Dénia. Die geheimnisvolle Gamba Roja de Dénia ist eine echte Spezialität in Spanien. Das macht die Rotgarnele von der Costa-Blanca aus.

Als er jung war, hatte er einen Fehler ­gemacht und sich das falsche Tier auf den rechten Unterarm tätowieren ­lassen. Einen großen Oktopus. Und drumherum ein paar Sterne. Es ist ein Tier, das er schon immer gerne gegessen hat und seit seinen Lehrjahren als junger Koch in zahllosen Varianten großartig zubereiten kann.

„Auf der Schulter ist ja noch Platz“, sagt J osé Manuel Lopez. Für seine aktuelle Liebe. Ebenfalls aus dem Meer, eine ­Delikatesse zudem, eine Rarität obendrein: für die Gamba Roja de Dénia, eine Rotgarnele, die von nur fünf Fischerbooten in einem Tiefseegraben auf ­ungefähr halbem Weg zwischen der Costa-Blanca-Küstenstadt Dénia und der Balearen-Insel Ibiza gefangen wird.

Nicht nur, dass sie großartig schmeckt, nach Meer, nach Tiefe, nach Geheimnis. Nicht nur, dass sie das ­ganze Aroma eines Krustentiers hat und am besten ganz ohne Gewürze zubereitet wird.

Vor allem aber ist sie bereits sattrot, ­ohne dass sie gekocht werden muss, nicht unangenehm glasig oder schwarz wie die meisten anderen Garnelenarten. Sie ist auf Anhieb die appetitlichste Schönheit ihrer Art.

52 Jahre auf dem Meer zu­gebracht

Woran das liegt? Juan Garcia weiß es ­genau: „Sie frisst ganz spezielle Algen, die nur in ihrem Lebensraum vorkommen. Dadurch nimmt sie diese intensive Farbe an.“ Der Mann hat sich ein Leben lang mit der Gamba Roja beschäftigt und ist so etwas wie ihr natürlicher Feind – als Fischer aus Dénia.

67 ist er jetzt, 52 Jahre hat er auf dem Meer zu­gebracht, sein Sohn Samuel wird den ­Betrieb fortführen: „Wir fahren morgens um fünf raus, sind am Nachmittag zurück – außer die See ist zu rau.“

Fischer bei der Arbeit. Auf Auktionen wird der Fang verkauft.
Fischer bei der Arbeit. Auf Auktionen wird der Fang verkauft. © Getty Images/Lonely Planet Images | Adina Tovy

An manchen Tagen bringt er mit seiner „Franjumar“ mit drei Mann ­Besatzung 20 Kisten mit nach Hause, an anderen nur vier. „Es hängt an der Jahreszeit, am Wetter. Daran, wie die See am Tag zuvor beschaffen war. Genau weißt du es nie.“

Fang wird in der Auktionshalle am Hafen versteigert

Seine Ausbeute wird wie die der ­anderen jeden Nachmittag in der Auktionshalle am Hafen von Dénia versteigert. Die Bieter hocken auf den Rängen, Zuschauer – viele Urlauber darunter – verfolgen das Geschehen von Steh­plätzen auf einer Galerie aus.

Regelmäßig geht José Manuel Lopez selbst zur Auktion. Er weiß am ­besten, was er für die zwei Restaurants unter seiner Verantwortung braucht, verschwindet vor der Auktion hinter den Kulissen und kann die Gambas aus der Nähe prüfen. Da geht es um die ­Farbe, die Festigkeit, die Größe.

In der kleinen Stadt gibt es mehr als 300 Restaurants

Bekommt er „seine“ gewünschte Kiste, strahlt der stille, große Mann mit dem Drei-Tage-Bart plötzlich, als hätte ihm jemand unverhofft sein erstes Auto geschenkt. Er greift sich seine Kiste ­selbst, statt sie sich zum Restaurant bringen zu lassen.

Fast umarmt er sie. Als wollte er sie nie mehr loslassen. Und er schwärmt von dem, was er auf ­Spanisch „producto de kilometro zero“ nennt – von einer Delikatesse, die von vor der Haustür kommt und nicht um die halbe Welt geflogen ist, ehe sie auf den Teller gelangen kann.

„Die Gamba Roja reist nicht gerne“, ist Drei-Sterne-Koch Quique Dacosta mit ihm einer Meinung, dessen Restaurant in Dénia aktuell in der Kritikerliste der Top 100 der besten Restaurants weltweit rangiert. „Sie ist am besten dort, wo sie gefangen wurde.“ Die 42.000-Einwohner-Stadt Dénia profitiert davon und profiliert sich seit einigen Jahren über die Vielfalt und Qualität ihrer Gastronomie.

