Berlin. Die Weltgesundheitsorganisation mahnt zum sparsamen Einsatz von Antibiotika. Das hat einen wichtigen Grund. Es geht um Menschenleben.

Während manch Hausarzt selbst ausufernde Grippen noch mit Tee und Ruhe zu bekämpfen empfiehlt, ruft der Patient gern schon beim Schnupfen nach Antibiotika. Dass damit oft mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird, ist das eine Problem. Das andere: Weil Antibiotika tatsächlich immer häufiger – und falsch – eingesetzt werden, steigt die Zahl der Resistenzen.

Die Weltgesundheitsorganisation, kurz WHO, warnt deswegen davor, entsprechende Produkte weiter in einem „alarmierenden Ausmaß“ an die Menschen auszugeben. „Die Antibiotikaresistenz droht, 100 Jahre medizinischen Fortschritts zunichte zu machen“, warnte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus am Dienstag in Genf.

Eine Lösung dafür zu finden, sei eine der dringendsten Herausforderungen im Gesundheitsbereich.

WHO teilt Antibiotika in drei Kategorien ein – um die Verteilung einzudämmen

Um den Wildwuchs bei der Antibiotika-Verschreibung einzudämmen, hat die WHO nun die vorhandenen Mittel in drei neue Kategorien eingeteilt und empfiehlt Medizinern dringend, nur entsprechend zu verschreiben.

  • In der ersten Kategorie benennt sie Mittel, die bei ernsthaften Infektionen eingesetzt werden sollen
  • In der zweiten Kategorie finden sich solche, die jedes Gesundheitssystem zwar vorhalten, aber nicht immer bei den gängigsten Infektionen verabreichen sollte.
  • In der dritten Kategorie führt sie letztlich die Mittel auf, die nur als letzter Ausweg genutzt werden sollen.

In der ersten Kategorie seien vor allem keine Breitband-Antibiotika aufgeführt, sondern Medikamente, die gegen spezifische Mikroorganismen wirken, so die WHO. Die Mittel der zweiten und dritten Kategorie müssten sparsamer eingesetzt werden. So könne das Risiko der Entwicklung von Resistenzen verringert werden.

Hintergrund: WHO warnt vor gefährlichem Mangel an wirksamen Antibiotika

Resistenz: Wenn die krankmachenden Bakterien nicht mehr bekämpft werden

Eine Labormitarbeiterin des Universitätsklinikums in Erlangen (Bayern) zeigt eine Indikatorkulturplatte zum Nachweis von resistenten Bakterien.
Eine Labormitarbeiterin des Universitätsklinikums in Erlangen (Bayern) zeigt eine Indikatorkulturplatte zum Nachweis von resistenten Bakterien. © dpa | Daniel Karmann

Von Antibiotikaresistenz sprechen Ärzte, wenn Patienten auf ein Antibiotikum nicht reagieren, das heißt, wenn die krankmachenden Bakterien durch das Antibiotikum nicht vernichtet werden. Resistenzen können sich entwickeln, wenn bei einem Antibiotikaeinsatz einige Bakterien überleben. Diese resistenten Bakterien können sich vermehren.

Krankmachende Bakterien können auch gegen mehrere Mittel Resistenzen aufbauen. Einige dieser Bakterien widerstehen allen Antibiotika, die einstmals gegen sie wirkten. Für Patienten, die von solchen Bakterien befallen sind, gibt es dann oft kaum Heilungschancen.

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Weltgesundheitsorganisation: Viele Länder setzen Antibiotika falsch ein

In vielen Ländern werden nach WHO-Angaben mehr als die Hälfte der Antibiotika falsch eingesetzt. So bekämen Patienten Antibiotika bei Virusinfektionen, obwohl sie nur bakterielle Infektionen bekämpfen oder sie bekämen ein Breitband-Antibiotikum, wenn ein zielgerichteteres Medikament besser wäre.

Besonders besorgniserregend sei die Ausbreitung von Keimen wie Acinetobacter, Escherichia-coli und Klebsiella pneumoniae, die oft in Krankenhäusern zirkulierten. Sie könnten Lungenentzündung, Blutvergiftung und Wundinfektionen verursachen. Die WHO nennt das neue Klassifizierungssystem AWaRe, was aus dem Englischen etwa mit „Aufpassen“ übersetzt werden kann.

Das A steht für Access oder Zugang und steht für die erste Kategorie. Wa steht für Watch oder „beobachten“ und beschreibt die zweite Kategorie. Re steht für Reserve und bedeutet „zurückhalten“, die dritte Kategorie.

Besonders schnell ausbreiten können sich multiresistente Keime in der Pflege. Ebenfalls eine Gefahr für die globale Gesundheit sind laut WHO Impfgegner. (ses/dpa)