiz werden sie verabreicht – unter Aufsicht.

Am Tag nach dem Trip ist der Psychiatrieprofessor Gregor Hasler erschöpft. Dabei hat nicht er die psychedelische Droge LSD eingenommen, sondern einer seiner Probanden. Aber es dauert eben zwölf Stunden, bis die Person durch Sinnesillusionen, emotionale Rückschauen, Phasen des Einsseins und der Einsamkeit hindurchgereist ist.

Als furchterregendste Erfahrung ihres Lebens beschrieben Patienten die psychedelische Psychotherapie gegenüber dem Erfinder des Konzepts Matthew Johnson von der Johns-Hopkins-Universität. „Das will man nicht gleich wieder haben“, bekräftigt Hasler von der Universität Freiburg in der Schweiz. „Auch mir reicht das einmal pro Woche, weil ich oder meine Betreuer ja bei der Person bleiben müssen.“

LSD-Therapie: Schweizer verabreichen Drogen unter Aufsicht

Hasler ist einer von drei Dutzend Psychiatern in der Schweiz, die Psychedelika per Ausnahmeregelung vom Schweizer Bundesamt für Gesundheit bei ausgewählten psychisch Erkrankten unter Aufsicht geben dürfen. Der halluzinogene Rausch soll eine bestehende Traumatisierung oder Depression eingebettet in eine Psychotherapie lösen. Die Drogen werden zu diesem Zweck auch bei Angsterkrankungen oder zur Suchtentwöhnung erforscht.

Seit immer mehr Einzelfälle und Studien dokumentieren, dass psychedelische Drogen bei psychischen Erkrankungen helfen können, boomt die Forschung. Die synthetische Droge LSD, die einem Pilzgift im Getreide ähnelt, Psilocybin, das in Zauberpilzen vorkommt, und Meskalin aus dem Peyote-Kaktus gelten als mögliche Psychopharmaka der Zukunft.

„Psychedelika eignen sich unserer Erfahrung nach gut, wenn die Psychotherapie festgefahren ist, die Betroffenen immer dasselbe erzählen“, schildert Hasler seine Erfahrung. Für akute Notlagen eignen sich die Drogen dagegen nicht.

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LSD und Co. zur Heilung: „Hype noch größer als die Ergebnisse“

Publizierte wissenschaftliche Daten, wie und welchen Personengruppen Psychedelika helfen könnten, stehen dagegen noch weitgehend aus. „Im Moment ist der Hype größer als die Ergebnisse“, findet Franz Vollenweider, Psychiater an der Universität Zürich. In Summe sind geschätzt zwei Dutzend randomisierte klinische Studien zu LSD und Psilocybin publiziert. Von einer Zulassung oder gar einem Sprung in die Regelversorgung sind psychedelische Substanzen noch entfernt.

Die Erwartung der Patienten ist trotzdem oft immens – vielleicht auch, weil den verbotenen psychedelischen Drogen etwas Mystisches anhaftet. Hinzu kommen Einzelfallberichte von psychisch Erkrankten, die sich nach ihrem Trip als wundersam geheilt ansehen.

Psychedelika keineswegs neu in der Medizingeschichte

In den 1950er- und 60er-Jahren erforschten Psychiater psychedelische Substanzen schon einmal gegen verschiedene Seelenleiden, ehe diese zur Partydroge der Hippiebewegung wurden und sie schließlich in der Anlage 1 des Betäubungsmittelgesetzes landeten. Die Forschung deutet gleichwohl auf ein therapeutisches Potenzial hin.

Die mit Abstand größte Studie erschien im November 2022 im New England Journal of Medicine. 233 Probanden mit einer behandlungsresistenten Depression bekamen entweder ein Placebo oder einmalig Psilocybin. In der höchsten Dosierung von 25 Milligramm gingen die depressiven Symptome, zu denen Niedergeschlagenheit und sozialer Rückzug gehört, bei 29 Prozent der Teilnehmenden zurück.

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Die Resonanz auf die Studie war geteilt. Einerseits waren die Effekte weit weniger stark als in den vorangegangenen kleineren Erhebungen. Andererseits begrüßen Beobachter wie das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, dass trotz der mäßigen Effekte eine Zulassungsstudie vorbereitet werden soll.

Psychedelika wie LSD können laut Studien gegen Depressionen oder Ängste helfen. In der Schweiz werden sie verabreicht – unter Aufsicht.
Psychedelika wie LSD können laut Studien gegen Depressionen oder Ängste helfen. In der Schweiz werden sie verabreicht – unter Aufsicht. © vladans/iStock

Drogen wirken schnell – aber es gibt eine Kehrseite

Psychedelika drängen mit der Verheißung in die Forschung, dass sie das Dilemma der Psychopharmaka überwinden könnten. Diese lindern bei manchen nach den ersten Wochen die Symptome einer Depression. Aber etwa 30 bis 40 Prozent der Menschen geht es trotz Medikamenten und Psychotherapie weiterhin schlecht.

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„Psychedelika wirken schnell. Das ist es, worauf sich alle stürzen“, sagt Franz Vollenweider. Eine mehrjährige Studie des Psychiaters Torsten Passie von der Medizinischen Hochschule Hannover berichtet von vertieften Selbsteinsichten infolge des Trips und – wenig überraschend – von mystischen Erlebnissen. Zugleich offenbarte sie, dass die Substanzen nicht unerhebliche Belastungen wie zeitweilige Angstzustände, Realitätsverkennungen und Wahnideen mit sich bringen. „Das mahnt zur Vorsicht“, so Passies Fazit.

Mediziner: LSD-Therapie nicht für jeden geeignet

Psychedelika seien nicht für alle geeignet, erklärt Hasler zu diesem Einwand. Wenn diese „emotional nicht so intelligent“ und „mental nicht so offen“ seien, wäre es nicht das Richtige. Menschen, die sich bei jeder Sinnesillusion, etwa wenn die Wolken auf einem Bild wanderten, beunruhigt fühlten, kämen mit Psychedelika nicht gut zurecht.

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Die riefen dann nach dem Trip an und sagten, die Wolken auf ihrem Bild würden wieder wandern. Eine „Halluzinogene Wahrnehmungsstörung durch LSD“ – und damit eine bekannte Folgeerkrankung psychedelischer Drogen. Hasler sagt: „Das ist anstrengend.“