José Manuel Lopez ist Küchenchef im Peix i Brases. Gamba Rioja
José Manuel Lopez ist Küchenchef im Peix i Brases. Gamba Rioja © Helge Sobik | Helge Sobik

Mehr als 300 Restaurants gibt es hier – sehr viel für eine Stadt dieser ­Größe. Kürzlich ist sie als eine von bisher nur 24 Orten weltweit von der Unesco in den Kreis der Creative Cities of Gastronomy erhoben worden, deren lokale Kultur und Geschichte sich auf besondere Weise in ihrer Küche spiegelt. Der Tourismus profitiert davon.

Ob Fischer Juan Garcia die Gamba Roja nach so vielen Jahren überhaupt noch essen mag? Er schaut irritiert, sagt dann „Oh ja, natürlich“, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. „Nur dass sie für mich nicht diese besondere Delikatesse ist. Weil ich jeden Tag ein paar davon mit nach Hause nehmen kann.“

Wie genau die Gamba gekocht wird, ist Betriebsgeheimnis

Wie José Manuel Lopez die Gamba am Herd seines Restaurants Peix i ­Brases am Rande des alten Fischerviertels von Dénia zubereitet? „Ich koche sie nur einen kurzen Moment in Meerwasser, kühle sie dann schlagartig in Eiswasser ab.“

Die genaue Garzeit? Temperatur? Betriebsgeheimnis! Nur so viel: „Die Großen gelingen besser als die Kleinen. Die Gamba braucht ein gewisses Volumen für eine gute Konsistenz. Dann ist das Aroma am besten.“

Siebenmal hat es in Dénias ­alter Markthalle bereits das Festival der Gamba Roja gegeben, bei dem Meisterköche aus ganz Spanien vor Publikum jenes Meerestier zubereiten. José Manuel Lopez ist Erster geworden. Gleich bei der Premiere im Jahr 2012. Da wäre eigentlich das Tattoo für die Schulter fällig gewesen.

Er hat es nicht stechen lassen. Keine Zeit. Mit welchem Rezept er gewonnen hat? „Ich habe Kopf und Körper der Gamba getrennt voneinander gekocht, später mit Olivenöl konfiert, ein bisschen Knoblauch, ganz wenig milden Chili hinzugegeben und mit einer traditionellen Soße serviert, die aus Seeteufelköpfen gemacht wird.“

Durchschnittlich 100 Euro für ein Kilo Gamba Rojas

Kollege Quique Dacosta hat bislang 30 Rezepte rund um die Gamba Roja entwickelt, serviert neuerdings einen Tee, der aus Gambaköpfen gekocht ist und hat sie auch schon mit flüssigem Nougat zubereitet. Was seltsam klingt, passt erstaunlich gut zusammen.

Bei durchschnittlich etwa 100 Euro liegt der Kilopreis für Gamba Rojas in der Fischauktionshalle. An manchen ­Tagen mit großer Ausbeute kann er mal auf 80 Euro fallen, vor Feiertagen wie Weihnachten und Ostern schießt er auf bis zu 250 Euro in die Höhe. Das sind die Aufgaben eines Fischwirtes.

„Unsere Gamba“, erzählt Quique Dacosta, „ist erst in jüngeren Jahren so recht als ­Delikatesse entdeckt worden. Heute ist sie die Königin der Alta Cocina in Spanien. Vor 20 Jahren hat das Kilo noch 16 Euro gekostet. Die Fischer wussten, sie ­hatten etwas Gutes. Aber es war normal, es zu haben.“

Auch der Pelluda, ein kleiner Butt, hat hier viele Fans

Auch Antonia Puig kann sich noch gut an die Zeiten erinnern, als kein Extra-Tusch für die Rotgarnele gespielt wurde. Seit 30 Jahren arbeitet sie hinter der weiß gefliesten Theke ihres Fisch­standes in der Markthalle von Dénia.

