Berlin. Intervallfasten kann nicht nur beim Abnehmen helfen, sondern hat auch positive Effekte auf Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes.

Immer mehr Menschen in Deutschland leiden an Übergewicht oder Adipositas und entwickeln in der Folge einen Typ-2-Diabetes.

Die Entstehung von Adipositas hat viele Ursachen – unter anderem genetische Faktoren, hormonelle Erkrankungen, bestimmte Medikamente oder seelische Probleme.

Eine große Rolle spielt aber auch der moderne Lebensstil mit zu viel Essen und zu wenig Bewegung. Hochkalorische Lebensmittel sind jederzeit verfügbar, stark verarbeitete Fertigmahlzeiten oft billiger als frische Produkte wie Gemüse oder Obst.

Intervallfasten: Verzicht auf Nahrung soll beim Abnehmen helfen

Als Gegenentwurf zur stetigen Verfügbarkeit von Nahrung gewinnt bereits seit einiger Zeit das Intervallfasten an Popularität. Die Hoffnung, damit überflüssige Pfunde loszuwerden, steht dabei meist im Mittelpunkt.

Der freiwillige Einbau von Hungerperioden in den Tag erscheint evolutionär gesehen Sinn zu ergeben, denn der menschliche Stoffwechsel ist ein „Fossil“.

In früheren Zeiten mussten Menschen eine unregelmäßige Verfügbarkeit und geringere Energiedichte ihrer Nahrung meistern. Hungerperioden waren üblich, Übergewicht und Typ-2-Diabetes dagegen deutlich seltener.

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Abnehmen: Gene bestimmen, ob das beim Fasten klappt

Tatsächlich haben mittlerweile auch Studien gezeigt, dass Intervallfasten verschiedene gesundheitliche Vorteile haben und nicht zuletzt zur Gewichtsreduktion beitragen kann. „Kann“ ist die ausschlaggebende Einschränkung.

„Manche Menschen verlieren mit Intervallfasten an Gewicht, andere dagegen nicht“, erklärt Professor Stephan Herzig, Direktor des Helmholtz Diabetes Zentrums München. „Bei manchen Menschen verhindert die genetische Ausstattung, dass sie mit Intervallfasten abnehmen.“

Positive Effekte auf die Gesundheit durch das Fasten

Dennoch sieht der Experte das Intervallfasten durchaus positiv, denn es kann auch ohne Gewichtsreduktion gesundheitsförderlich sein: „Bei allen Menschen zeigen sich positive Effekte wie eine Senkung des Blutdrucks und eine Verbesserung der Zucker- und Fettwerte im Blut“, so der Molekularbiologe.

Während Hunger- oder Fastenperioden muss der Körper seinen Stoffwechsel umstellen, um Schäden zu vermeiden.

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Fettverbrennung: Körper stellt beim Intervallfasten Stoffwechsel um

Im Laufe der Evolution habe der menschliche Körper zwei wesentliche genetische Programme entwickelt, erklärt Herzig: „Einerseits ist er dazu ausgelegt, möglichst gut Energie zu speichern, auf der anderen Seite ist er in der Lage, auch dann weiter zu funktionieren, wenn keine Nahrung verfügbar ist.“

Typischerweise stellt er im Falle von Nahrungsmangel von Zucker- auf Fettverbrennung um. Der Abbau von gespeichertem Fett begünstigt den Aufbau von alternativen Energieträgern, den sogenannten Ketonkörpern.

Sie finden dann zum Beispiel für die Energieversorgung des Gehirns Verwendung.

Diese Methoden des Intervallfastens gibt es:

Die 5:2-Methode: An fünf Tagen in der Woche darf man wie gewohnt essen, ohne Kalorien zu zählen.

An zwei Tagen wird die Nahrungszufuhr bei Frauen auf 500 bis 800, bei Männern auf 600 bis 850 Kilokalorien reduziert.

