London . Samsung hat seine neuen Top-Smartphones vorgestellt. Wir konnten sie ausprobieren und geben einen Ausblick auf die Handymesse MWC.

Viele Smartphone-Besitzer werden wohl bald mit einem blinden Fleck im Display leben müssen. Ganz sicher gilt das für die neuen Flaggschiff-Geräte der Galaxy-S10-Reihe, die Hersteller Samsung im Vorfeld des Mobile World Congress (MWC) am Mittwochabend vorgestellt hat.

Der MWC ist die weltgrößte Mobilfunkmesse in Barcelona. Sie beginnt zwar erst am Montag, aber mit der vorgezogenen Präsentation bietet Samsung schon jetzt einen Überblick über wichtige Neuerungen, die zu erwarten sind.

Die Redaktion hatte Gelegenheit, sich das Galaxy S10 (ab 899 Euro), das S10+ (ab 1249 Euro) und das S10e (ab 749 Euro) vorab anzuschauen und ordnet ein, welche Funktionen auch andere Hersteller bald in Geräte einbauen werden.

Große Displays mit Loch
Samsung nennt sein neues Display „Infinity O“ – das „O“ verweist dabei auf einen kleinen, dunklen Fleck, der im Bildschirm der S10-Geräte klafft. Es ist der jüngste Auswuchs der Bemühungen der Hersteller, möglichst die gesamte Vorderseite des Geräts mit dem Display zu bedecken.

Tatsächlich sind die neuen Geräte diesem Ziel bereits ziemlich nahegekommen. Das Verhältnis von Bildschirm zu Rahmen beträgt laut Samsung nun über 93 Prozent. Da wohl aber kein Kunde auf die Selfie-Kamera verzichten möchte, muss für deren Linse eben ein Loch ins Display geschnitten werden.

Ob man das schön findet, ist eine Geschmacksfrage – es erlaubt Samsung aber, die Display-Diagonale weiter zu vergrößern, ohne die Abmessungen des Smartphones dafür selbst weiterwachsen zu lassen.

Ist die Loch-Lösung wirklich sinnvoll?

So bietet das neue Galaxy S10 ein Display mit 6,1-Zoll-Diagonale (S9: 5,8 Zoll), das S10+ kommt nun sogar auf 6,4 Zoll (S9+: 6,2 Zoll). Das Gehäuse des S10 wuchs dabei leicht an, das des S10+ behält die Dimensionen des Vorgängergeräts fast unverändert bei.

Gut zu sehen: die Aussparungen für die Selfie-Kameras. Beim S10+ ist eine Doppelkamera in der Front verbaut.
Gut zu sehen: die Aussparungen für die Selfie-Kameras. Beim S10+ ist eine Doppelkamera in der Front verbaut. © Benjamin Pritzkuleit

Tatsächlich dürfte diese Loch-Lösung in den kommenden Tagen bei zahlreichen neu vorgestellten Smartphone-Modellen zum Einsatz kommen. Man darf aber anzweifeln, ob sie wirklich sinnvoll ist.

Einen echten Vorteil bieten die so gewonnenen Displaymillimeter im Alltag meist nicht.

Bereits im Vorfeld des MWC war ein Video aufgetaucht, von dem vermutet wurde, dass es Samsungs neues Galaxy S10 zeige.

Kostengünstige Luxusklasse
In diesem Jahr liefert Samsung zwei weitere Formate seines Verkaufsschlagers: Das S10e ist das neue Einsteigergerät in der Oberklasse. Es hat wie das S9 ein 5,8-Zoll-Display, ist dabei aber spürbar kleiner.

Beim Ausprobieren gefiel das handliche Format. Technisch ist es leicht abgespeckt und geht dabei – auch preislich – noch immer als ein Oberklasse-Smartphone durch. Hier orientiert Samsung sich mit seiner Modellpolitik an Apple, das in diesem Jahr mit dem iPhone XR auch ein etwas weniger kostspieliges Oberklasse-Gerät im Angebot hat.

Gut möglich, dass man diese Modell-Strategie auf dem MWC auch noch bei anderen Herstellern sehen wird. Hintergrund dieses Vorgehens ist, dass einerseits die preisliche Schmerzgrenze nach oben ausgelotet werden kann, ohne die Käufer zu verlieren, die nicht mehr für das neue Smartphone ausgeben wollen als bisher.

Wer stets die beste verfügbare Technik haben will, muss in diesem Jahr bei den etablierten Marken vielfach wohl noch etwas tiefer in die Tasche greifen.