Die Welt der Tiefsee: Gruselig und schön

Farbenfroh und faszinierend: Am Meeresgrund in 6000 Metern Tiefe existieren mehr Korallenarten als in den tropischen Meeren. Manche sind über 4000 Jahre alt – älter als die Pyramiden Ägyptens. Die zweite Folge „Leuchtende Tiefsee“ der ARD-Naturfilmserie „Der Blaue Planet“ nimmt Zuschauer am 26. Februar um 20.15 Uhr mit in die unbekannten Sphären der Tiefsee. Wir zeigen eine Auswahl der beeindruckenden Aufnahmen.
Farbenfroh und faszinierend: Am Meeresgrund in 6000 Metern Tiefe existieren mehr Korallenarten als in den tropischen Meeren. Manche sind über 4000 Jahre alt – älter als die Pyramiden Ägyptens. Die zweite Folge „Leuchtende Tiefsee“ der ARD-Naturfilmserie „Der Blaue Planet“ nimmt Zuschauer am 26. Februar um 20.15 Uhr mit in die unbekannten Sphären der Tiefsee. Wir zeigen eine Auswahl der beeindruckenden Aufnahmen. © WDR/BBC/Charles Fisher
Gruselfaktor: Der in der Tiefsee vorkommende Fangzahnfisch hält einen Rekord unter Fischen. Er hat im Vergleich zu seinem Körper die größten Zähne.
Gruselfaktor: Der in der Tiefsee vorkommende Fangzahnfisch hält einen Rekord unter Fischen. Er hat im Vergleich zu seinem Körper die größten Zähne. © WDR/BBC NHU/Espen Rekdal
Einsiedlerkrabben haben sehr scharfe Fangscheren, mit denen sie das weiche Fleisch ihrer Nachbarn, der Riesenmuscheln, anschneiden.
Einsiedlerkrabben haben sehr scharfe Fangscheren, mit denen sie das weiche Fleisch ihrer Nachbarn, der Riesenmuscheln, anschneiden. © WDR/BBC NHU/Espen Rekdal
Auch der Gießkannenschwamm ist ein Tiefseebewohner. Häufig finden sich in ihm Garnelenpärchen, die als Junglarven Schutz hinter den harten glasähnlichen Schwammwänden suchen. Zu Erwachsenen herangewachsen, sind sie zu groß, um zu entkommen und daher lebenslang in diesem „Käfig einer Ehe“ gefangen.
Auch der Gießkannenschwamm ist ein Tiefseebewohner. Häufig finden sich in ihm Garnelenpärchen, die als Junglarven Schutz hinter den harten glasähnlichen Schwammwänden suchen. Zu Erwachsenen herangewachsen, sind sie zu groß, um zu entkommen und daher lebenslang in diesem „Käfig einer Ehe“ gefangen. © WDR/BBC NHU/Espen Rekdal
Gut geschützt lebt ein Garnelenpärchen hier in einem Gießkannenschwamm.
Gut geschützt lebt ein Garnelenpärchen hier in einem Gießkannenschwamm. © WDR/BBC/Espen Rekdal
Angsteinflößend: Ein Sechskiemerhai auf dem Weg zu einem Walkadaver. In der Tiefsee zählt jede Kalorie. Die großen Haie haben einen sehr langsamen Stoffwechsel und können in der Kälte der Tiefsee ein Jahr ohne Futter aushalten. Das Foto wurde im Tauchboot „Lula“ der Rebikoff-Niggeler-Stiftung aufgenommen.
Angsteinflößend: Ein Sechskiemerhai auf dem Weg zu einem Walkadaver. In der Tiefsee zählt jede Kalorie. Die großen Haie haben einen sehr langsamen Stoffwechsel und können in der Kälte der Tiefsee ein Jahr ohne Futter aushalten. Das Foto wurde im Tauchboot „Lula“ der Rebikoff-Niggeler-Stiftung aufgenommen. © WDR/BBC NHU/Will Ridgeon
Der Pfannkuchentintenfisch lebt in der kalifornischen Tiefsee. Seine Kopfflossen haben ihm den Spitznamen „Dumbo“-Tintenfisch eingetragen.
Der Pfannkuchentintenfisch lebt in der kalifornischen Tiefsee. Seine Kopfflossen haben ihm den Spitznamen „Dumbo“-Tintenfisch eingetragen. © WDR/BBC
Schlammvulkane auf dem Meeresgrund stoßen fußballgroße Methanblasen aus.
Schlammvulkane auf dem Meeresgrund stoßen fußballgroße Methanblasen aus. © WDR/BBC
Auf einer hydrothermalen Quelle siedeln sogenannte Hoff-Krabben. Sie sind wegen ihrer starken Brustbehaarung nach dem Schauspieler David Hasselhoff benannt.
Auf einer hydrothermalen Quelle siedeln sogenannte Hoff-Krabben. Sie sind wegen ihrer starken Brustbehaarung nach dem Schauspieler David Hasselhoff benannt. © WDR/BBC NHU/John Copley
Bei Dreharbeiten in der Tiefsee der Antarktis entdeckten das Team Riesenschwämme, die bis zu 2 Meter groß waren.
Bei Dreharbeiten in der Tiefsee der Antarktis entdeckten das Team Riesenschwämme, die bis zu 2 Meter groß waren. © WDR/BBC
In 650 Meter Tiefe wabert hochkonzentrierte Salzlake in Mulden am Meeresgrund, achtmal salziger als das Meerwasser. Am Rand dieser „Seen im Meer“ leben gigantische Muscheln, Tiefseehummer, Garnelen, Seeasseln und Würmer.
In 650 Meter Tiefe wabert hochkonzentrierte Salzlake in Mulden am Meeresgrund, achtmal salziger als das Meerwasser. Am Rand dieser „Seen im Meer“ leben gigantische Muscheln, Tiefseehummer, Garnelen, Seeasseln und Würmer. © WDR/BBC NHU/Espen Rekdal
Schleppnetze, mit Öffnungen so groß wie ein Fußballfeld, hinterlassen beim Fischfang in der Tiefsee eine wüste Trümmerlandschaft. Auf der Strecke bleiben bis zu 1000 Jahre alte Korallen. Dieser Raubbau in der Finsternis zerstört ganze Lebensräume irreparabel, viele davon unerforscht.
Schleppnetze, mit Öffnungen so groß wie ein Fußballfeld, hinterlassen beim Fischfang in der Tiefsee eine wüste Trümmerlandschaft. Auf der Strecke bleiben bis zu 1000 Jahre alte Korallen. Dieser Raubbau in der Finsternis zerstört ganze Lebensräume irreparabel, viele davon unerforscht. © WDR/BBC
Zwei Jahre lang wurde der erste Tiefsee-Tauchgang in der Antarktis vorbereitet. Besatzung und Kameracrew der „Deep Rover“ waren die ersten Menschen, die jemals in der Antarktis in 1000 Meter Tiefe vordringen konnten.
Zwei Jahre lang wurde der erste Tiefsee-Tauchgang in der Antarktis vorbereitet. Besatzung und Kameracrew der „Deep Rover“ waren die ersten Menschen, die jemals in der Antarktis in 1000 Meter Tiefe vordringen konnten. © WDR/BBC NHU/James Honeyborne
Das Tauchboot „Nadir” bietet Platz für drei Mann Besatzung. Für die Dreharbeiten in der Tiefsee haben die Teams über 1000 Stunden in Tauchbooten unter Wasser verbracht, um Bilder von Landschaften und Verhaltensweisen zu bekommen, die noch niemals zuvor zu sehen waren.
Das Tauchboot „Nadir” bietet Platz für drei Mann Besatzung. Für die Dreharbeiten in der Tiefsee haben die Teams über 1000 Stunden in Tauchbooten unter Wasser verbracht, um Bilder von Landschaften und Verhaltensweisen zu bekommen, die noch niemals zuvor zu sehen waren. © WDR/BBC NHU/Luis Lamar
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An sehr guten Tagen verkauft sie vier, fünf Kilos Gambas Roja. Seit drei Jahrzehnten macht sie den Job nun schon. Über 30 Tonnen der wertvollen Garnele wird sie mit ihren Händen bewegt haben.