Schnell verdauliche Kohlenhydrate – etwa Weizenbrot, Nudeln, Kartoffeln und Zucker – sind an den Fastentagen tabu.

Die 16:8-Methode: Wer keine ganzen Tage fasten möchte, kann längere Essenspausen in den Tagesablauf einbauen.

Bei der 16:8-Methode lässt man entweder die Früh- oder Spätmahlzeit ausfallen, sodass man 16 Stunden am Stück auf Nahrung verzichtet.

Bei beiden Varianten ist es wichtig, in den Phasen der Nahrungsaufnahme nicht mehr zu essen als gewohnt. Trinken sollte man auch während des Fastens – kalorienfreie Getränke.

Übergewicht oder Bluthochdruck durch Fasten verbessern

Was im Körper passiert, wenn wir essen oder eben nicht essen, erforscht Stephan Herzig mit seinen Kollegen seit gut zwei Jahrzehnten.

Im Laufe der Jahre fanden sie eine Reihe von molekularen Schaltern, die kontrollieren, wie einzelne Organe und Systeme des Körpers auf Hunger reagieren, etwa die Zuckerproduktion der Leber oder der Fettstoffwechsel.

„Wir fanden auch heraus, dass es in vielen Fällen möglich ist, Stoffwechselstörungen wie Übergewicht, Fettleber, zu hohen Blutzucker oder zu hohen Blutdruck zu kontrollieren und wieder zu normalisieren, wenn man diese fasteninduzierten Schalter entsprechend manipuliert“, berichtete Herzig.

Diabetes: Hungerperioden helfen bei Langzeitschäden

Eine neue Studie des Universitätsklinikums Heidelberg und des Helmholtz Diabetes Zentrums München zeigt, dass Hungerperioden sogar dann noch therapeutisch wirken können, wenn die Diabeteserkrankung bereits Langzeitschäden verursacht hat.

Und die Probanden mussten dafür nicht einmal komplett auf Nahrung verzichten, das Ernährungsprotokoll der Studie sah ein Scheinfasten vor: „Die aufgenommenen Kalorien waren so weit reduziert, dass es – wie beim Fasten – zur Freisetzung von Ketonkörpern aus der Leber kam, die dann vom Gehirn als alternative Energiequelle genutzt wurden“, erklärte Herzig.

„Und selbst dieses Scheinfasten führte dazu, dass die Niere bei Patienten mit diabetischer Nierenerkrankung wieder besser funktionierte.“

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Positive Effekte durch Intervallfasten halten nicht an

Was sich in den mittlerweile zahlreichen Studien zum Fasten allerdings auch gezeigt hat: Die positiven Effekte halten nur an, solange man fastet.

„Man kann es auch mal sein lassen, zum Beispiel über das Wochenende, wenn man am Montag damit fortfährt, hat man auch wieder die positiven Effekte“, so Herzig. „Aber es bringt nichts, es einmal drei Wochen zu machen und dann wieder aufzuhören.“

Forscher wollen Effekte durch Intervallfasten erhalten

Tatsächlich scheint es nicht so zu sein, dass es zu einer kompletten Umprogrammierung des zellulären Stoffwechsels kommt, sodass die positiven Effekte des Fastens für alle Zeiten erhalten bleiben.

Deshalb suchen Forscher nach Möglichkeiten, die positiven Effekte des Fastens zu erhalten, ohne lebenslang fasten zu müssen.

Medikamente statt Fasten: Entwicklung von Therapien

Das momentan noch weit in der Zukunft liegende Ziel wäre die Entwicklung von Medikamenten, die nach der Einnahme dieselben Stoffwechselveränderungen verursachen wie eine Fastentherapie.

„Wir versuchen, geeignete molekulare Schaltstellen zu finden, die beim Hungern und Fasten aktiviert werden, an denen neuen Therapien künftig angreifen könnten“, erklärt Herzig. Die Hoffnung sei, damit Übergewicht und Diabetes vorzubeugen und zu einem gewissen Grad auch therapieren zu können.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf abendblatt.de.