Mehr Laufzeit, mehr Linsen
In der Kategorie Kamera wurden die Koreaner im vergangenen Jahr klar von der Konkurrenz überholt. Huawei setzte bereits 2018 auf drei Kameralinsen in seinen Top-Geräten. Nun zieht Samsung beim S10 und S10+ nach: Neben Normal- und Zoom-Linse kommt noch eine weitwinkligere Linse mit einem 16-Megapixel-Sensor zum Einsatz, dem S10e fehlt diese übrigens.

Das Galaxy S10+, S10 und S10e (v.l.).
Das Galaxy S10+, S10 und S10e (v.l.). © PR | pr

Beim ersten Herumprobieren machte die Kamera einen sehr guten Eindruck, der Ultraweitwinkel ergänzt die Bildschnittmöglichkeit. Offen blieb nach dem kurzen Test allerdings, ob die Software-Verarbeitung der Bilder etwa mit der vom Google Pixel 3, Huawei Mate 20 Pro oder iPhone XS mithalten kann – sie entscheidet letztlich, wie gut Smartphone-Fotos werden.

Auch bei anderen Herstellern wird man auf dem MWC in Barcelona Geräte mit drei oder sogar mehr Linsen sehen. Das ebenfalls erwartete Nokia 9 PureView soll sogar über fünf Linsen verfügen.

Die Akku-Kapazität wuchs bei den S10-Geräten noch einmal spürbar auf 3400 Milliamperestunden (mAh) und 4100 mAh (S10+) an, im S10e steckt ein Akku mit 3100 mAh. Interessanter ist aber die „Power Share“-Funktion.

Alle S10-Smartphones können über ihre Gehäuse-Rückseite nicht nur kabellos aufgeladen werden, sie werden bei Bedarf auch zum kabellosen Energiespender für andere Geräte. Auch ein testweise auf die Rückseite des S10e gelegtes iPhone startete den Ladevorgang.

Speicherausstattung und Farben

Speicherplatz dürfte beim S10 der Vergangenheit angehören. Das Galaxy S10e und das S10 werden standardmäßig mit 128 GB Speicher ausgeliefert, das S10+ mit 512 GB. Gegen einen Aufpreis von 249 Euro kann man auch das S10 mit 512 GB Speicher kaufen, es kostet dann 1149 Euro.

Auch beim S10+ lässt sich der Speicher aufstocken - und zwar auf einen Terrabyte. Das lässt sich Samsung dann aber auch mit 1599 Euro bezahlen. Alle Geräte sind in den Farben Weiß, Schwarz, Grün und Blau erhältlich.

Das S10e gibt es auch noch in Kanariengelb. Für das S10+ gibt es außerdem noch Varianten mit kratzfestem Keramik-Rücken in weiß und schwarz. Alle Geräte sind ab dem 8. März erhältlich.

Fingerabdrucksensor im Display
Der Fingerabdrucksensor ist beim S10 in das Display integriert worden. Dabei kommt kein optischer Sensor zum Einsatz, sondern einer, der per Ultraschall arbeitet. Im Kurztest funktionierte der sehr zuverlässig und besser als bei den Lösungen von der Konkurrenz.

Beim S10 steckt der Ultraschall-Fingerabdrucksensor unter dem Display.
Beim S10 steckt der Ultraschall-Fingerabdrucksensor unter dem Display. © Benjamin Pritzkuleit

Die neue Mobilfunktechnologie 5G wird auf dem MWC ein Riesenthema werden – auch wenn es für Verbraucher in diesem Jahr vermutlich noch keine nennenswerte Rolle spielen wird. Ganz sicher werden jedoch erste 5G-Geräte zu sehen sein – auch von Samsung.

Das am Mittwochabend gezeigte S10 5G (mit riesigem 6,7-Zoll-Display) ist allerdings noch nicht wirklich fertig, vermutlich komme es im Sommer auf den Mark, so Samsung. Relevant wird 5G aber wohl frühestens 2020.

Handys zum Falten
Die spektakulärste Neuerung, die Samsung bereits im November andeutungsweise präsentiert hatte, ist das faltbare Smartphone Galaxy Fold. Es soll im Mai auf den Markt kommen und 2000 Euro kosten.

Möglicherweise kommen im Verlauf dieses Jahres ja gleich mehrere faltbare Smartphones auf den Markt. Denn von einigen weiteren Herstellern ist bekannt, dass sie an entsprechenden Geräten arbeiten und diese vielleicht sogar schon auf dem MWC zeigen.

Ob es jenseits des Wow-Effekts auch echte Gründe für solche Geräte gibt, muss sich noch zeigen.