Grund genug für ein Garnelen-Tattoo auf der Schulter? „Auf keinen Fall!“ Sie lacht herzhaft. Ihr Liebling heißt Pelluda. Ein kleiner Butt, auf Deutsch Lammzunge. Wie er schmeckt? „Einfach großartig!“, sagt sie. Wahrscheinlich der nächste ganz große Trend in der mediterranen Küche. Wie gut, dass José Manuel Lopez noch Platz hat. Der ganze linke Unterarm ist noch frei.

Tipps & Informationen

Von Berlin geht es zum Beispiel nonstop mit Ryanair nach Valencia oder ebenfalls nonstop mit Ryanair oder Easyjet nach Alicante. Ab Hamburg fliegt Ryanair beide Flughäfen an. Diese sind rund 100 Kilometer von Dénia entfernt.

Tipps für Übernachtungen sind z. B. das Vier-Sterne-Hotel Buenavista (www.hotelbuenavistadenia.com) ab
95 Euro oder das La Posada del Mar (www.laposadadelmar.com) ab 143 Euro/Nacht pro Doppelzimmer.

Das Restaurantvon José Manuel Lopez heißt Peix i Brases, ein Menü mit sieben Gängen kostet ab 49 Euro, www.peixbrases.com; Quique Dacostas Restaurant in Dénia trägt seinen Namen (www.quiquedacosta.es), es hat drei Michelin-Sterne, ein Menü mit 20 Gängen kostet 210 Euro).

Mehr Auskunft zur Region gibt das Spanische Fremdenverkehrsamt, www.spain.info, außerdem die Seiten www.costablanca.org sowie
www.­denia.net