Berlin. Jedes zweite Kind ist einer Studie zufolge falsch angeschnallt. Unfallforscher appellieren an Hersteller. Das sind die größten Fehler.

Bei der Sicherung von Kindern im Auto machen Eltern, Großeltern oder Bekannte noch immer schwere Fehler. Das ergab eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Rund die Hälfte der Jungen und Mädchen unter zwölf Jahren waren demnach falsch gesichert – 60 Prozent davon so gravierend, dass sie im Falle eines Unfalls schwere Verletzungen davongetragen hätten. Die Unfallforscher fordern Konsequenzen.

Was hat die UDV untersucht?

Es ist nicht die erste, aber die größte Studie dieser Art: Von Juni 2016 bis September 2017 haben die Forscher in den Großräumen Berlin und München 1042 Autofahrer auf Supermarkt-Parkplätzen, vor Kindergärten oder auf Autobahn-Raststätten angesprochen und die Sicherung der Kinder in entsprechenden Sitzen überprüft.

In 62 Prozent der Fälle waren das Mütter, in 32 Prozent Väter, in vier Prozent Großeltern und in zwei Prozent Verwandte oder Bekannte. Anschließend wurden die Fahrerinnen und Fahrer befragt, entweder direkt vor Ort oder später am Telefon.

Welche Fehler haben Eltern, Großeltern, Verwandte oder Bekannte gemacht?

Die häufigsten gravierenden Fehler betrafen die Führung des Gurtes bei der Befestigung von Babyschale oder Kindersitz im Auto. Entweder waren die Gurte nicht durch die vorgeschriebenen Öffnungen geführt oder zu locker. Zu locker waren oft auch die Gurte, die die Kinder in den Sitzen selbst angelegt hatten.

„Bei der Gurtführung gibt es riesige Unterschiede. Bei manchen Sitzmodellen ist das leicht, bei anderen sehr friemelig“, sagt UDV-Leiter Siegfried Brockmann. Vor allem bei Babyschalen könnten Nutzer leicht Becken- oder Schultergurt verwechseln. In dieser Kategorie machten Eltern der Studie zufolge signifikant mehr Fehler als in den Sitzklassen für schwerere Kinder. „Wer da nur seiner Intuition folgt, liegt oft falsch“, warnt Brockmann.

Besonders auffällig war laut Studie auch: Junge Eltern bis 30 Jahre machen die meisten Fehler, viele Fehler gab es zudem bei Menschen mit Migrationshintergrund. Und: Die Dauer der Fahrt beeinflusste die Fehlerquote deutlich. Besonders oft registrierten die Forscher Fehler bei kurzen Fahrten bis 15 Minuten.

Was waren die Gründe für Fehler?

Die Hälfte der Fahrer, die Kind oder Sitz falsch gesichert hatten, gab an, die Handhabung nicht richtig zu kennen. Etwa jedem Fünften hingegen war der Fehler bewusst. Die angegebenen Gründe dafür waren Zeitnot oder die Kürze der Strecke.

Wie geht es richtig?

Zu unterscheiden ist zwischen Einbau des Sitzes und Sicherung des Kindes. Nur bei den Sitzen der Klasse 2/3 (Kinder der Gewichtsklassen von etwa 15 bis 36 Kilogramm) ist das dasselbe. „Da sichert der Gurt sowohl den Sitz als auch das Kind“, sagt Brockmann. Hier muss nicht nur der Beckengurt unter zwei Höckern durchgeführt werden, sondern auf der Seite des Gurtschlosses auch der Schultergurt. „Das wissen viele nicht“, sagt Brockmann. Der Gurt muss zudem richtig straff gezogen werden und in etwa in Schlüsselbeinhöhe verlaufen. Viele Sitze haben dort noch eine Führung.

Bei Babyschalen (Klasse 0/0+) und Klasse-1-Sitzen (9 bis 18 Kilogramm) wird zuerst der Sitz mit den Autogurten oder am Isofix-Befestigungssystem fixiert. „Mit Isofix sitzt der Sitz optimal straff drin.“ Ohne Isofix muss der Autogurt den Sitz halten. Teilweise muss der Kindersitz dazu vorgeklappt werden. Wenn man den Schultergurt durchführt, muss man ihn meist mit einer Klammer in einer Position fixieren. Und Babyschalen müssen immer entgegen der Fahrtrichtung eingebaut werden.

Worauf sollten Eltern achten?

Die Unfallforscher raten zu einem sorgfältigen Lesen der Bedienungsanleitung. Darüber hinaus sollte der Gebrauch der Sitze mehrfach eingeübt werden. „Man sollte sich vor der Anschaffung auch fragen, wie oft ich die Sitze aus- und einbauen muss. Muss ich das mehrfach am Tag machen, sollte ich auf eine einfache Handhabung Wert legen“, empfiehlt Brockmann.

Vor jeder Fahrt sollten Eltern zudem den Einbau des Sitzes testen. „Wenn der Sitz im Auto ist, sollte man ihn kräftig in alle Richtungen ziehen. Wenn er wackelt, muss ich etwas falsch gemacht haben“, so Brockmann. Sollte es mit der Installation partout nicht klappen, sollten Eltern zurück zum Händler und sich beraten lassen.

Darüber hinaus rät Brockmann, sich nicht zu sehr von den eigenen Kindern oder Enkeln beeinflussen zu lassen. „Viele Kinder mögen es erfahrungsgemäß nicht, sich richtig festzurren zu lassen. Sie quengeln und viele denken dann, dass man die Gurte ruhig etwas lockerer lassen kann, vor allem auf kurzen Fahrten. Aber auch auf einer zwei Kilometer langen Fahrt kann es einen schweren Unfall geben“, sagt Brockmann.

Was fordern die Forscher von den Herstellern?

Nach Meinung der UDV müssten die Sitzhersteller mehr tun, um die Handhabung zu vereinfachen. Zwar liege eine ausführliche schriftliche Beschreibung bei, diese sei aber oft schwer verständlich, insbesondere bei Sprachproblemen.

„Es sollte auch kein Problem sein, eine Anleitung per Video zur Verfügung zu stellen. Es gibt auch renommierte Hersteller, die das schon machen“, so Brockmann. Darüber hinaus plädiert Brockmann dafür, dass die Handhabung bei Normierungen und Tests eine größere Rolle spielen sollte. Brockmann: „Gibt es keine eindeutige Bedienung, sollte es Abwertungen geben.“

Unabhängig vom Verhalten der Autofahrer spielt auch die Sicherheit der Kindersitze eine Rolle. Doch nach einem Test gibt es Bedenken zu einem speziellen Modell: ADAC warnt vor Kindersitz: Kinder könnten aus Schale fliegen